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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 25.04.2011

Predigt zu Lukas 24:36-45, verfasst von Olaf Waßmuth


Liebe Gemeinde,

bevor ich Ihnen den Predigttext verlese, möchte ich mit einem kleinen Vorspann beginnen - mit einem Lob des Montags, der ein zweiter Feiertag ist!

So richtig beliebt sind sie ja nicht mehr, die Oster- und Pfingstmontage. In vielen christlichen Ländern gibt es sie erst gar nicht, und auch bei uns werden die Kirchen nicht gerade voll. Wem sage ich das? Kein Wunder, dass die Festmontage ganz oben auf der Abschussliste derer stehen, die uns Deutsche mehr arbeiten sehen wollen.
Wozu sind sie denn gut, die Festmontage?

Sie sind dazu gut, uns daran zu erinnern, dass die Feste, die wir feiern, Feste des Anfangs sind, keine Wochenend- und Abschlussfeste. Der Sabbat, der Tag des Ausruhens, ist für uns Christen zusammengefallen mit dem Sonntag, dem Tag des Aufbruchs. Darum ist es kaum mehr zu fühlen und zu erleben, was es bedeutet, dass Christus am ersten Tag der Woche auferstanden ist. Nach unseren Gewohnheiten wäre das ein Montag!

Als die Frauen zum Grab gingen, war keine Feiertagsruhe, sondern die Bürger Jerusalems schickten sich an, ihre Geschäfte wieder aufzunehmen. Auf dem Weg zum Grab trafen sie die Müllabfuhr und erste Lieferanten. Als die Frauen mit der Botschaft des Engels zurückkehrten in die Stadt, da sahen sie in die verschlafenen Augen der Frühschicht und mussten den Karren ausweichen, die auf dem Weg zum Markt waren.

Ostern feiern wir nicht das Happy End der Geschichte Jesu, sondern einen Aufbruchsmoment, an dem etwas ganz Neues beginnt. Von Ostern geht eine Bewegung aus, die unser eigenes Leben Tag für Tag verwandelt.
Und weil für uns faktisch der Montag der erste Tag geworden ist, darum ist es nur richtig und gut, dass die beiden Anfangsfeste Ostern und Pfingsten so unübersehbar hineinragen in unsere Alltagsgeschäfte. Darum ist es nur richtig und gut, dass wir diese Feiertage ehren und verteidigen gegen alle Versuche, sie einzuebnen und unseren Glauben damit noch ein Stück weiter hinauszudrängen aus dem „normalen" Leben dieser Gesellschaft.

Soweit mein Vorwort zum Kirchenjahr. Jetzt aber das biblische Zeugnis, das uns ebenfalls davon erzählt, wie die Auferstehungserfahrung in den Alltag hinreicht - und auch davon, wie schwer die Auferstehung es hat, inmitten des „normalen Lebens" geglaubt zu werden. Wir hören von der zweiten „richtigen" Begegnung mit dem Auferstandenen nach dem Lukasevangelium. Die ersten Zeugen, die drei Frauen am Grab, hatten dort nur zwei Boten getroffen; Petrus sogar nur das leere Grab.

Es sind zwei namentlich unbekannte Jünger, die auf dem Heimweg ins Dörfchen Emmaus dem Auferstandenen zuerst begegnen. Sie erkennen ihn zunächst nicht. Erst als sie den Fremden zum Abendessen einladen und er das Brot bricht, gehen ihnen die Augen auf: Es ist der Herr selbst, Jesus, der mit ihnen am Tisch sitzt. Kaum ist Jesus verschwunden, machen die beiden sich auf den Rückweg. Sie eilen zu den Jüngern, die sich in Jerusalem ängstlich verbarrikadiert haben und die zutiefst irritiert sind von der Nachricht vom leeren Grab. Ihnen erzählen die Emmaus-Jünger, was sie erlebt haben. Und so geht die Geschichte weiter:

LUKAS 24, 36-45:

Als sie aber davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist.
Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße.
Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen?
Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm's und aß vor ihnen. Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden.


