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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit, 13.03.2011

Predigt zu Matthäus 4:1-11, verfasst von Christian Grund Sørensen

 

Es ist viel von Versuchung die Rede heutzutage. Ganz gewöhnliche Menschen, die nur selten in die Kirche gehen, verwenden das Wort auf der Straße, im Fitnessstudio, im Café und sogar mittags bei Tisch. Sie reden davon, dass Versuchungen sie umlauern, die großen Versuchungen zur Sünde.

Aber da geht es nicht um die Versuchung zu Untreue, Völkermord oder falschem Zeugnis. Es geht nicht einmal um eine Herausforderung Gottes oder den Versuch, ihn auf die Probe zu stellen.

Nein, die Versuchung besteht darin, zu fettreich zu essen. Es ist eine Todsünde, sich ein Stück Gebäck zwischen die Zähne zu schieben. Eine Versuchung, der die meisten von uns immer wieder erliegen. Und so zeigt sich, dass wir uns nicht vollständig in der Gewalt haben in unserer Lebensführung, aber ebenso auch die Macht unserer Sinne und Begierden.

Nun ist es bloß so, dass auch das üppigste Kalorienfest nicht verurteilt wird in der Bibel, und dass die Hochzeit zu Kana die von der Gesundheitsbehörde empfohlenen Obergrenzen klar überschritt. Jesus selbst wurde bezichtigt: „Seht, dieser Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!"

Wir können uns wahrscheinlich gut darauf verständigen, dass zu viel gutes Essen und Trinken eine Belastung für den Körper ist - doch selbst wenn es ihm schadet, eine Versündigung gegen ihn ist, so ist es doch nicht dasselbe wie eine Sünde vor Gott. Es gibt viele Gebote in der Bibel, die man übertreten, und Versuchungen, denen man erliegen kann - wir jedoch tendieren offensichtlich in unserer Kultur dazu, über die Gebote der Bibel hinwegzusehen - und an ihrer Stelle einige neue zu ersinnen.

Weg mit Gottes Kummer und Kränkung angesichts von Ehebruch, Geldgier und Herzlosigkeit. Her mit einem neuen Gebot: Du sollst Selbstherrschung üben. Du sollst dich in deinem Leben unter Kontrolle haben.

Allein, im heutigen Predigttext begegnen wir nicht nur uns selbst, sondern auch Jesus.

Satan durfte Jesus versuchen. Es steht da, dass es der Geist war, also der Geist Gottes, der Heilige Geist, der Jesus in die Wüste führte. In einer Lebenslage, in der Jesus sich geradezu von Gott und Menschen verlassen fühlen konnte - da war es Gott selbst, der ihn dahin führte.

Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden!

Ja, wäre das nicht für Jesus ein Leichtes gewesen? 40 Tage und 40 Nächte in der Wüste! Allein. Mit sich selbst. Mit seinem Gott. Mit seiner Aufgabe. - Und dann ein unwillkommener Gast.

Warum sich nicht Gutes gönnen? Hatte nicht auch Jesus Nahrung nötig, wie jeder andere? Vordergründig war die Erfüllung von Jesu Bedürfnis, etwas zu essen zu bekommen, absolut legitim. Aber Jesus entschied sich, das in einem anderen Kontext zu sehen, die geistigen Bedürfnisse für genauso wesentlich zu halten wie die körperlichen.

Es reicht nicht aus, sich den Magen zu füllen und für das physische, materielle und psychische Wohlbefinden Sorge zu tagen. Wir leben auch »von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht«.

Wenn ich bete, bin ich rasch dabei, mich auf meine unmittelbaren physischen, materiellen, emotionalen Bedürfnisse zu konzentrieren. Auf Gottes leise Stimme Acht zu geben, scheint weniger wichtig, wenn ich mich nach etwas Konkreterem sehne. Ist es Ihnen nicht auch schon so gegangen?

Sind Sie an einem Tag mit strahlendem Sonnenschein derweil nicht auch schon in den Schatten gegangen, weil die Sonne selbst zu aufdringlich wurde? Jesus fordert uns auf, uns abzukehren, tief in den Schatten unserer eigenen Bedürfnisse hineinzublicken, umzukehren und dem Licht entgegenzusehen, das von Gott ausgeht.

Aber Jesus war damit noch nicht aus dem Schneider: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.«

Wenn der Teufel die Bibel liest, kommt es zu einer unauffälligen Verdrehung. Es klingt so, als könnte der Satan sich auf ein biblisches Argument beziehen. Aber die Voraussetzungen des Satans gelten nicht. Das Versprechen von Psalm 91 ist kein Blankoscheck. Es geht um eine Beziehung zu Gott, nicht um einen Rechtsanspruch, mit dem man Gott Anweisungen erteilen könnte.

Jesus weist deshalb ein selbstgewähltes Martyrium, den lebendigen Gott zu versuchen, zurück.

Es stimmt nachdenklich, dass diese Versuchung ihren Angriff mit Hilfe der Bibel ausführt. Obwohl wir glauben, dass die Bibel Gottes Wort ist, können ihre Worte flott verdreht werden. Dass „Gott Liebe ist", kann dann zum Beispiel so verdreht werden, dass alles, was im Namen der Liebe geschieht, Untreue beispielsweise, sich auf die Liebe berufen kann. Dass Jesus niemanden richtet, kann dazu dienen, die Zehn Gebote allesamt beiseite zu schieben.

Faktisch freilich gibt es niemanden wie Jesus, der in der Bergpredigt zum Beispiel bereits den Zorn auf einen anderen Menschen wie einen Mord bewertet, und uns damit deutlich zeigt, dass Gott ganz und gar nicht gleichgültig ist.

