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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 25.04.2011

Predigt zu Lukas 24:36-45, verfasst von Sibylle Reh

(36) Während sie aber dies redeten, stand er selbst in ihrer Mitte und sprach zu ihnen: Friede euch!
(37) Sie aber erschraken und wurden von Furcht erfüllt und meinten, sie sähen einen Geist.
(38) Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr bestürzt, und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen?
(39) Seht meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin; betastet mich und seht, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, dass ich habe.
(40) Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Füße.
(41) Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich wunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen?
(42) Sie aber reichten ihm ein Stück gebratenen Fisch;
(43) und er nahm und aß vor ihnen.
(44) Er sprach aber zu ihnen: Dies sind meine Worte, die ich zu euch redete, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was über mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen.
(45) Dann öffnete er ihnen das Verständnis, damit sie die Schriften verständen.

 Liebe Gemeinde,

unsere Tochter, fast vier Jahre alt, war vor ein paar Monaten anlässlich des Geburtstages einer Kindergartenfreundin in einem bei Kindern und Jugendlichen beliebten Schnellimbissrestaurant. (Den Namen der Kette muss ich ja hier nicht nennen.) Da es dort zu den Kindermenüs immer ein Spielzeug dazu gibt, brachte sie, nicht unbedingt zu unserer Freude, ein merkwürdiges Gerät mit: Es ist ein kleiner grauer Kasten, der einem winzigen Lautsprecher ähnelt. Auf der Rückseite ist ein blauer Aufkleber mit der Aufschrift „Deutschland sucht den Superstar“. Auf der Vorderseite ist ein großer, runder, blauer Knopf. Wenn man diesen Knopf drückt, ertönt ein Geräusch, aber nicht immer dasselbe. Mehr oder weniger immer abwechselnd, hört es sich mal an wie ein jubelndes, applaudierendes Publikum, mal ist es eher ein Buhruf. Und so ist es wohl auch mit den meisten Superstars: Heute werden sie bejubelt, morgen vielleicht ausgebuht, übermorgen sind sie möglicherweise schon vergessen. Es gibt wohl wenige, die sich an all die „Superstars“ der vergangenen Staffeln erinnern können.

Ich kann mir vorstellen, dass sich die Zeitgenossen Jesu fragten, ob Jesus nicht auch nur so ein Superstar war. Ein Jahr vor seiner Kreuzigung kannte ihn kaum ein Mensch. Als er am Palmsonntag auf einem Esel in Jerusalem einzog, riefen sie „Hosianna dir, Sohn Davids!“ Fünf Tage später, als er verhaftet wurde, riefen sie: „Kreuzige ihn!“

* * *

Die Jünger waren nach der Kreuzigung Jesu ratlos. Nicht nur, dass die Bilder des Schreckens der Kreuzigung sie nicht losließen, nicht nur, dass sie Angst hatten, ebenfalls verhaftet zu werden. Es war, dass sie befürchteten, alles sei umsonst gewesen. Aus, alles vorbei.

Ganz Israel und Samaria wartete auf einen Messias, einen neuen König. Nicht einen König, wie Herodes und seine Söhne – zwar manchmal wohltätig gegenüber den Armen, aber letztlich doch korrupt, machtbesessen und unberechenbar. Und vor allem: kein anderes Gesetz als das der Macht gelten lassend; bereit, die eigene Familie zu ermorden, um die Macht zu erhalten. Auch nicht so einen wie die römischen Statthalter – nur darauf aus, möglichst viel Steuereinnahmen nach Rom zu bringen. Gut, die Römer sicherten gewissermaßen Ruhe und Ordnung, aber sie waren und blieben Fremde und interessierten sich letztlich nur für das Wohl Roms. Einen ganz andern König wollten und ersehnten sich die Israeliten. Einen, der Gerechtigkeit übte und der Gottes Gesetze beachtete.

Es hatte schon einige Menschen gegeben, die für einen solchen Messias gehalten wurden. Aber letztlich hatte sie alle das gleiche Schicksal ereilt. Irgendwann waren sie so berühmt geworden, dass die Mächtigen im Lande sie nicht mehr übersehen konnten. Dann waren sie verhaftet und hingerichtet worden. Ihre Anhängerschaft hatte sich in alle Winde zerstreut, sie waren wie „Schafe, die keinen Hirten mehr hatten“.

Diese Messiasse waren dann meist so schnell vergessen worden wie die Superstars der vorletzten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“.
Etwas anders war es nur mit dem Täufer gewesen. Er war weniger ein König gewesen als ein Prophet. Er war so etwas wie das soziale Gewissen Israels, und ein Gewissen lässt sich nicht so einfach töten wie ein Mensch.

Zurück zu Jesus! Die Jünger hatten gehofft, dass es mit Jesus anders war als mit den anderen „Messiassen“.

* * *

Was war anders an Jesus?

Zunächst war er öffentlich in Erscheinung getreten, als er sich bei Johannes im Jordan taufen ließ.
Als Johannes bald danach verhaftet und hingerichtet wurde, nahm Jesus dessen Bußruf auf. Jesus predigte, zog durch das Land, versammelte Jünger um sich, wie es auch andere berühmte Wanderprediger seiner Zeit taten.
Er diskutierte mit Schriftgelehrten aller damals bekannten theologischen Richtungen über die Auslegung der Heiligen Schrift.
Er konnte Kranke heilen, Dämonen austreiben, Brot vermehren. All das tat er mit der Vollmacht Gottes und mit Bezug zur Heiligen Schrift.

