Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Estomihi, 06.03.2011

Predigt zu Matthäus 3:13-17, verfasst von Birgitte Graakjær Hjort

 

Wenn wir zu einem richtig großen Fest kommen sollen, erhalten wir in der Regel rechtzeitig vorher eine Einladung. Wenn z.B. jemand zur Hochzeit oder zu einem runden Geburtstag einlädt, dann verschickt er seine Einladungen mehrere Wochen oder sogar Monate im Voraus, damit wir danach planen und uns darauf einstellen können, dass wir zu dem Fest kommen.

So ist es auch heute, wo wir Fastnachtssonntag haben. Das ist der Tag, an dem wir die Einladung zu dem größten Fest des ganzen Jahres bekommen. Und das ist Ostern.

Von heute an - oder, wenn wir ganz genau sein wollen, von Mittwoch an, also von Aschermittwoch an - sind es noch 40 Tage bis Ostern. 40 Tage sollen wir dazu verwenden, uns darauf einzustellen und gründlich darauf vorzubereiten, das zu feiern, was an Ostern geschah. Und wie können wir uns nun darauf vorbereiten, das zu feiern? Wir können uns durch Fasten vorbereiten. Denn die 40 Tage heißen ja bei uns nicht ohne Grund Fastenzeit.

Aber kommt uns Christen das Fasten nicht ein wenig fremdartig vor? Ist es normal - und ist es notwendig für uns als Christen - dass wir fasten? Muslime - die fasten. Das wissen wir. Und wir können Jahr für Jahr darüber in den Zeitungen lesen, wenn Ramadan ist. Und wir, die wir Kinder in Kindergärten und Schulen haben, werden auch daran erinnert, denn unsere Kinder wachsen mit der Erfahrung auf, dass andere Kinder fasten oder jedenfalls den Ramadan als etwas ganz Natürliches feiern.

Ich glaube, es ist ganz gesund, mit dem Wissen aufzuwachsen, dass es Menschen gibt, für die ihr Glaube auf ganz konkreter Ebene Konsequenzen für ihre Lebensweise hat. Es ist ein gesundes Wissen, das man in seiner Kindheit und Jugend erwirbt.

Aber sind es nur Muslime und Juden, die fasten? Sollen wir Christen bloß essen und trinken, wie wir lustig sind? Und wenn das so ist, warum in aller Welt haben wir dann in unserem Kirchenjahr diese Zeitspanne von 40 Tagen, die wir die Fastenzeit nennen? Ich will es ganz direkt und ohne Umschweife sagen: Der Sinn der Sache ist, dass wir fasten sollen! Wenn du es nicht schon vorher getan hast, dann versuch zum ersten Mal in deinem Leben zu fasten. Fang kommenden Mittwoch an, und hör nach 40 Tagen wieder auf.

Jesus fastete. 40 Tage lang. Dies ist einer der Gründe, warum unsere Fastenzeit auf diese Anzahl von Tagen festgelegt ist.

Gewiss, aber Jesus verlangte von seinen Jüngern nicht, dass sie es auch tun sollten. Nein. Und deshalb müssen wir auch ehrlicherweise sagen: Es ist eine gute Idee zu fasten. Aber es ist für uns christliche Menschen keine Pflicht.

Wenn wir fasten, dann sollen wir uns nicht wie die Heuchler benehmen, warnte Jesus. Die sorgten dafür, dass es alle bemerken konnten, dass sie fasteten. Sie haben ihren Lohn schon gehabt, sagte Jesus. So sollen wir es nicht machen. Wir sollen uns nicht wunderlich aufführen und uns nicht interessant machen.

Nein, wenn wir fasten, dann sollen wir es im Verborgenen tun. Und unser Vater, der in das Verborgene sieht, wird es uns vergelten, hat Jesus gesagt (Mt. 6,16-18). Fasten ist also keine Sache, die man zur Schau stellt. Es ist eine Sache zwischen Gott und dem einzelnen Menschen.

