Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Reminiszere, 20.03.2011

Predigt zu Matthäus 12:38-42, verfasst von Dietrich Stollberg

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

1. Einige „Schriftgelehrte und Pharisäer“ möchten gerne von Jesus „ein Zeichen“ sehen. Sie hatten wohl davon gehört, dass Jesus Kranke heilte und gegen eine starre gesetzliche Auslegung der Tradition, z. B. bei der Heiligung des Sabbats, Stellung bezog. Die frommen Fachleute möchten selbst  sehen und erleben, was Jesus tut, sie möchten einen Beweis für seine spirituelle, seine geistliche, Kompetenz. Das, worum es im Glauben und in der Religion geht, ist allzu wenig greifbar – eben „geistig“ und „geistlich“. Es hat mit dem Heiligen Geist zu tun: Und wo ist dieser? Hat ihn jemals einer gesehen? Ursprünglich bedeutet das hebräische Wort für den Geist auch „Windhauch“. Den Wind sieht man nicht, nicht einmal den Sturmwind, aber möglicherweise seine Folgen: wirbelnde Blätter, fliegenden Sand, stürzende Bäume, abgedeckte Dächer – und hier an der See natürlich hohe Wellen bis hin zur Sturmflut.

Vielleicht würde heutzutage der Geist auch mit unsichtbarer Strahlung verglichen. Dann würde noch deutlicher als beim Wind, dass der Geist zwei „Seiten“ hat: eine gute, hilfreiche, und eine böse, gefährliche und tödliche. Gott ist nicht nur lieb und gut, sondern auch böse, zornig und strafend: Diese beiden Seiten Gottes kennt und beschreibt die Bibel. Nur wir vergessen allzu leicht die unangenehme Seite und sprechen dann nur noch vom „lieben“ oder „guten“ Gott.

Wie bei den „Schriftgelehrten und Pharisäern“ so ist das auch heute: Menschen schätzen „Zeichen“, etwas Sichtbares und Nützliches. Sie finden es gut, dass die Kirche sich diakonisch und karitativ engagiert. Krankenpflege, Kindergärten, Armen-Fürsorge usw.: Das kann man sehen und verstehen. Das braucht man und das ist hilfreich. Das sind „Zeichen“. Aber Gott zu fürchten, wie Luther das noch im Kleinen Katechismus nennt – „wir sollen Gott fürchten und lieben …“ - , ihm vorsichtig zu begegnen, ihn anzubeten, zu verehren, nichts zu tun, sondern zu schweigen, um auf ihn zu hören – diese besonnene, ehr-fürchtige und kontemplative Seite des Glaubens ist nicht nützlich – oder doch jedenfalls in ihrer Nützlichkeit nicht sofort zu erkennen. Sie hat ihren Zweck in sich selbst. Mich erinnert das an die Geschichte von Maria und Martha bei Lukas (10, 38 ff.): Martha ist die fleißige und tätige Gastgeberin, Maria hört nur zu. Aber Jesus schätzt dieses Zuhören sehr.

2. Für das, wofür Jesus steht, gibt es in Wirklichkeit keinen Beweis. Auch seine „Wunder“ sind keiner. Deshalb sagt Jesus, nur „ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen“. Wer Beweise fordert, vertraut nicht. Welcher Mensch, der einen andern liebt, sagt zu ihm: „Beweise mir´s!“?  Auch die Kirche kann letzten Endes nicht beweisen, dass es sinnvoll ist, auf die Bibel zu hören, die Glaubenstradition kennen zu lernen, zu singen und zu beten, zu schweigen und nachzudenken. Ihre für die Gesellschaft nützlichen Tätigkeiten braucht sie nicht zu beweisen, sie werden sogar staatlich gefördert, aber ihre spirituelle, geistliche, Aufgabe halten manche für überflüssig.

3. Ein Zeichen gibt es doch: das Zeichen des Jona. Was heißt das? Es war eine Art Geheimzeichen der ersten Christen unter Verfolgung. An einigen Stellen der römischen Katakomben z. B., wo sich die verfolgten Christen trafen, finden wir es: den Fisch. Der Fisch steht für die Geschichte des Propheten Jona, der den Menschen in Ninive am Tigris das Gericht Gottes ansagen sollte, aber in der entgegengesetzten Richtung übers Meer flüchten wollte. Er wurde ins Meer geworfen und von einem großen Fisch verschluckt. Dort blieb er drei Tage, bevor der Fisch ihn an Land spuckte. Nun ließ er sich von Gott nach Ninive schicken und predigte Gericht. Aber die Menschen bekehrten sich, Jona fühlte sich blamiert und beklagte sich bei Gott. Der ließ einen Schatten spendenden Busch aufwachsen für Jona und dann plötzlich verdorren. Was soll das? fragt Jona, und Gott antwortet: Dir tut die Staude leid, und mir sollte die Menge der Menschen, die in Ninive leben, nicht leid tun? Barmherzigkeit ist angesagt, nicht Gericht!

