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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 24.04.2011

Predigt zu Markus 16:1-7, verfasst von Ulrich Nembach

Liebe Gemeinde!

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

[- Einleitung -]

So haben wir uns heute Morgen begrüßt. So begrüßen sich Christen am Ostermorgen. Doch, was heißt das? Wir kennen den Gruß. Was denken wir uns dabei? Was fühlen wir dabei? Was wir denken und fühlen, erzählt uns ein altes Lied. Es steht in unserem Gesangbuch. Das Lied wurde immer wieder bearbeitet im Laufe der Zeit. Schauen Sie bitte nach, im Gesangbuch Nr. 105 und dort am Ende. Gleich eine ganze Reihe von Bearbeitungen wird aufgezählt.
Die Basis für das Lied und seine Bearbeitungen ist der Text vom Evangelium, von Markus 16,1-7. Über diesen Text und seine Auslegung im Lied wollen wir heute nachdenken. Wir wollen nachfühlen, was die dort geschilderten Frauen erleben. Von ihnen berichten der Text und das Lied. Ich werde darum den Text heute nicht vorlesen, sondern wir singen ihn: Lied 105.
Zunächst singen wir alle die Verse 1-3. Dann singen wir im Wechsel die Verse 4ff. Zum Schluss singen wir gemeinsam Vers 17.


1.  Wir singen nun die Verse 4ff. Wir singen sie, wie gesagt, im Wechsel. Die Männer übernehmen die Rolle des Evangelisten und singen die Verse 4 und 5.
Was der Evangelist berichtet, ist sachlich das Geschehen an jenem Sonntag in Jerusalem. Frauen sind unterwegs. Es sind drei. Ihre Absicht ist, ihrem Herrn, Jesus, dem gekreuzigten, die letzte Ehre zu erweisen. Das wollen sie tun der damaligen Sitte entsprechend mit wohlriechendem Öl. Sie kauften entsprechendes Öl und machten sich auf den Weg zum Grab. Soweit der Bericht. Er ist nüchtern und sachlich. Heute würde ein Reporter in derselben Art und Weise die Fakten nennen und darstellen, was geschehen ist.

2.  Die Frauen übernehmen nun die Rolle jener Frauen und singen die Verse 6-7.
Der Bericht fährt sachlich und nüchtern fort, wie er begonnen hat. Erst jetzt wird den Frauen klar, dass sie ein Problem haben. Sie haben in ihrem Eifern gar nicht daran gedacht, als sie gleich früh am Morgen aufbrachen. Ohnehin waren sie aufgeregt. Dann mussten schnell die Öle gekauft werden. Am Tag davor konnten sie nichts unternehmen. Es war Sabbat, Ruhetag, und ein Ruhetag ist in Israel ein Tag, an dem alles ruht. Nur das Notwendige darf getan werden.
„Wer wälzt uns fort den schweren Stein?“ Der Stein lag vor dem Grab Jesu. Der Stein verschloss das Grab. Da – das Erstaunen. „Der Stein ist fort!“ Noch mehr: „Das Grab ist leer!“ Was ist zu tun? Sie, die Frauen, sind am Ende. „Wer hilft uns?“ Sie packen das nicht. „Wo ist der Herr?“
Fragen, nichts als Fragen. Kann man hilfloser sein? Wenn nur noch Fragen bleiben, ist man hilflos. Keine Hilfe, kein Helfer ist in Sicht. Die Frauen sind allein. Sie sind allein mit ihren Fragen.

3.  Da greift der Engel ein. Vers 8 singt unser Kantor. Er hat den Part des Engels übernommen.
Bestimmend sagt er: „Erschrecket nicht!“ Dann fährt er direkt fort, ohne Unterbrechung, und fragt: „Was weinet ihr?“ Die Hilflosigkeit der Frau ging weiter. Sie können nicht mehr. Sie brechen in Tränen aus. Das ist zu viel. Karfreitag, der Tod ihres Herrn! Und was für ein Tod – am Kreuz! Dann besorgen sie alles in Eile, machen sich auf den Weg, um den Toten zu salben, ihm so die letzte Ehre zu erweisen. Der Herr ist weg. Das Grab ist leer.