Die dritte Versuchung ist etwas weniger geistig, sie spricht uns sicherlich alle an: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da hat Jesus sicherlich auf die Herrlichkeit der Welt geschaut und bei sich gedacht: Ja, das ist doch nun etwas, dem man nachgehen sollte!

Man stelle sich vor, alle Wünsche auf der materiellen Ebene könnten erfüllt werden! Wie ein Sechser im Lotto jede Woche bis ans Ende des Lebens! Aber es ist wie mit dem Touristen in Paris, der seiner Freundin den Eiffelturm verspricht für einen Kuss.

Gut, die Schrift sagt, dass „die ganze Welt in der Gewalt des Bösen steht" (1. Joh. 5,19), aber das heißt nun doch nicht, dass es Satan ist, der das Sagen hat. Jesus stützt just den Missionsbefehl auf das Gegenteil: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden..."

Welche Verkehrtheit also, Jesus das anzubieten, was ER bereits hat: Weg mit dir, Satan! »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«

Was kann also Jesus uns sagen - heute? Zunächst einmal, dass es wahre Versuchung gibt und dass sie uns zu Fall bringen kann. In Dänemark hat gerade eine Website gestartet, die Menschen, die in einer Beziehung leben, dabei unterstützt, außereheliche Affären zu finden. Ein phantastischer Service, für die jedenfalls, die den Wunsch haben, sich versuchen zu lassen. Denn, wie Jakobus schreibt: „Ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt; danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod."

Gut, der Tod ist nicht die Konsequenz, an die wir hier denken, aber sie kann jedenfalls der Anfang des Scheiterns der Ehe und des Endes der Familie sein. Freilich auch einer Sünde, die im Herzen beginnt und den Menschen davon abbringt, Frieden mit Gott zu haben.

Deshalb ist es wichtig, wie Jesus zu handeln. Nein zu sagen zu den Versuchungen. Zu verhindern, dass sie im Kopf und im Herzen Wurzeln schlagen. Spielen Sie nicht mit Ihrer eigenen Schwäche! Zwingen Sie sich, die richtigen Zahlen in die Steuererklärung einzutragen! Zwingen Sie sich, nicht mitzumachen, wenn über jemanden bei der Arbeit hergezogen wird! Zwingen Sie sich, wahrhaftig und aufrichtig zu reden!

Auch Jesus wurde versucht, Gottes Wege zu verlassen. Er war nicht immun. Als Jesus auf Erden wandelte, wurde er müde. Er weinte. Er sehnte sich. Er liebte. Er war zornig und schimpfte. Das wissen wir; es wird in den Evangelien ausdrücklich berichtet. Vielleicht träumte er auch von einer Frau und Kindern, er mag die Pfeile des Neids in sich gespürt haben. Vielleicht, obwohl - berichtet bekommen wir davon nicht.

Wenn die Versuchungen Jesu auch sicherlich von etwas geistigerem Charakter waren als unsere, so ist er doch „versucht worden in allem wie wir", wie es im Hebräerbrief heißt, und weiter: „Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden."

Wir beten „und führe uns nicht in Versuchung", und wenn wir gefallen sind, beten wir „vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern". Und es wird reiner Tisch gemacht, und wir können hinaustreten in die Morgensonne an einem neuen, herrlichen Tag mit einem „Gott, sei mir armen Sünder gnädig!"

Wir alle sind anfällig für Versuchung. Bloß auf verschiedenen Gebieten. Ich habe nie die Versuchung gespürt, Drogen zu nehmen, während die Sucht andere arbeitsunfähig macht. Dagegen bin ich wohl versucht, im Supermarkt nichts zu sagen, wenn sie für eine Ware zu wenig nehmen - gelegentlich nehmen sie ja auch einmal zu viel für etwas anderes -, und ansonsten ist es ja die Registrierkasse, die falsch addiert...

Halten Sie fest, es war Gottes Geist, der Jesus in die Wüste führte. Dort begegnete er dem Versucher. Auch wir werden versucht werden, und dann ist es unsere Aufgabe, wie Jesus zu handeln: einen klaren Blick zu behalten und zu wagen, beizeiten Nein zu sagen! Dagegen aber Ja zu Gott! Dann verliert die Versuchung schließlich ihre Macht, wie sie es für Jesus tat.

Der Versuchung zu erliegen heißt nicht, den Rippen ein paar zusätzliche Kalorien aufzubürden, sondern vielmehr: Dass wir Gottes Plan für unser Leben verfehlen. Das bringt uns eindeutig ab vom Glück und vom Leben. Doch ja, Gott lässt zu, dass wir versucht werden, aber nicht über unser Vermögen hinaus! (1. Kor. 10,13)

Jesus hält etwas Gutes für uns bereit. Kein leichtes Leben, aber ein sinnerfülltes Leben. Im Garten Gethsemane ist Jesus ja noch einmal einer Versuchung begegnet, nämlich der, seinen eigenen Weg zu gehen und ein glückliches Leben führen zu wollen, wie es sich die meisten von uns erträumen. Sich dem Kreuz zu verweigern. Doch Jesus entschied sich um unsertwillen, den richtigen Weg zu gehen statt des leichten: „Ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!" Er entschied sich für die Nägel.

Unsere Aufgabe ist entsprechend nicht die Selbstbeherrschung, sondern dass wir uns vom lebendigen Gott beherrschen lassen. Jesus sagte weit eindeutiger Ja zu Gottes Wegen, als er Nein sagte zu den Versuchungen.

Vielleicht können wir, Sie und ich, es ihm gleichtun? Wir sind aus dem gleichen Stoff gemacht...

Amen.



Pastor Christian Grund Sørensen
Nørager
E-Mail: cgs@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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