Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Gründonnerstag, 21.04.2011

Predigt zu Markus 14:17-26, verfasst von Mira Stare

 


Liebe Glaubende,

die Vorbereitungen für das Paschafest laufen auf Hochtouren. Die Jünger Jesu ergreifen die Initiative und fragen Jesus nach dem Ort, an dem sie für ihn das Paschamahl vorbereiten sollen. Jesus schickt zwei seiner Jünger nach Jerusalem. Er hat schon für den Raum gesorgt. Nach den Hinweisen Jesu begegnen sie dort einem Mann mit Wasserkrug, folgen ihm und kommen in das Haus, wo bereits ein Raum im Obergeschoss für Jesus und seine Jünger reserviert ist. Dort bereiten sie nun das Paschamahl vor. Alles läuft nach Plan.

Jesus und die Zwölf kommen am Abend. Das Paschamahl beginnt. Jesus feiert dieses Mahl mit den Zwölfen so, wie es sonst die jüdischen Väter mit ihren Familien feiern. Die vertrauensvolle familiäre Atmosphäre beim Feiern des größten jüdischen Festes im Kreise Jesu ist jedoch nicht so harmonisch, wie sie äußerlich ausschaut. Jesus spricht die bittere Wahrheit aus:

          Einer von euch wird mich überliefern,
          der, welcher mit mir isst
(Mk 14,18).

Diese Aussage Jesu löst eine große Betroffenheit und Traurigkeit im Zwölferkreis aus. „Doch nicht ich?", fragt ihn einer nach dem andern. Die Jünger Jesu wissen über den Gang des Judas zu den Hohepriestern, denen er Jesus übergeben möchte, noch nichts. Jesus sagt auch nicht namentlich, dass Judas der Betreffende ist. Er wiederholt in seiner Antwort nur noch einmal das Faktum, es sei derjenige, der gemeinsam mit ihm in die Schüssel eintaucht - und damit mit ihm in familiärer, inniger Gemeinschaft lebt. Weiter sagt er seinen Jüngern, dass der Menschensohn zwar dahingehen wird, wie über ihn geschrieben ist. Doch für den, der ihn übergibt, wäre es besser, dass er nicht geboren wäre (Mk 14,21).

Wird Jesus nun das Mahl unterbrechen? Wird er nun seinen Verräter aus der Mahlgemeinschaft ausschließen? Wird sich der Betroffene selber melden? Nichts davon geschieht. Jesus unterbricht nicht das Mahl. Er isst weiter - mit den Zwölfen, auch mit dem, der ihn bald ausliefern wird. Mehr noch: Während des Mahles nimmt Jesus zwei symbolische Handlungen vor und deutet sie. Auch diese Handlungen und Worte Jesu gelten für alle seine Jünger. Er schließt niemanden aus.

Als erstes vollzieht Jesus den Ritus mit dem Brot. Wie bei den wunderbaren Speisungen einer großen Volksmenge in Galiläa (vgl. Mk 6,41; 8,6) geht es auch hier um einen vierteiligen Ritus: nehmen - segnen - brechen - geben. Zum ersten Mal aber deutet Jesus seine Handlung. Er sagt:

          Nehmt! Das ist mein Leib (Mk 14,22).

Der Ausdruck „das ist" meint nicht bloß „dies bedeutet", sondern Identifikation. „Leib" bezeichnet die ganze Person, den Träger des Ich. Die Gabe des Brotes ist hier das Sinnbild für die Selbstgabe Jesu. Diese bedeutet für die Jünger Nahrung - wie Brot.

Dann vollzieht Jesus denselben Ritus mit dem Becher; dieser Ritus ist dreiteilig: nehmen - danken - geben. Sogleich trinken alle daraus, auch derjenige, der Jesus übergeben wird. Wie über das Brot spricht Jesus auch hier ein Deutewort:

          Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird (Mk 14,24).

