Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Karfreitag, 22.04.2011

Predigt zu Lukas 23:33-49, verfasst von August Kruse

Geliebte im Herrn!

In der Schrift heißt es: „Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land" (2. Mose 3,5). Heute ist dieses Wort so angebracht wie nie. Denn wir verharren vor dem Kreuz unseres Herrn Jesus Christus. Setze dich einmal in der Stille hin und lass dir das Bild deines gekreuzigten Heilandes vor Augen stehen. Du wirst eine Predigt hören, wie sie noch nie jemand ausgesprochen hat.

Einmal sollte ein russischer Bischof zu Karfreitag predigen. Er stand auf und sagte: „Was kann ich sagen, wenn mein Heiland schweigt und stirbt? Wie kann ich es besser sagen, als es die fünf heiligen Wunden sagen? Kein menschliches Wort kann denjenigen rühren, den sie nicht rühren können. Unser Herr und Heiland stirbt, lasst uns schweigen und weinen!". Das war seine ganze Karfreitagspredigt: vielleicht die kürzeste und beste, die je von einem Menschen gehalten wurde.

Ich habe gesagt „Von einem Menschen", weil am Karfreitag Gott selber über dem Kreuz seines geliebten Sohnes gepredigt hat. Er tat das durch Wunderzeichen am Himmel und auf der Erde im Moment des Todes Jesu.

Unser heutiger Text führt uns an die Stätte des Gerichtes, die „Schädelstätte" genannt wurde, nach Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und zwei Übeltäter mit ihm, einen zu seiner Rechten, den anderen zur Linken.

Im Todeskampf blieb Jesus der vergebende Messias. Am Kreuz bat er den himmlischen Vater, denen zu vergeben, die ihn zu diesem Leiden verdammt hatten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Er segnete den einen der beiden mit ihm gekreuzigten Schächer: „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein." Selbst im Sterben vollführte er weiterhin das Werk, um dessentwillen er auf die Erde gekommen war:  die Versöhnung der Menschen mit Gott. Aber das Volk und die Führenden verlachten Christus: „Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes." Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig: „Bist du der Juden König, so hilf dir selber!" Und einer der Gekreuzigten lästerte ihn: „Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!"

Der Evangelist Lukas streicht in der Szene des Sterbens Jesu vier Momente heraus.

Erstens schreibt er von zwei Ereignissen, die die Vollstreckung des Urteils begleiteten. Eine Finsternis kam auf die Erde und bedeckte sie drei Stunden lang. Diese Finsternis war keine gewöhnliche Sonnenfinsternis, wie sie recht häufig vorkommt. Es war eine erstaunliche, ungewöhnliche Finsternis, die entgegen allen Erwartungen und Berechnungen eintrat. Einst war in Bethlehem die Nacht hell geworden - weil damals der Retter aller Sünder geboren wurde. So wurde auf Golgatha der helle Tag zur Finsternis - weil der Sohn Gottes litt und starb. Dieses Ereignis entspricht den Worten Christi vor seiner Verhaftung: „Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis"(Lk. 22,53). Finsternis herrschte wegen Seiner Kreuzigung.

Die andere Erscheinung gab es im Tempel: „und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei" (V. 45). Dieser Vorhang trennte das Volk, das ins Heiligtum kam, vom Ort der Gegenwart Gottes. Das nun Geschehene zeigte, dass die Menschen durch den Tod Jesu Christi Zugang zu Gott gewonnen haben. Von diesem Moment an wird kein System der Darbringung von Opfern mehr zwischen Gott und den Menschen stehen. Christus ist zu dem einzigen Opfer geworden, das eine wahre Beziehung zwischen Gott und Mensch herstellt.

Zweitens gab Jesus sein Leben freiwillig: „Ich lasse mein Leben für die Schafe, ... dass ich's wieder nehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es" (Joh. 10,15. 17-18). Er selbst gab seinen Geist in Gottes Hände: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!"

Drittens schreibt Lukas vom römischen Hauptmann, der sich überzeugte: „Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen!" - und Gott für ihn pries.

Viertens bezeugt Lukas die bittere Reue des Volkes, das sich auf dem Rückweg von diesem Ort „an die Brust schlug".

So stimmen wir nun, liebe Brüder und Schwestern, in dieses Bekenntnis mit ein: „Fürwahr, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!" Lasst uns heute mit diesem Bekenntnis unter seinem Kreuz den Bund erneuern, den er mit uns durch sein heiliges, kostbares Blut geschlossen hat.

Unser Herr, Jesus Christus, auf Golgatha bist du für uns gekreuzigt worden und hast uns vom Fluch befreit. Wir bitten dich: Segne für uns den heutigen Tag, so dass wir in deinem Blut Gnade und Frieden, Leben und Seligkeit finden. Amen.



Erzbischof August Kruse
St. Petersburg

E-Mail: anton.tikhomirov@novasaratovka.org

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