Liebe Gemeinde,
man sollte meinen, dass es den ersten Zeugen der Auferstehung leicht gefallen sein müsste, zu glauben. Doch selbst im Angesicht des Auferstandenen gibt es Schwierigkeiten mit dem Wunder.

Schwierigkeit Nr. 1: Die Jünger erwarten gar nichts! Sie sind kein Stück vorbereitet auf die Begegnung mit ihrem Herrn. Und Sie kennen das: Wenn man mit einem anderen nicht rechnet, dann erkennt man ihn auch nicht so leicht. Als Jesus kommt, halten die Jünger ihn für ein Gespenst. Und sie erschrecken gehörig.
Jesus muss ihnen zunächst die Angst nehmen. Ganz vorsichtig nähert er sich ihnen, zeigt ihnen die durchbohrten Hände und Füße. „Ich bin's wirklich!"

So ganz nebenbei, liebe Gemeinde, erfahren wir hier etwas darüber, was Auferstehung konkret bedeutet: Das Neue Testament macht ganz deutlich, dass der auferstandene Jesus weder eine wandelnde Leiche ist - ein Zombie, wie man heute sagen würde - noch ein bloßer Geist. Auferstehung heißt nicht, dass sich eine ätherische Seele vom Körper löst und nun in alle Ewigkeit über die Erde schwebt. Nein, Auferstehung betrifft Leib und Seele, den ganzen Menschen, mit all seinen Funktionen. Wie um das zu demonstrieren, lässt sich der auferstandene Jesus erst mal einen gebratenen Fisch servieren.
Doch der Auferstandene ist auch nicht einfach ein wiederbelebter Toter: Er ist so verwandelt, dass er nie wieder stirbt. Sein Körper ist nicht nur Geist, sondern Materie, doch freilich eine neue, uns noch ganz unbekannte Materie. Das wird deutlich, wenn derselbe Auferstandene, der hier einen Fisch isst, im Johannesevangelium durch verschlossene Türen gehen kann. Wir werden eine neue Art von Schöpfung sein, sagt Paulus, aber wirklich: Schöpfung. Auferstehung bedeutet nicht bloß ein Fortleben in der Erinnerung oder ein Eingehen in die geistige Welt.

Das alles hätten die Jünger eigentlich wissen müssen.
Doch hier liegt Schwierigkeit Nr. 2: Sie haben offenbar vergessen, was Jesus selbst ihnen zu Lebzeiten gesagt hat. Oder haben sie gar nicht richtig zugehört? War ihnen das mit Tod und Auferstehung einfach zu weit weg? Kam es ihnen zu theoretisch oder gar weltfremd vor? Jedenfalls muss der Auferstandene ein kleines Repetitorium, eine Wiederholungsstunde einlegen, um alles noch einmal zu erklären. Da muss einer aus dem Tod zurückkehren und sagen: Ja, es ist alles wahr! Schätzt die Verheißungen nicht gering! Glaubt den Worten, die euch doch schon so lange gegeben sind!
Immerhin: Nach dieser Lektion verstehen die Jünger, und da sie verstehen, schwindet auch ihre Angst, schwindet und macht Platz für die Freude.

Damit sind wir bei Schwierigkeit Nr. 3. Für mich ist der folgende Satz der eindrucksvollste und sprechendste in dem ganzen Abschnitt, den ich Ihnen vorgelesen habe:
„Sie konnten es nicht glauben vor Freude."
Nun, man kann sich viele Glaubenshindernisse denken, das Unverständnis, die Gleichgültigkeit und das Desinteresse, auch die Traurigkeit, aber: Freude?
„Sie konnten es nicht glauben vor Freude."
Ich übersetze das in einen Satz, der Ihnen sicher bekannter vorkommt:
„Es ist zu schön, um wahr zu sein."
Dass Jesus von den Toten zurückkehrt - zu schön, um wahr zu sein.
Dass die Macht des Todes gebrochen sein soll - zu schön, um wahr zu sein.