Die Bezeichnung „Blut des Bundes" ist eine deutliche Anspielung auf Exodus 24,8. Dort heißt es:

          Da nahm Mose das Blut, besprengte damit das Volk und sagte:
          Das ist das Blut des Bundes,
          den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch geschlossen hat.

Wie Gott mit dem Volk Israel am Berg Sinai seinen Bund schließt, so schließt er ihn nun mit dem Zwölferkreis, stellvertretend für das neue Volk Gottes. Jetzt aber wird der Bund nicht mit dem Blut von Tieren geschlossen, sondern im Blut Jesu, das vergossen wird.

Blut ist der Träger des Lebens. Wenn Blut vergossen wird, dann wird das Leben „vergossen". In der biblischen Tradition wird die Wendung „Blut vergießen" insbesondere im Kontext gewaltsamer Tötung gebraucht (vgl. Gen 9,6; Jes 59,7). Damit deutet Jesus voraus, dass sein Blut / sein Leben für viele gewaltsam vergossen wird, und das ist - darin sieht Jesus die Möglichkeit des Neuen Bundes zwischen Gott und den Menschen.

Und noch im selben Atemzug erklärt er prophetisch:

          Amen, ich sage euch:
          Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken
          bis zu dem Tag,
          an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes
(Mk 14,25).

Jesus weiß, von nun an wird er hier auf der Erde keinen Wein mehr trinken. Damit erklärt er dieses Paschamahl zum letzten gemeinsamen Mahl mit den Seinen. Trotzdem ist diese Aussage hoffnungsvoll. Denn Jesus ist sich dessen gewiss, dass die Mahlgemeinschaft mit ihm im zukünftigen Reich Gottes ihre Fortsetzung finden wird. Das Mit-ihm-Sein, der Bund, wird im kommenden Reich Gottes Vollendung erlangen.

Liebe Glaubende, Jesus sucht sich keinen perfekten Zwölferkreis aus. Er weiß um menschliche Schwäche, ja, er schließt sogar diejenigen nicht aus, die ihn verraten und ausliefern möchten. So ist auch unsere Kirche keine Kirche der vollkommenen und perfekten Gläubigen. Aber trotz unserer menschlichen Schwächen bietet Jesus uns seine Gemeinschaft an. Mehr noch, sein Blut / seine Lebenshingabe - sie geschieht für uns; sie gilt uns, sodass auch wir im neuen, unzerstörbaren Bund mit Gott leben dürfen. Der Ritus des Brotes (nehmen - segnen - brechen - geben) und der Ritus des Bechers (nehmen - segnen - geben) sind die Zeichen der Hingabe und der Liebe Jesu, für uns.

Beim letzten Abendmahl verheißt Jesus, dass im kommenden Reich Gottes die Mahlgemeinschaft mit ihm fortgesetzt wird. Wir, Christinnen und Christen, versammeln uns Sonntag für Sonntag, Tag für Tag, bei Jesus und feiern mit ihm die Mahlgemeinschaft. Jedes Mal, wenn wir das tun, erinnern wir uns an sein letztes Abendmahl. Und zugleich und darüber hinaus beginnen Jesu prophetische Worte, dass nämlich die Mahlgemeinschaft mit ihm sich im Reich Gottes fortsetzen wird, bereits jetzt in unseren Feiern andeutend und hinweisend in Erfüllung zu gehen.

Die Mahlgemeinschaft mit Jesus ist ein Zeichen des Reiches Gottes in dieser Welt. Die Liebe und die Lebenshingabe, die er uns in diesem Mahl zeigt und schenkt, können nur in der Logik des Reiches Gottes begriffen werden. In Dankbarkeit können wir an seinem Mahl immer wieder teilnehmen und unser Leben in der Kraft seiner Hingabe und Liebe zu uns neu orientieren.

Gelobt sei Jesus Christus, in Ewigkeit! Amen.



Dr. Mira Stare
Innsbruck
E-Mail: mira.stare@uibk.ac.at

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