4.  Die Frauen fassen sich mühsam. Sie wenden sich an den Engel und fragen ihn.
Es singen die Frauen den Vers 9. Unser Kantor antwortet, indem er den Part des Engels übernimmt, Vers 10.
Der Bericht geht sachlich weiter und lässt zunächst die Frauen zu Wort kommen. Sie bitten den Engel, ihnen zusagen, wo er Jesus hingelegt hat. Dass sie sich an ihn wenden, ist logisch. Er ist der einzige außer ihnen am Grab. Er weiß auch, dass das Grab leer ist. Also muss er es gewesen sein, der Jesus woanders hingelegt hat. Der aber antwortet: „Er ist erstanden aus dem Grab.“ Das ist wiederum knapp und präzise formuliert. Er ist erstanden – was heißt das? Die Frauen verstehen nicht. Sie haben nicht unsere Vorkenntnisse. – Nebenbei: Wir haben Vorkenntnisse. Wissen wir tatsächlich, was die Auferstehung Jesus heißt, bedeutet? – Die Frauen verstehen nicht und wiederholen ihre Frage, wenn sie sie auch variieren. „Zeig uns den Herren Jesus Christ!“ Wenn er nicht hier ist, wo ist er dann?

5.  Der Engel geht auf die Frage ein.
Unser Kantor übernimmt wieder den Part des Engels, singt Vers 12, und die Frauen, den Part der Frauen übernehmend, singen Vers 13.
„Schaut“, sagt der Engel, „wo Jesus lag!“ Die Frauen sehen, das Grab ist leer. Die Frauen überzeugen sich selbst, aber es bleibt die Frage, wo Jesus dann ist, wenn er nicht hier ist. Die Frauen verstehen nicht, noch immer nicht. Wie sollen sie verstehen? Was in der Nacht geschah, ist ungeheuerlich, unglaublich. Sie stehen an einer Grenze, an der Grenze der Menschen überhaupt. Es ist auch unsere Grenze. Wir alle werden sterben, wie jeder Mensch, jedes Lebewesen vor uns gestorben ist. Wie gesagt, verstehen wir, was geschehen ist? Verstehen wir trotz unserer Vorkenntnisse, unserer Jahrtausende alten christlichen Tradition von der Verkündigung der Auferstehung, was Jesu Auferstehung besagt?
Ich las neulich einen theologischen Aufsatz über Gott, Jesus und das leere Grab. Der Autor gab sich viel Mühe. Er hatte die neuere Literatur von Lüdemann bis zu Papst Benedikt XVI. verarbeitet. Er kommt nicht über das, was die Frauen sahen, hörten, erlebten hinaus. Schon vor mehr als zweihundert Jahren hat Goethe festgestellt, dass unser Wissen begrenzt ist: Faust hat alle damals gängigen Wissenschaften studiert und musste erkennen, dass er nichts weiß. Das Geschehen am Ostermorgen ist zu groß für uns.

6.  Das weiß auch der Engel. Er erklärt nicht weiter, sondern sagt etwas Anderes. Er bringt einen neuen Gesichtspunkt ins Spiel.
Unser Kantor singt Vers 14. Die Frauen antworten ihm darauf – Sie hier, die Frauen, singen Vers 15.
Der Dialog zwischen dem Engel und den Frauen geht weiter . . . und nimmt eine interessante Wendung. Der Engel diskutiert nicht mehr mit den Frauen. Er sagt den Frauen, sie werden Jesus sehen. Jesus sehen! Das ist gut. Die Frauen bedanken sich und gehen. Sie gehen getröstet, heißt es im Lied. Hier weicht das Lied vom biblischen Text ab. Das Lied schönt. Im Markus-Evangelium steht, dass die Frauen flohen, „denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen“ (Mk. 16,8). An der Grenze stehend, die für die Frauen – wie für uns – zugleich die Grenze aller Grenzen ist, wird ihnen gesagt, dass sie den Gekreuzigten, den Toten, sehen werden! Das ist zu viel. Das macht Angst. Wie geht es uns?
Wir fürchten uns noch immer vor dem Tod. Auf unseren Friedhöfen ist Trauer angesagt. Dabei wird seit Jahrtausenden die Auferstehung Jesu gepredigt! Sie wird heute Morgen, hier, erneut gepredigt. Ich denke, dass es an der Zeit ist zu begreifen. Jesus ist auferstanden! Im Kolosserbrief heißt es: „Er, Jesus, ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten“ (Kol. 1,18). Das kann trösten. Das tröstet! Das Lied und seine Dichter ändern den Text nicht ohne Grund! Trost und Freude sind angesagt!

7.  Darum singen nun die Männer, indem sie die Rolle des Evangelisten übernehmen, V. 16.
Wir alle folgen ihnen dann mit V. 17.

Amen



Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
Göttingen
E-Mail: ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de

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