Dann, nicht mal ein Jahr nach seinem ersten öffentlichen Auftreten, kam er zum Passahfest nach Jerusalem. Seine Anhängerschaft war zu diesem Zeitpunkt so groß, dass er wie ein König empfangen wurde. Er ließ es zu, dass eine unbekannte Frau ihn zum König salbte. Er kritisierte den Tempelkult und verhielt sich so, als habe er im Tempel das Hausrecht. Bescheidenheit war an seinem Auftreten – und während der letzten Woche in Jerusalem an seinem Verhalten – nicht zu bemerken. Als er verhaftet wurde, leugnete er weder dem Hohenpriester gegenüber, sich als Sohn Gottes zu betrachten, noch Pilatus gegenüber, König der Juden zu sein.

Was dann folgte, ist bekannt. Dieselbe Volksmenge, die Jesus am Sonntag noch zujubelte, schrie am Freitag: „Kreuzige ihn!“

Und nun gilt für Superstars das Gesetz: „Lebe schnell, stirb jung und sei eine schöne Leiche, dann wirst du unsterblich!“ Wenn Jesus auch die ersten beiden Sätze einigermaßen einhielt, einen Gekreuzigten als „schöne Leiche“ zu bezeichnen, ging für die Zeitgenossen entschieden zu weit. Die Kreuzigung galt als so grausam, dass seine Anhänger Jahrhunderte brauchten, bis sie es wagten, Jesus als den Gekreuzigten bildlich darzustellen. Unsterblich wurde Jesus sicher nicht durch die Art seines Todes.

Nun ist es so, dass fast jeder Verstorbene im Gedächtnis seiner Angehörigen und Freunde weiterlebt. Das war bei Jesus nicht anders. Aber dass er nach seinem Tod berühmter wurde als jemals vor seinem Tod, dass wir Jesus als den Auferstandenen im Mittelpunkt unseres Glaubens haben, ist nicht so einfach zu erklären. Der Bericht von der Auferstehung, der der Predigttext für heute ist, stellt darum die Auferstehung als mehr dar als einfach ein Weiterleben im Gedächtnis der Angehörigen.

Jesus, der Auferstandene, erscheint seinen Jüngern. Er kommt nachts, wie ein Gespenst durch eine geschlossene Tür. Aber er ist kein Gespenst, auch kein bloßer Gedanke. Er ist auch nicht, wie manche argwöhnen, ein Schwerverletzter, der die Kreuzigung irgendwie überlebte. Er geht aufrecht, lässt sich anfassen, isst etwas und predigt vor seinen Jüngern. Er ist beinahe so wie vor seinem Tod, und wie vor seinem Tod erklärt er, dass sein Leiden, sein Tod und seine Auferstehung wie alles, was er sagte und tat, der Heiligen Schrift entspricht.

An diesem Punkt unterscheidet sich die Geschichte Jesu von der Geschichte derer, die vor ihm und nach ihm „Messias“ genannt wurden: Sein Tod bedeutet nicht das Ende, sondern den Anfang des Christentums.

Diese Ostergeschichte ist zugegebenermaßen sperrig für unsere Zeit. Es ist heute einfacher, das Ostergeschehen symbolisch oder als Mythos zu verstehen. Jesu Auferstehung bedeute, dass der Tod nicht das Ende ist; dass die Junger die Erfahrung machen: Auch nach dem Tod geht es irgendwie weiter, der Verstorbene ist uns nah; der Tod hat letztlich keine Macht über Jesus. So verstanden, passt die Ostergeschichte in unsere Zeit, und man muss sich nicht darum streiten, ob das Grab leer oder voll war, was bei einem fast 2000 Jahre zurückliegenden Ereignis auch nicht so recht erforscht werden kann.

Die Auferstehung freilich ist ja doch nicht als einmaliges historisches Ereignis das Zentrum unseres Glaubens, sondern in ihrer Bedeutung für uns, für uns ganz persönlich.

Lukas beharrt in seiner Erzählung darauf, dass der Auferstandene seinen Jüngern höchst konkret erschienen ist: mit Hand und Fuß, als jemand, der den Jüngern in Emmaus Brot austeilen und von den Jüngern in Jerusalem Fisch annehmen konnte. Er war für sie da – wie vorher. Und er konnte erklären, dass der Tod, den er erleiden musste, seinem Leben und den Heiligen Schriften entspricht.

Jesus ist eben doch kein Superstar wie andere vermeintliche Heilsbringer,  denn: Er glänzt nicht nur. Das Leiden, der Tod – sie sind nicht Schönheitsflecken am Rande seiner Karriere, sondern gehören für ihn so sehr zum Menschsein dazu wie Essen und Trinken.

Darum, weil er in diesem Punkt ganz Mensch war, bringt die Auferstehung auch Hoffnung für uns, uns ganz gewöhnliche Menschen, die wir keine Superstars sind. Ein Mensch ist ja nicht deswegen für Gott etwas Besonderes, weil ihm die Massen zujubeln, sondern weil er, Gott, ihn liebt.
Diese Liebe Gottes will Jesus verkünden, für alle.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.



Pastorin Sibylle Reh
Strausberg
E-Mail: sreh(at)gmx.de

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