Ich sehe manchmal bei Beerdigungen Leute vor mir, intelligente, gebildete und wohlwollende Menschen, die sich eine Achtung für den christlichen Glauben bewahrt haben. Aber wenn ich als Pfarrer dieses unerhörte Wort von der Auferstehung in den Mund nehme, dann geht ihnen das ganz offensichtlich zu weit, dann sehe ich sie die Augenbrauen hochziehen, als wollten sie sagen: Zu schön, um wahr zu sein.
Durchschauen wir aufgeklärten Menschen die Sache mit der Auferstehung nicht sofort: - dass sie ein reines Wunschdenken ist? Müssen wir nicht akzeptieren: Wer tot ist, ist tot!? Wissen wir, die wir heute alle eine gute Portion psychologisches Grundwissen abbekommen haben, nicht zu genau, wie das funktioniert mit den Phantasien, zu denen uns die Angst vor dem Tod treibt? Was unseren eigenen Ängsten so sehr entgegenkommt, sagt die aufgeklärte Skepsis, das kann ja nicht stimmen. Zu schön, um wahr zu sein.

Liebe Gemeinde, vielleicht ist diese Art von Unglauben in unserer Zeit am weitesten verbreitet: Misstrauen gegenüber dem Guten. Wenn uns einer von einem besonderen Glück erzählt, von der perfekten Wohnung, die er gefunden hat, von einer neuen, idealen Arbeitsstelle, dann werden wir schnell misstrauisch: Da muss doch ein Haken dran sein? Was so erfreulich ist, kann irgendwie nicht stimmen!

Liebe Gemeinde, Ostern ist auch eine Einladung, aus dem allgemeinen Sumpf des Pessimismus und Zynismus aufzutauchen, der uns umgibt.
Nicht alles, was unseren Wünschen entspricht, ist Wunschdenken. Nicht alles Gute, das uns geschieht, hat auch seine schlechte Seite.
Was ist es eigentlich, dass es uns so schwer macht, das Gute freudig anzunehmen? Haben wir wirklich so schlechte Erfahrungen gemacht? Oder wollen wir uns bloß absichern gegen die Enttäuschung? Ist unser Mangel an Hoffnung in Wahrheit ein Übermaß an Vorsicht?
Glaube ist in der Tat ein Wagnis. Es gab Zeiten, da musste der kritische und skeptische Mensch eine Menge Mut haben. Wer zu viel fragte, riskierte ein Redeverbot oder gar den Scheiterhaufen. Heute dagegen ist Skepsis wohlfeil. Es wird ständig „hinterfragt", und Kritikfähigkeit gilt als eines der höchsten Erziehungsziele. Die ironische Weltsicht z. B. eines Harald Schmidt wird als ideale Haltung gefeiert.
Nicht mehr der Skeptiker ist heute der mutige Mensch. Sondern der, der es wagt, das Misstrauen fahren zu lassen. Wahrhaft mutig ist, wer damit rechnet, das nicht alles egal, aber auch nicht alles umsonst ist. Vertrauen ist die wahre Herausforderung.

Liebe Gemeinde,
die Osterbotschaft hat es schwer in unserem Alltag.
Wir rechnen so wenig damit, dem Auferstandenen zu begegnen. Seine Worte haben wir oft nur mit den Ohren gehört, aber nicht mit dem Herzen. Wir haben uns allzu sehr ans Misstrauen gewöhnt, daran, mit dem Schlimmstmöglichen zu rechnen.

Ostern führt uns auf den Weg des Vertrauens. Gott meint es gut mit uns. Er steht nicht da mit der Apothekerwaage und wiegt uns gleich schwere Häppchen von Gutem und Bösem ab. Sondern er bietet uns ein gerüttelt Übermaß an Gnade an. Jedem.
Dass die Macht des Todes überwunden ist - das ist mehr, als wir hoffen konnten. Dass immer wieder Anfänge möglich sind, dass selbst aus dem größten Leid und aus der schlimmsten Schuld heraus ein Neubeginn wachsen kann - das ist wunderschön.
Und es ist trotzdem wahr. Amen.



Pfarrer Dr. Olaf Waßmuth
Remscheid-Lüttringhausen
E-Mail: olaf.wassmuth@web.de

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