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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Kantate / Friedenssonntag, 22.05.2011

Predigt zu Matthäus 21:14-17, verfasst von Rainer Kopisch

 

Liebe Gemeinde,

Verfängliche Fragen zu stellen, ist für Machtmenschen eine immer wieder gern genutzte Methode, um Menschen zu verunsichern, sie einzuschüchtern und sie willig zu machen.
Die Hohenpriester und Schriftgelehrten fragen Jesus erbost, ob er hört, was die Kinder im Tempel laut schreien .
Ja, er höre, was sie schreien, sagt er und fragt sie: „Habt ihr nie gelesen: Aus dem Munde von Unmündigen und Säuglingen hast du dir Lob bereitet? „
Sie schweigen verblüfft, weil sie sich an einen anderen Wortlaut der Schriftstelle erinnern.
In Psalm 8 heißt es: Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du dir eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen, dass du vertilgest den Feind und den Rachgierigen.
Was Jesus ausdrücken will, verstehen die Schriftgelehrten nicht so schnell: Jesu Zitat bringt die Situation auf den Punkt. Die Frage nach Gott und seinem Messias steht im Raum, im Raum des Tempels. Ist es Gottes Messias, der Wunder tut und dem die Kinder das Hosianna zurufen? Mit dem Fehlzitat von Psalm 8 stehen auch die Fragen im Raum: Wer ist hier Gottes Feind? Wer ist hier rachgierig?

Jesus lässt Hohepriester und Schriftgelehrten stehen und geht aus der Stadt.

Um das Hosianna geht es auch am Sonntag Kantate, liebe Gemeinde, um das bekennende Gotteslob, um das lobpreisende Singen zur Ehre Gottes.
Der Psalm dieses Tages beginnt mit den Worten: Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.

Für uns Christen ist dies heute glaubensmäßig selbstverständlich. Damals ist es ein gewagter und lebensgefährlicher Gedanke, den Jesus denkt. Jesus offenbart sich unausgesprochen als Messias Gottes, der von den Feinden Gottes bedroht wird, als er im Zusammenhang mit dem Hosianna aus dem Lobpreis des Schöpfungspsalmes 8 zitiert. Die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes am Menschen - so die Überschrift des Psalmes in der Luther-Bibel - wendet Jesus auf das unmittelbare Geschehen.
Jesus heilt Blinde und Lahme im Tempel. Die Kinder schreien Hosianna dem Sohn Davids, wie es die Erwachsenen beim Einzug Jesu in Jerusalem skandierten. Den Lobpreis des Messias Gottes der Erwachsenen haben die Hohenpriester und Schriftgelehrten noch im Gedächtnis: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe.

In den Köpfen der Hohenpriester und Schriftgelehrten verbinden sich Jesu Heilungen im Tempel mit der Proklamation Jesu als Messias Gottes im Hosianna der Menge. Diese Verbindung erscheint in ihren Augen als ein gotteslästerliches Geschehen.

Wir Christen sehen mit unseren Augen stimmige Zusammenfügungen.
Den Hohenpriestern und Schriftgelehrten bleibt nur die Verfolgung Jesu.
Er wird ihr Feind, wie Jesus es prophetisch mit seinem Hinweis auf den Psalm 8 voraussieht.

Im Fortgang des Matthäus-Evangeliums wird sich die Feindschaft gegen Jesus noch weiter aufbauen.

Die Schnittmenge der Texte des heutigen Sonntags ist der Lobpreis Gottes. In der Epistellesung, im Evangelium und im Predigttext werden wir daran erinnert, dass es unser Amt ist, Gott zu loben und zu preisen für all die Taten und Geschenke Gottes.

Die Hinwendung des liebenden und barmherzigen Gottes schenkt alles, was wir für unser Leben wirklich brauchen. Martin Luther hat uns gelehrt, es auch bei uns geschehen zu lassen. Für diese Vergegenwärtigung des göttlichen Geschehens brauchen wir das Gebet. Wie im Vaterunser so sollen wir auch in unseren anderen Gebeten den Lobpreis nicht vergessen.

Wir Menschen sind nicht von Geburt an mit dem Lobpreis bekannt, sondern wir müssen ihn erst lernen.
So ist Alois, der ehemalige Dienstmann vom Münchner Hauptbahnhof, nicht umsonst ein anschauliches Beispiel für einen praktizierenden Christen. Als er - so berichtet eine Geschichte mit Lokalkolorit - in den Himmel kommt, bekommt er ausreichend Gelegenheit, das professionelle Singen des Lobpreises mit der Harfe von anderen Engeln zu lernen.

