Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Rogate , 29.05.2011

Predigt zu Lukas 11:5-13, verfasst von Andreas Pawlas

Und Jesus sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf. Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Liebe Gemeinde!

Selbstverständlich bringen wir unseren Kindern doch schon ziemlich früh bei, „Bitte" zusagen. Wer unter den anwesenden Eltern, Großeltern, Tanten und Onkeln könnte das nicht bestätigen? Nein, erst, wenn „Bitte" gesagt wird, dann gibt es das Brot, den Saft, das Eis oder die Schokolade! So gehört es sich. So ist es guter Brauch. Und genau so ist es auch in dem Gleichnis, das uns unser Herr Jesus Christus sagt.

Und wenn das so für unsere Kinder gilt, wie ist es da eigentlich mit uns Erwachsenen? Sagen wir eigentlich gerne Bitte? Selbst unter Freunden? Ich meine jetzt nicht diese missbräuchliche Form, „Bitte" zu sagen, wie sie uns ab und zu durchgeht, so etwa: „Würden Sie bitte die Tür schließen?! Oder: „Aua! Sie stehen auf meinem Fuß! Würden Sie bitte von meinem Fuße heruntergehen?!" Oder auch einfach: „Lass das bitte." Aber auch: „Suchen Sie sich bitte eine andere Arbeitsstelle! Sie sind entlassen."

Genau besehen sind solche Redewendungen keine richtigen Bitten, sondern eher Anordnungen oder gar Befehle. Aber was uns Jesus gerade vor Augen gestellt hat, das sind ja richtige Bitten. Lassen Sie uns darum jetzt allein auf sie schauen, Und wie halten wir Erwachsenen es mit solchen richtigen Bitten?

Und da können wir doch gelegentlich hören: „Zu dem gehe ich doch nicht, um mir etwas zu borgen, denn da muss ich vielleicht noch „Bitte, bitte" machen." Selbst unter Freunden muss man manchmal aufpassen, wen man um was bitten kann. Oder kann es gerade eine gute Freundschaft auszeichnen, dass man einen Freund oder eine Freundin ohne Hintergedanken und ohne Rücksichtnahme um etwas bitten zu kann? Und das alles in der Gewissheit, dass der gute Freund alles tun würde, was in seiner Macht steht, um uns unsere Bitte zu erfüllen? So genau weiß ich nun nicht, was das für eine Freundschaft ist, von der in unserem Gleichnis die Rede ist, weil am Ende der Freund ja nur wegen des „unverschämten Drängens" aus seinem Bett aufsteht und dem Bittenden gibt, soviel er bedarf.

Aber was ist es ansonsten, was uns das Bitten so schwer macht? Vielleicht, dass es damit zu tun hat, dass der, der bittet, sich irgendwie klein macht, nämlich gewissermaßen klein oder gar demütig gegenüber dem, der die Bitte erfüllen kann? Aber Hand auf Herz! Dazu ist man doch zu stolz! Nein, das hat man doch nicht nötig.

Ich frage mich manchmal, ob die Gebetsmüdigkeit in unserer Zeit, ob das Abnehmen von Morgen-, Tisch-, Abend oder Schulgebet nicht damit zusammenhängt, dass wir neuzeitliche Menschen einfach zu stolz sind - wozu wir ja auch gute Gründe zu haben scheinen! Denn wozu sich klein und demütig zu machen und Gott um seine Hilfe, seine Barmherzigkeit und seinen Trost zu bitten? Denn das schaffen wir doch schon allein! Und wenn es wir als Einzelpersonen nicht schaffen, so gibt es doch eine Behörde oder ein Amt, das zu helfen hat. Und wenn das nicht klappt, dann gibt es gefälligst Parteien, Vereine, Verbände und Bewegungen, die schon das Notwendige für mich durchzusetzen haben.

Ja, in solch ein gebetsfeindliches Klima sind wir gegenwärtig hineingeboren. So ist das Selbstbewusstsein unserer Zeit. So wird es uns tagaus tagein in Presse, Rundfunk und Fernsehen vor Augen und Ohren gestellt.

Aber - sind wir denn wirklich so selbstbewusst? Können wir unseren Lebensweg derart nach unserm Gutdünken beherrschen und gestalten, ohne andere bitten zu müssen? Ist denn jeder von uns dieser erfolgreiche, dynamische, begehrte und selbstsichere Mensch dieser mündigen Epoche?

Hier lohnt es sich sicherlich, einen Moment innezuhalten. Und an dieser Stelle soll keineswegs etwas gegen Erfolg, Mündigkeit und Selbstbewusstsein gesagt werden. Und ganz gewiss haben wir Gott viel dafür zu danken, mit wie viel Kraft, mit wie viel Geschick, mit wie viel Gutem und mit wie viel Gelingen er uns beschenkt hat.