Wie können wir fasten? Was können wir rein praktisch tun, wenn wir nun schon keine Gesetze und Regeln haben, die uns sagen, wie so etwas vor sich geht? Ja, wir könnten uns z.B. von unseren katholischen Brüdern und Schwestern anregen lassen. Es gibt nämlich viele Katholiken, die fasten, indem sie in dieser Zeit kein Fleisch essen. Das ist eine Art des Fastens. Oder wir können tun, was sich innerhalb unserer Volkskirche in den letzten Jahren immer mehr ausgebreitet hat, wir könnten nämlich hier in der Fastenzeit auf ein Genussmittel verzichten. Man kann beispielsweise in den 40 Tagen keinen Kaffee oder keinen Wein trinken. Oder man kann ohne Kuchen und Schokolade leben. Jedesmal, wenn wir auf dem Weg in die Küche sind, um uns eine Tasse Kaffee zu kochen, oder auf dem Weg an den Schrank, um Schokolade oder Kuchen oder Plätzchen zu holen, können wir nämlich innehalten und denken: "Ach nein, das soll ich mir jetzt nicht zu Gemüte führen. Wir sind ja in der Fastenzeit. Aber in 39 Tagen - oder in 23 Tagen - oder wie lange die Fastenzeit noch dauern mag - dann darf ich's wieder genießen. Denn dann gehe ich auf ein großes Fest."

Aber ist das nicht fremdartig und merkwürdig? Was soll solches Tun für einen Sinn haben? Sollte es auf einmal eine fortschrittliche Art der Frömmigkeit sein, dass man so ein kleines bisschen hungert und Entbehrung leidet? Nein, das ist nicht der Sinn der Sache. Sondern das Fasten hat einen doppelten Sinn.

Einmal, dass wir auf diese Weise sparen und unseren Konsum begrenzen. Und das ist dann so gedacht, das wir das Gesparte den Armen geben. Luther ist einer von denen, die uns gelehrt haben, dass der eigentliche Sinn des Fastens darin besteht, dass wir unseren Konsum einschränken, um mehr weggeben zu können. Das ist also eines der Ziele beim Fasten: Großzügig den Armen zu geben. Dazu beizutragen, dass die Ressourcen der Welt etwas besser und gerechter verteilt werden.

Zum andern ist es das Ziel des Fastens, dass nicht nur die Freigebigkeit gegenüber unserem Nächsten größer werden soll, sondern auch dass das, was Jesus Christus zu Ostern getan hat, auch für uns größer werden soll. Wir sollen die Fastenzeit dazu benutzen, tiefer in das einzudringen, was Jesus Christus für uns getan hat. Und diesen Gedanken möchte ich im weiteren Verlauf meiner Predigt erläutern.

Wir wissen doch rein rational und intellektuell, dass wir uns in diesen Wochen auf Ostern zu bewegen. Aber wenn wir fasten, werden wir darüber hinaus auch durch unseren Körper daran erinnert. Denn jedes Mal, wenn wir gerade Lust zu unserer gewohnten Tasse Kaffee oder, genau wie die anderen in unserem Kreis, zu einem Stück Kuchen haben, werden wir daran erinnert, dass etwas anders ist. Da ist etwas, auf das wir uns auf besondere Weise konzentrieren sollen und woran wir auf besondere Weise erinnert werden. Und das ist die Tatsache, dass wir uns auf ein großes Fest vorbereiten, nämlich auf Ostern.

Oder wie jemand anders es einmal ausgedrückt hat: Fasten - das ist, wie wenn man mit einem Stein im Schuh rumläuft. Da ist ununterbrochen etwas, was uns ein bisschen piekt. Was in unser Bewußtsein dringt und unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Denn auch wenn wir nicht total fasten, so dass wir den ganzen Tag über garnichts essen und trinken, so sollen wir gerade so viel fasten, dass wir es merken. Sonst wäre es umsonst. Und jedes Mal, wenn wir es merken, sollen wir daran denken, dass bald Ostern ist.

Und das, worum es Ostern geht und worauf wir uns in dieser Zeit vorbereiten sollen, begann nicht damit, dass Jesus starb und auferstand. Es begann vielmehr damit, dass er in den Jordan hinabstieg und von Johannes dem Täufer getauft wurde, wie wir vorhin gehört haben. Und wenn wir von der Taufe Jesu im Jordan gerade an diesem Fastnachtssonntag hören, dann geschieht das deshalb, weil wir in dieser ersten Woche der Fastenzeit anfangen sollen, uns in dieses Ereignis zu vertiefen. Deshalb wollen wir versuchen in dieses Ereignis einzudringen.

Johannes der Täufer stand draußen im Jordan, bis an den Bauchnabel im Wasser. Und dort hielt er einige ordentliche Gardinenpredigten: "Ihr seid ein Haufen Sünder, alle zusammen!" sagte er. "Kein einziger von euch lebt, wie er leben sollte. Der eine von euch versäumt eure Mitmenschen sehr viel mehr als der andere. Wie also seid ihr auf die Idee gekommen, dass ihr dem Zorn und der Strafe Gottes entgehen solltet? Nein, die Axt liegt schon an der Wurzel eures Baumes bereit. Und wenn ihr keine gute Frucht tragt, werdet ihr gefällt und verbrannt.

