Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Palmarum, 17.04.2011

Predigt zu Matthäus 21:1-9, verfasst von Leise Christensen

Wir wohnen in einem Wald, und der ist das Schlachtfeld für mancherlei Kämpfe. Das Geschrei dort draußen kann beachtlich werden, und an einem hellen Frühlingstag ist das Kampfesgetümmel sogar bei geschlossenen Fenstern im Pfarrhaus zu hören. Ja, das Kriegsdrama spielt sich mit vollem Einsatz ab.

Verlierer und Sieger in diesen Kämpfen kommen nach einem langen Tag im Dienst des Krieges müde ins Haus und erfrischen sich mit Saft und Gebäck, wenn nur die Mutter Zeit hatte zu backen, und der Tagesverlauf des Krieges wie sein Ergebnis werden bei Tisch von eifrigen Kinderstimmen diskutiert. Manchmal kann es einem etwas zuviel werden mit all dem Krieg und Kampf, bei dem Stöcke unterschiedlicher Länge zu gewaltigen Schwertern, spitzen Dolchen und gefährlichen Geschützen werden.

An einem solchen Tag fragte ich einmal die Truppen, die da zu Tische saßen, warum sie denn immer nur Krieg spielten und nie Frieden. Eine laaaange Pause. Ja, aber, sagte dann einer, wie spielt man denn Frieden? Wie man Krieg spielt oder in der Realität Krieg führt, davon haben wir alle eine Vorstellung. Aber wie spielt man Frieden oder schafft man Frieden in der Realität? Nun, das ist eine schwierige Frage, eine Frage, mit der die Menschen sich schon lange herumschlagen.

In einer Woche, in der wir von Kampfhandlungen in Libyen gehört haben, stellt sich die Frage, wie man Frieden hält, dringlicher denn je. Wie schafft man Frieden, und wie erhält man ihn? Der Krieg ist (möglicherweise?) gewonnen, und der Tyrann wird wohl besiegt werden, aber wie sichert man den Frieden?

Solche Gedanken gingen auch den Bürgern von Jerusalem durch den Kopf an jenem Tag, als Jesus seinen Einzug hielt in ihre Stadt. Gerüchte über ihn waren ihm vorausgeeilt. Es hieß, er könnte Kranke heilen, er könnte aus fünf Broten und zwei Fischen Hunderte von Broten und Fischen zaubern; man erzählte sogar von ihm, dass er Tote auferweckt habe zu einem Leben wieder unter den Lebenden.

Ja, da ging es gewiss um eine Person, die es wert war, dass man sich mit ihr befasste. Und könnte man einen solchen Wundertäter zum König haben, wäre das gar nicht so schlecht für das Volk. Man bedenke nur, er würde die verhasste römische Besatzungsmacht zu den Toren hinaustreiben können, man würde niemals mehr hungern müssen oder schlimme Krankheiten fürchten wie Lepra, Blindheit und Lähmung.

Was für ein Leben könnte man führen in Gottes eigenem Land und mit ihm als König! Davids Reich, auf das man 1000 Jahre lang gewartet hatte, seit David König gewesen war, könnte nun endlich wieder errichtet werden. Mit allen seinen unglaublichen Fähigkeiten würde Jesus ein würdiger Erbe und Nachfolger des großen Königs David sein. Der Feind würde wieder bezwungen werden, Friede zu den Bedingungen des Volkes würde endlich Realität werden.

Das waren die Träume und Hoffnungen, auf die Jesus traf, als man ihm zujubelte bei seinem Einzug in Jerusalem. Doch war es auch der Friede, den Jesus Realität werden lassen wollte? Das ist der Punkt, an dem die Kinderfrage ernsthaft interessant wird: Wie funktioniert das, Frieden? Und ist Friede immer Friede?

Von Jesu Einzug in Jerusalem heißt es, er war die Erfüllung des Wortes, das ich am Altar gelesen habe, des Wortes, das besagt, er werde kommen sanftmütig und reitend auf einem Esel. Der sanftmütige Sieger.

Es besteht kein Zweifel, dass der Friede, mit dem Jesus kam, von anderem Schlage war als der Friede, den die jubelnde Menge bei seinem Einzug erwartete. Es besteht kein Zweifel, dass die Erwartungen der Menschen enttäuscht wurden, als Jesus nicht sogleich auf die Römer losging und sie vor die Tore trieb, sondern vielmehr davon redete, die andere Wange hinzuhalten und nicht nur seinen Nächsten zu lieben, sondern auch seine Feinde.

