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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 25.04.2011

Predigt zu Lukas 24:39-43, verfasst von Paul Kluge

 

Liebe Geschwister,

Lukas war dabei, sein Buch über Jesus abzuschließen. Bald schon wollte er es Theophilus übergeben, damit dieser „die Zuverlässigkeit der Dinge erkenne, über die er unterrichtet worden war." So oder ähnlich würde Lukas in seinem Vorwort schreiben, und das galt es bis zum Ende des Buches durchzuhalten.

Lukas wollte, anders als Markus, sein Buch nicht damit enden lassen, dass drei Frauen „mit Zittern und Entsetzen" vom leeren Grab fliehen und niemandem etwas davon sagen würden. Lukas wollte die unglaubliche Osterbotschaft glaubhaft machen, glaubwürdig auch. Theophilus nämlich äußerte immer wieder Bedenken und Zweifel besonders gegen die Osterbotschaft. Er könne sich darunter nichts Konkretes vorstellen, und er sei zu sehr Skeptiker, um die Botschaft einfach zu glauben. Denn dass ein Toter ins Leben zurückkehre, sei noch nie geschehen und könne nach menschlichem Ermessen auch nicht geschehen.

Solche Aussagen des Theophilus empfand Lukas als Herausforderung, diesen Zweifeln etwas entgegen zu halten. Aber was? Bei all seinen Forschungen hatte Lukas nichts Brauchbares gefunden. Lediglich in einem Brief des Paulus waren Personen genannt, denen Jesus „erschienen" war.

Lukas dachte über das „Erschienen" nach, und je länger er nachdachte, umso mehr freundete er sich mit dem Wort an und mit den Vorstellungen, die sich damit verbinden ließen. Doch Lukas wollte nicht über das Wort „erscheinen" philosophieren und theoretisieren, er wollte es mit einer Geschichte oder zwei veranschaulichen. Die konnte man weitererzählen, damit ließ sich verkündigen. Und weil die Menschen seiner Zeit gewohnt waren, Botschaften in Form von lebendigen Geschichten weiter zu geben, war Lukas sicher: Theophilus würde verstehen. Und - hoffentlich - auch glauben, dass Jesus der Christus ist, der Gesalbte Gottes, der Retter und Befreier.

Zunächst hatte Lukas von zwei Jüngern geschrieben, die sich aufs Land absetzen wollten. Nachdem ihnen Jesus erschienen war, kehrten sie nach Jerusalem zurück. Lukas malte sich aus, wie sie mit gemischten Gefühlen zurückkehrten, wie sie dann ihre Geschichte erzählten und ungläubiges Kopfschütteln ernteten. Lukas kannte solche Zweifel ja nicht nur von Theophilus und anderen, er kannte sie auch von sich selber. Schwankte manchmal zwischen „leibhaftig" und „wahrhaftig."

Nun saß er und wartete auf einen Einfall, auf eine Idee für eine weitere Geschichte. Er versuchte, sich in die Lage der Jünger zu versetzen, ihre Gedanken nachzudenken, ihre Gefühle nachzufühlen. Vor seinem inneren Auge sah er sie, wie sie die Geschichte der beiden Zurückgekommenen erörterten, ihre Glaubhaftigkeit überprüften. Laut ging es zu und durcheinander. Vorwürfe wurden laut gegen die beiden, dass sie sich hatten absetzen wollen. Und dann solle man ihnen abnehmen, was sie erzählten? Besonders Petrus, ausgerechnet er, war der Heftigste.

Die beiden von Emmaus Zurückgekehrten sahen einander an. „Lass uns wieder gehen", sagten ihre Blicke. Doch sie fühlten sich gekränkt, ihre Glaubwürdigkeit, ihre Zuverlässigkeit stand auf dem Spiel. Sie selber hatten sie darauf gesetzt, das war ihnen klar, hatten sie durch ihre Flucht aus der Stadt gefährdet. Die Konsequenzen bekamen sie nun zu spüren.

Es gab aber auch Stimmen, die sie unterstützen. „Sie sind doch wieder bei uns", sagte etwa einer, „und sie sind überzeugter denn je. Das ist doch, was zählt." Ein anderer erinnerte mit Blick auf Petrus daran, dass ein reumütiger Sünder im Himmel mehr Freude auslöse als 99 Selbstgerechte. Die Stimmen wurden etwas leiser, Petrus blickte beschämt zu Boden. Jesus habe doch, fuhr der Redner fort, sich besonders der Abgeirrten angenommen, der Zöllner und anderer Sünder etwa, auch der Aussätzigen, überhaupt derer, mit denen kein vermeintlich Anständiger gern zu tun habe.