Diese märchenhafte Geschichte ist für die ersten Christen ein Bild für Christus. Auch heute kleben manche Autofahrer sich den Fisch ins Rückfenster – ein Bekenntnis. „Fisch“ besteht im Griechischen aus den Anfangsbuchstaben der Wörter „Jesus Christus Gottes Sohn Retter“. Das Grab Jesu hält ihn drei Tage fest und gibt ihn an Ostern wieder frei. Auch er predigt nicht nur Liebe und Gnade, sondern Umkehr und Gericht.

4. Und dann folgt in unserem heutigen Text ein Gerichtswort: >Die Menschen von Ninive werden beim Jüngsten Gericht auftreten und werden die Menschen der Gegenwart, „dieser Generation“, verurteilen, denn damals haben sie nach der Predigt des Jona Buße getan, aber nach Jesu Predigt tut ihr das nicht, obwohl Jesus „mehr“ ist als Jona. Und die Königin von Saba, die zu Salomo kam, wird ebenfalls besser dastehen als die Leute heute, denn sie kam, um Salomos Weisheit zu hören, aber ihrmehr“ als Salomo.< Wer da ausgeschimpft und attackiert wird, das sind zum einen die „Schriftgelehrten und Pharisäer“, zum andern alle Frommen, die Jesus nicht wirklich verstehen und vertrauen, die nicht umkehren und ihre Ansichten bzw. ihr Leben ändern. hört Jesus nicht, und der ist „

Das Gericht, das Jesus hier androht, wird hier nicht gleich wieder zurückgenommen: >Alles halb so schlimm, Gott ist ja letzten Endes doch barmherzig.< Nein, im Matthäus-Evangelium – wie überhaupt in den Evangelien – wird das Endgericht sehr ernst genommen (Kap. 23, 24, 25). Matthäus glaubt, es gebe Gnade für Jesu große Jüngerschaft, aber nicht für alle Menschen. Die Leute von Ninive, aus jüdischer Sicht feindliche Großstädter aus der Antike, und jene sagenhafte, aus jüdischer Sicht heidnische, Königin „aus dem Süden“, die Salomo besuchte und seinen Gott ehrte, haben Gnade vor Israels Gott gefunden. Aber die Zeitgenossen Jesu, die sich für fromm halten, jene Selbstgerechten und Besserwisser, auch jene Bürger im Weltreich, die gar nichts glauben, werden kaum Gnade finden, es sei denn, sie bekehren sich.

Vielleicht darf man zu den besserwisserischen Selbstgerechten anmerken, dass auch im Fall Guttenberg, der kürzlich die Gemüter so erhitzt hat, sehr viel Selbstgerechtigkeit und Heuchelei bei den so laut schreienden Kritikern im Spiel war. Natürlich soll weder an den Schulen noch an den Hochschulen geschummelt werden. Aber es wird – wie im Geschäftsleben und schon in den Schulen - trotzdem laufend gemacht. Wir Menschen sind doch oft genug nur auf unseren Vorteil bedacht, und die Welt ist korrupt. Ninive ist heute.

Wer jedoch - bei aller Anfechtung, aller eigenen Unzulänglichkeit, allen Zweifeln und Verfolgung - im Glauben an Gottes Zuwendung und Großzügigkeit durchhält bis ans Ende, der wird glücklich und gerettet werden (24, 13). So sieht das Matthäus.

5. Unser heutiger Text stammt aus einer Zeit, in der man dachte, das Ende der Welt und damit das Gericht sei nahe. Paulus meinte, er würde es noch erleben. Heute stellen wir uns Weltende und Gericht etwas anders vor. Ist das Gericht, die Verurteilung jedes einzelnen von uns, nicht immer wieder während unseres Lebens da? Hören wir nicht, wie uns unser Gewissen verklagt? Und gilt es insofern nicht, trotz dieser Anfechtungen im Glauben an einen väterlich zugewandten und mütterlich tröstenden Gott durchzuhalten? Manche meinen, sie könnten draußen in der Welt Zeichen des Endes entdecken, etwa darin, dass es wieder einen Staat Israel gibt, oder darin, dass viele Völker aufstehen. Ich glaube nicht, dass sich Zeichen der Herrschaft Christi irgendwo im Außen finden lassen. „Gott ist Geist“ sagt Jesus im Johannes-Evangelium (4, 24) der Frau am Brunnen. Und daher spielen sich all diese Dinge im spirituellen, also geistlichen und unsichtbaren, Bereich ab.

Vielleicht lässt sich das „Zeichen des Jona“ insofern auch auf uns anwenden: Manchmal fühlen wir uns, als steckten wir im finsteren Bauch des großen Fisches fest, in einer lebensbedrohlichen Situation, in Angst und Zweifeln. Gott wird uns hoffentlich durchkommen lassen – wie Jona und Christus. Am Schluss bleiben: BarmherzigkeitRettung vom Tod. Das ist unsere Hoffnung. gegenüber den gottlosen Leuten von Ninive wie gegenüber uns und

der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen!



Prof.Dr. Dietrich Stollberg
Fürth
E-Mail: :DietrichStollberg@web.de

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