Und dennoch: gibt es da nicht auch eine ganz andere Seite unseres Lebens? Denn das kennen wir doch auch, dieses ohnmächtige Anrennen gegen die scheinbare Willkür eines unbarmherzigen Schicksals. Das kennen wir doch auch, wie man hilflos mit ansehen muss, wie etwa Freundschaft oder Familie in Zank, Streit und Misstrauen auseinanderbrechen - und wie man vielleicht sogar selbst in irgendeiner Weise dazu beigetragen hat. Ja, das kennen wir doch auch, dieses Klagen und Schreien zu Gott in beruflichen Misserfolgen und Krisen, in Krankheit und peinlicher Schuld? Und dann das dumpfe Brüten über der Frage „Warum", „Warum denn gerade ich?". Und dann spitzt sich alles zu in der Frage: „Wo bleibt denn nun Gottes Verheißung?" Wo bleibt denn nun diese Verheißung „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan."? Wo bleibt denn nun die Erfüllung dieses wunderbaren Wortes unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, dass wir uns wie Kinder an unseren himmlischen Vater mit allen Sorgen, Bitten und Sehnsüchten wenden dürfen und er uns erhören will?

Allerdings, wie ist denn eigentlich unser eigenes Verhalten, wenn uns als Vater oder Mutter unsere eigenen Kinder bitten? Und da kennt uns Jesus doch und weiß, dass wir als Eltern einerseits schon unseren geliebten Kindern nach Möglichkeit die Bitten erfüllen. Jesus kennt uns sogar so gut mit unseren Fehlern und Unvollkommenheiten, dass er zugespitzt darauf hinweist, dass „ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt".

Andererseits prüfen wir doch schon, ob es immer gut ist, unseren Kindern jede Bitte zu erfüllen. Wenn etwa um die dritte Tafel Schokolade am Tag gebeten wird, sagen wir da nicht auch „Nein"?

Und warum? Doch weil wir unser Kind wirklich lieben! Und weil wir genau wissen, dass ihm ein Stück Brot oder ein Apfel viel besser bekommen! Dass eben der Hunger unseres Kindes durch ganz andere Dinge gestillt wird, als wonach ihm gerade der Sinn steht! Ja, und genauso dürfen wir uns darauf verlassen, dass unser himmlischer Vater uns nichts Schlechtes, Bösartiges oder Zerstörerisches zukommen lässt, sondern nur das, was uns wirklich nährt, fördert und uns in unserem geistlichen Leben weiter bringt.

Jedoch, brauchen wir ihn deshalb nun überhaupt nicht mehr zu bitten und unsere manchmal uns sogar schädlichen Wünsche und Bitten vor ihn zu bringen, weil er doch schon alles von uns weiß und für uns tut? Doch - bitten sollen wir ihn. Und das nicht nur um die ganz großen Dinge, wie unser Heil und den Frieden der Welt, sondern auch und gerade um die kleinen Dinge, die Alltäglichkeiten, sei es um ein gemütliches Kaffeetrinken, oder um das Gelingen aller Klassenarbeit, oder vielleicht selbst sogar um einen Parkplatz in der Stadt.

Denn durch jedes tägliche oder stündliche Gebiet sind wir doch hineingerufen, unser Leben unter den Augen des himmlischen Vaters zu begreifen. Und damit kommen wir zu der letztlich wichtigsten Bitte jedes Gebetes: nämlich zu der Bitte, doch glauben und erkennen zu können, wie Gott für diejenigen wirkt und handelt, die sich ihm anvertrauen. Und das ist im Grunde nichts anderes als die Bitte um den Heiligen Geist. Durch ihn können wir mit einem Male erkennen, wie Gott unser Leben eigentlich meint, wohin wir eigentlich geführt werden sollen, wie wir in Krise, Schande oder Einsamkeit wachsen und hoffen sollen, damit wir dereinst am Ende aller Tage erfüllt und vollendet werden, und damit schöner und besser werden, als wir einfachen Menschenkinder es uns vorstellen könnten.

Darum ist diese Bitte unter alle Bitten die Wichtigste, nämlich unseren Gott um seinen Heiligen Geist bitten zu dürfen. Denn durch ihn wird letztlich aus Bitten fröhliches Danken und wird aus Klage erfüllte Freude. Und das will jetzt unter uns schon beginnen und dann bis in alle Ewigkeit reichen. Und das ist einfach großartig! Amen

 



Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde Barmstedt

E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de

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