Und dann ist da noch die Sache mit der Sanftmut. Was können wir eigentlich mit einem sanftmütigen Sieger anfangen? Sieger pflegen doch diejenigen zu sein, die geradezu strotzen vor Selbstvertrauen, Kampfgeist und Kraft. Bereits hier ist etwas im Spiel, das gar nicht recht zu König David passt, den man kaum wird als sanftmütig bezeichnen können. Aber es sagt etwas Wesentliches aus über die Rolle des Königtums, das Jesus beansprucht.

Jesu Reich ist ja nicht von dieser Welt, und es hat nichts mit dem Getümmel dieser Welt zu schaffen. Der Friede, mit dem er kommt, ist nicht unbedingt ein Frieden für die Welt, eine Welt des Friedens oder ein Friede für die Tyrannen dieser Welt. Wir müssen uns doch nur umschauen in unserer unruhigen Welt, und was wir sehen, wird uns bestätigen, dass der Friede noch keine Realität ist, wenn damit der Friede vor der Gewalt der Waffen gemeint ist, der Friede vor Übergriffen, der Friede vor Unterdrückung und der Friede vor dem Dämon des Hungers.

Der erwünschte und erwartete Friede in Jerusalem damals bei Jesu Einzug sollte darin bestehen, dass Jesus die Römer niederwerfen und Vergeltung üben würde für all das Böse, das sie verursacht hatten unter ihrer Tyrannei. Doch nein, dies war nicht der Friede, mit dem Jesus kam. Es war vielmehr ein Friede(nsabkommen) mit einem jeden Menschengeist, -herz und -sinn, einem jeden Menschen, der daran glauben wollte, dass er der Sohn Gottes war und dass sein Reich des Friedens nicht – wie Davids – von dieser Welt war, sondern ein ganz anderes Reich, das Reich Gottes.

Ja, ja, denken wir vielleicht, wozu in aller Welt soll das heute gut sein? Hier sitzen wir in einem betriebsamen Alltag, in dem Sanftmut nicht gerade eine gefragte Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt ist, wo Dinge wie Effizienz, Initiative, Tempo und eine gewisse Portion Übermut und Abgebrühtheit hoch geschätzte Tugenden sind. Stellen Sie sich eine Bewerbung vor, in der ein Bewerber schreibt, er sei sehr, sehr sanftmütig. Wir wissen, auf welchem Stapel sie landet. Und dann mag er noch so oft sagen, er sei ein König; darauf kommt es dem Arbeitgeber nicht an!

Hier sitzen wir in einer Welt voller Krieg, Elend, Tod und Zerstörung, und da ist die Rede von Sanftmut und Frieden, der nicht von dieser Welt ist, sondern zu Gottes Reich gehört. Was sollen wir anfangen mit einem so unbegreiflichen Frieden?

Die Antwort ist einfach und schwierig, nämlich: Wir sollen alles damit anfangen! Gottes Friede ist keine politische Größe, die mit milder Hand ausgestreut werden könnte über Bagdad, Helmand, Tripolis oder Jerusalem. Gottes Friede ist schwer zu spielen draußen im Wald. Gottes Friede spricht zum Innersten des Menschen. Gottes Friede ist das, was dem Menschen gegeben ist, so dass wir trotz allem Augen der Hoffnung haben können im Leben. Gottes Friede ist das, was uns wieder aufhilft, wenn wir gefallen sind, und wenn wir meinen, wir könnten jetzt nicht mehr weiter.

Solange die Welt steht, wird Gottes Wort von einer lebenskräftigen, sich entwickelnden Wirklichkeit erzählen. Gottes Wort – in Gestalt des Mannes auf dem Esel – spricht den Bedrängten Trost zu, Hoffnung den Gefangenen und Gemeinschaft den Einsamen. Als lebend(ig)es Wort hat Gott in jeder Gestalt gewirkt. Er ist den Menschen bis in die Grenzsituationen des Daseins gefolgt mit seinem Frieden. Er ist mit in die tiefste Finsternis gegangen und hat dort Licht gebracht, und er hat uns auch im schlimmsten Sturm festgehalten.

Das ist der Friede, mit dem Jesus kam damals in Jerusalem, das ist der Friede, mit dem er heute zu uns kommt, das ist der Friede, den er dem kleinen Kind in der Taufe schenkt. Er tut es, obwohl es etwas anderes ist, als die Welt wünscht, und er tut es, damit wir trotz allem den Mut haben, hinauszugehen und unser Leben zu leben – für unseren Nächsten wie für uns selbst.

Amen



Lektor Dr. Leise Christensen
Løgumkloster
E-Mail: lec@km.dk

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