"Es gibt nur eine Chance für eine Schlangenbrut, wie ihr es seid: Ihr müsst eure Fehler eingestehen und um Vergebung bitten. Und ihr müsst zu mir in den Fluss kommen und getauft werden. Denn dadurch werdet ihr nämlich von euren Sünden gereinigt." So predigte Johannes der Täufer. Gerichtsverkündigung vom ersten bis zum letzten Wort.

Wenn wir Pastoren unsere Predigten im selben Tonfall halten würden, dann, glaube ich, würden viele auf dem Absatz kehrtmachen und ihres Weges gehen. Es ist ja doch ziemlich grob, auf diese Weise angesprochen zu werden! Es gab sicher auch damals manche, die so dachten. Aber vielleicht waren sie nicht ganz so zart besaitet, wie wir es heute sind. Denn viele von denen, die Johananes dem Täufer zuhörten, wurden getauft, berichtet uns Matthäus. Sie vermochten zu sehen, dass sie es nötig hatten, von ihren Sünden gereinigt zu werden.

Da erschien plötzlich Jesus auf der Bildfläche und reihte sich unter die Sünder ein. Von allen Menschen kam Jesus, um getauft und von Sünden gereinigt zu werden. Aber das machte ja überhaupt keinen Sinn. Das war Johannes dem Täufer sofort klar. Denn Jesus war ja der einzige auf der Welt, der überhaupt nichts falsch gemacht hatte. Die Reinigung von den Sünden war also gar nicht für Jesus gedacht. Und deshalb protestierte Johannes und meinte, sie beide sollten ihre Rollen tauschen, so dass es stattdessen Johannes der Täufer war, der von Jesus getauft wurde. Aber nein! Jesus blieb fest. Und er ließ sich auf keine lange Diskussion ein. Er beharrte auf seinem Standpunkt. Er kam, um Reinigung von Sünden zu erlangen. Aber da Jesus ja selbst keine Sünde zu bekennen hatte, war es nun deine und meine Sünde, die er bekannte und für die er Reinigung schuf.

Er stand in der Schlange der Sünder und wurde im Wasser untergetaucht, um gereinigt zu werden, obwohl seine Lebensführung makellos war.

Also, als Jesus getauft wurde, tat er den ersten Schritt auf seinem Weg zu Karfreitag, als er ein für allemal "um unserer Missetat willen zerschlagen" wurde. Jesus begab sich unter das Urteil, das Gott eigentlich mit Recht über uns hätte fällen können. Jesu Taufe war also das erste glasklare Zeichen seinerseits, dass er gekommen war, um uns Vergebung zu schaffen für alles, was wir falsch gemacht haben. Jesu Taufe war eine Vorwarnung für Karfreitag.

Und als es dann Karfreitag wurde, wurde er nicht unter's Wasser getaucht, um Reinigung für unsere Sünden zu schaffen. Er wurde an ein Kreuz geschlagen als der, der alle unsere Missetat mit sich nahm. Darum schrie er auch: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Da nahm er all unsere Sünde auf einmal auf sich, und das bedeutete, dass Gott ihn verlassen musste. Da ging Jesus allein in die Finsternis der Verdammnis und Gottverlassenheit. Er ging an unserer statt. Er ging für uns - er, der keine Sünde kannte.

Wie tief wir auch in Finsternis fallen - wie große Sünden und wie viele Fehltritte wir auch begehen, ja, wenn wir auch etwas tun, was dazu führt, dass wir von Menschen, selbst von denen, die uns am nächsten stehen, verlassen werden, so wird Gott uns nicht verlassen. Weil Jesus darauf beharrte, an unserer statt zu gehen.

Das ist so groß, dass wir sehr viel Vorbereitungszeit nötig haben, um es zu feiern. Es ist so befreiend, dass wir nicht anders können als mit einem Stein im Schuh umherzulaufen, damit wir ununterbrochen daran erinnert werden, dass wir uns darin vertiefen.

Amen.



Pastorin Birgitte Graakjær Hjort
Århus
E-Mail: bgh@christianskirken.dk

Bemerkung:
Estomihi (in Dänemark: Fastnachtssonntag)

Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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