Es wurde noch ruhiger im Raum, Erinnerungen an Jesus und die Zeit mit ihm erfüllten die Versammelten und schmerzliche Trauer. Manche empfanden Wut auf alle, die den Prozess angezettelt und durchgeführt hatten, andere empfanden Scham, dass ihre Erwartungen an Jesus dadurch enttäuscht waren.

„Wir haben", ließ einer sich hören, „wir haben viel von ihm gelernt. Und er hat uns immer wieder Mut gemacht, seinem Beispiel zu folgen: Wann und wo immer wir wollen, können wir Armen helfen, solchen in materieller Not und solchen in seelischer Not." Jemand erinnerte an die Heilung eines Gelähmten; wegen des Glaubens derer, die den Kranken trugen, hatte Jesus ihn geheilt. „Das heißt doch wohl", schlussfolgerte der Redner, „dass Glaubende nicht nur helfen sollen, sondern auch können. Und das bedeutet vielleicht auch, dass wir Erstarrtes wieder beweglich, lebendig machen können." - „Und Schuld nicht nachtragen, sondern vergeben", ergänzte ein anderer, „denn Schuld lähmt, Sünde macht hart." Wenn er es recht bedenke, ließ ein Dritter sich vernehmen, habe Jesus aufgerichtet, was gebeugt war, durch Gram und Kummer krumm gewordene Rücken zum Beispiel, er habe Verdorrtem zu neuer Lebendigkeit verholfen, habe Menschen die Augen geöffnet und damit auch die Herzen. Und immer habe er dabei den Eindruck erweckt, dass sie, die Jünger, das auch könnten.

„Statt dessen haben wir uns hier abgeschottet, lassen uns von Trauer niederdrücken und mehr noch von unserer Angst lähmen", bemerkte einer. „Und manche setzen sich sogar ab!" empörte Petrus sich, doch keiner reagierte. Schweigen machte sich breit, jeder war in seinen Gedanken bei Jesus. Je länger sie schwiegen, umso mehr hatten sie das Gefühl, Jesus sei mitten unter ihnen. Fast körperlich spürten sie seine Gegenwart, kalt lief es ihnen über die Rücken. „Lasst uns in seinem Geist weitermachen", beendete Petrus schließlich das Schweigen, und alle nickten erleichtert Zustimmung.

...

Ein lautes Geräusch von der Straße riss Lukas aus seinen Gedanken, doch er ärgerte sich nicht. Ohne dieses Geräusch hätte er mit seinen Gedanken noch lange bei den Jüngern verweilen können, und dann hätte er nicht viel geschrieben. Allerdings brauchte er solches Nachdenken und Nachfühlen auch, um etwas schreiben zu können. Etwas, das Theophilus und andere nicht nur zur Kenntnis nahmen, sondern das sie in ihrem Glauben stärkte und vergewisserte. Das ihnen Mut machte und Kraft gab, gesinnt zu sein, wie Jesus, der Christus, auch war.

Lukas wollte zum Schreibzeug greifen, doch er verspürte Hunger. „Dann bin ich ja wohl wieder in meinem Alltag angekommen", dachte er. Aus der Küche holte er sich etwas Brot und ein wenig Wein, vorsichtshalber mit Wasser verdünnt; über Tag machte Wein ihn immer müde. „Essen und Trinken sind Zeichen für Lebendigkeit", ging ihm durch den Sinn, „alles, was lebt, braucht Nahrung - und was keine Nahrung braucht, lebt nicht". Dann ging er an die Arbeit und schrieb:

„ Während sie (die Jünger) noch darüber (den Bericht der Emmaus-Wanderer) redeten, trat er selbst in ihre Mitte, Da gerieten sie in Angst und Schrecken und meinten, einen Geist zu sehen. Und er sagte zu ihnen: Was seid ihr so verstört, und warum steigen solche Gedanken in euch auf? Seht meine Hände und Füße: Ich selbst bin es. Fasst mich an und seht! Ein Geist hat kein Fleisch und keine Knochen, wie ihr es an mir seht. Da sie aber vor lauter Freude noch immer ungläubig waren und staunten, sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? Da gaben sie ihm ein Stück gebratenen Fisch; und er nahm es und aß es vor ihren Augen." Amen



Landespfarrer für Diakonie a.D. Paul Kluge
D-26789 Leer (Ostfriesland)

E-Mail: paul-kluge@t-online.de

Bemerkung:
Hinweis: Der Predigttext Lk 24, 39 – 43 sollte am Schluss der Predigt (noch einmal) verlesen werden


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