Nach der Einweisung weist ihm Petrus eine eigene Wolke zu und überreicht ihm seine Harfe. Der Dienstmann Alois beginnt dann das Lobpreisen. Nach geraumer Zeit ändert sich sein Hosianna. Den Engel auf den Nachbarwolken fällt es als erstes auf. Es sind widerständige Abänderungen von Melodie, musikalischem Ausdruck und Text zu hören.
Schließlich verkündet er nur noch seinen Unmut über die himmlische Kost. Das laute Plärren und Schimpfen über das himmlische Manna kommt schließlich auch Gott zu Ohren. Er fragt Petrus , wer denn da so grässlich plärre. Der antwortet, es sei der Engel Alois aus München.
Gott zeigt weises Verständnis und gibt dem Engel Alois eine neue Aufgabe. Er soll zukünftig als Bote der Bayerischen Regierung die Weisungen Gottes übermitteln.
Engel Alois macht sich voller Freude auf den Weg nach München. Zuerst kehrt er auf seinem gewohnten Weg in das Münchner Hofbräuhaus ein.
Da sitzt er und er sitzt dort noch immer - so endet die Geschichte - und die Bayerische Regierung wartet noch heute auf göttliche Eingebungen.

Es scheint ja in der Tat so zu sein, dass das Lobpreisen eher die Sache der Frauen in der Kirche ist.
Da Gott nur bei der Schöpfung einen kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau gemacht hat und ansonsten beide gleich lieb hat, gibt es für Männer wirklich keinen Grund sich beim Lobpreisen zurückzuhalten. Allerdings sind sie früher durch die Erziehung angehalten worden, tüchtig und selbstständig zu werden. Das hat bei vielen Männern zu der irrigen Meinung geführt, sie hätten wenig Grund Gott für etwas zu danken, da sie selbst so tüchtig seien.

Der Alois hat als Dienstmann wirklich viel geschuftet und sich mit dem Gepäck anderer Leute abgeschleppt. Zur Entspannung ging er gern in sein Lieblingswirtshaus, und Gott hat er einen guten Mann sein lassen. Das letztere scheint eine oft übernommene Art von Emanzipation bei Männern zu sein, die einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem himmlischen Vater aus dem Weg gehen.
Ich möchte von einem anderen Mann berichten, der wirklich gelebt hat:
Ein Jäger, der stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes war, bat seinen Pfarrer um Verständnis, dass er so oft nicht im Gottesdienst erscheine. Er sagte ihm: „Herr Pfarrer, wissen Sie wenn ich im Wald bin, dann fühle ich mich meinem Gott sehr nahe und wenn ich bei Tagesanbruch auf dem Hochsitz die Natur und die Tiere beobachte, denke ich oft an Gott, den Schöpfer, der alles so schön gemacht hat." Der Pfarrer hatte zunehmend Verständnis für diese persönliche Art von Lobpreis. Er gewann diesen Mann lieb, weil er im Grunde seines Herzens Gottes nahe war und aus der Liebe Gottes lebte. Gott liebte ihn schon immer.

Stellen sie sich vor, liebe Gemeinde, wir würden jetzt in kleinen Gruppen einen Austausch über unsere persönlichen Erfahrungen mit dem Loben und Preisen beginnen.
Gott zu loben und zu preisen sollte uns ja nicht fremd sein. In unserem Gesangbuch gibt es unter der Überschrift Psalmen, Bitt- und Lobgesänge für jede Zeit einen besonderen Abschnitt Lob und Dank. Ein allen bekanntes Lied heißt „Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen...". Die dritte Strophe beginnt mit den Worten „Lob, Ehr und Preis sei Gott, den Vater und dem Sohne..."
In den Psalm-Liedern wird die alte vorchristliche Tradition des Lobpreisens aufgenommen.
Ein solches ist: Nun jauchzt dem Herrn, alle Welt! - Kommt her, zu seinem Dienst euch stellt.
Die fünfte Strophe heißt: Dankt unserm Gott, lobsinget ihm, rühmt seinen Nam'n mit lauter Stimm; lobsingt und danket allesamt! Gott loben, das ist unser Amt.

Paul Gerhard hat in Bezug auf den Einzug Jesu in Jerusalem gedichtet:

Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin,
Und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis
Und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.

Wir singen diese Strophe im Advent. Diese Worte in vielleicht nicht mehr zeitgemäßer Sprache machen uns auf eine eigentlich selbstverständliche Tatsache aufmerksam.

Lobpreis kommt aus dem Herzen. Wes des Herz voll ist, dem geht der Mund über.
Das Herz ist der Ort in unserem Körper, wo wir uns mit Gott verbinden. Da ist lebendiger Glaube.
Der Glaube im Kopf lebt nicht wirklich; er kann nur angeschaut und diskutiert werden.

Männer denken vom Kopf her; sie haben es manchmal schwer mit dem Lobpreis.

Gott liebt sie trotzdem.

Amen



Pfarrer i.R. Rainer Kopisch
Braunschweig
E-Mail: rainer.kopisch@gmx.de

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