Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Rogate , 29.05.2011

Predigt zu Lukas 11:5-13, verfasst von Georg Freuling

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Heute ist der Sonntag Rogate. Rogate - das ist eine Aufforderung: Betet! Aber: Ob wir beten, wie wir beten, das versteht sich nicht von selbst. So verstehe ich, was von den Jüngern Jesu erzählt. Die bitten Jesus: „Lehre uns beten!" Jesus gibt ihnen das Vaterunser, Worte, mit denen sie beten können und mit denen wir heute auch noch beten. Und dann ermutigt er sie, zu beten. Der Predigttext ist eine Ermutigung zum Gebet. Ich lese Lk 11,5-13.

5) Und er sagte zu ihnen: Stellt euch vor, ihr habt einen Freund und geht mitten in der Nacht zu ihm und sagt: Freund, leih mir drei Brote, 6) denn ein Freund, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen könnte. 7) Und jener drinnen würde antworten: Belästige mich nicht! Die Tür ist schon verschlossen, und meine Kinder liegen bei mir im Bett. Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8) Ich sage euch: Wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch seines unverschämten Bittens wegen aufstehen und ihm geben, so viel er braucht. 9) Und ich sage euch: Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. 10) Denn wer bittet, empfängt; wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan. 11) Wer von euch gibt seinem Sohn, wenn der ihn, den Vater, um einen Fisch bittet, statt des Fisches eine Schlange, 12) oder wer gibt, wenn er ihn um ein Ei bittet, einen Skorpion? 13) Wenn also ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater den heiligen Geist vom Himmel herab denen geben, die ihn bitten. (Züricher Bibel)

So ermutigt Jesus seine Jünger zum Beten. Beten - da geschieht etwas zwischen mir und Gott. Beten - das ist eine Beziehungssache. Genau da setzt Jesus an. Er erzählt vom Beten. Und er erzählt so, dass jede und jeder, der es hört, sich in einer Beziehung wieder findet:

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund..." - Wer einen Freund hat, der weiß, an wen er sich in der Not wenden kann. So wie in dieser Geschichte:

Eine unangenehme Situation: Ein guter Bekannter kommt zu Besuch - ganz ohne Vorankündigung. Auf einer Reise ist er vorbeigekommen. „Eben mal so." Eigentlich ist so ein spontaner Besuch etwas Schönes. Aber leider bringt das den Gastgeber hier in eine große Verlegenheit: Er hat nichts im Haus, was er seinem Gast anbieten kann. Und es ist mitten in der Nacht. Das ist für den Gastgeber eine ganz und gar unangenehme Situation. Nichts anbieten - das geht nicht. Das widerspricht allen Regeln der Gastfreundschaft.

Was tun? Er hat nur eine Möglichkeit: sich an seinen Freund wenden, obwohl es mitten in der Nacht ist. Ihm die Notlage erklären: „Ich habe nichts, bitte hilf mir!"

Wer einen Freund hat, der weiß, an wen er sich in der Not wenden kann. Das ist nicht immer leicht, manchmal ist das sogar furchtbar unangenehm und peinlich. Es setzt voraus, dass ich mir meine Verlegenheit eingestehe, dass ich meine Not zugebe. Vor einem guten Freund geht das. „Melde dich einfach! Sag, wenn du Hilfe brauchst!" Wer gute Freunde hat, der kennt diese Sätze.

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund..." Jesus erzählt diese Geschichte so, dass wir uns in einer Beziehung wieder finden. Aber nicht in irgendeiner Beziehung, sondern in unserer Beziehung zu Gott: Zu Gott kann ich kommen mit meiner Not. Gott kann ich meine Bedürfnisse zumuten. Ich kann ihm sagen, was mir fehlt - wie einem guten Freund.

Das ist für viele der Anlass, zu beten. Im Konfirmandenunterricht haben wir einen Fragebogen zum Gebet. Da kommt auch die Frage vor „Wann betest du?" Die meisten Jugendlichen kreuzen an: „Wenn ich dringend Hilfe brauche." So ist das bei uns Erwachsenen auch, denke ich. Nicht umsonst heißt es: „Not lehrt beten!" Das ist unangenehm, wenn ich mit meinen Möglichkeiten nicht weiter komme, wenn ich an meine Grenzen stoße. „Da hilft nur noch beten!" Aber darin liegt auch eine Chance: Wenn ich mich mit meiner Not an Gott wende, dann bleibe ich nicht bei mit selbst, bei meinen Möglichkeiten und Grenzen stehen.

Ob mir das gelingt, ob ich das schaffe, das ist wieder eine Frage der Beziehung. Auch das ist wie bei einem guten Freund: Freundschaften brauchen Pflege. Wer einen Freund hat, der wird sich nicht nur dann melden, wenn er ein Problem hat, wenn er gerade dringend etwas braucht. Auf jeden Fall wird ihm das leichter fallen, wenn der letzte Kontakt nicht schon Wochen zurück liegt. Auch wenn das Stoßgebet das Gebet Nr. 1 ist - Beten ist mehr: Beten ist Beziehungspflege zu Gott. „Not lehrt beten." Stimmt, aber es darf auch mehr sein...

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund..." Wer einen Freund hat, der weiß auch, dass er sich auf diesen Freund verlassen kann. So wie in dieser Geschichte:

Mitten in der Nacht macht sich da einer auf den Weg. Mitten in der Nacht steht er vor dem Haus seines Freundes. Er zögert vielleicht einen Moment. Aber dann klopft er an die Tür. Erst ganz vorsichtig, dann etwas lauter. Bis sich drinnen etwas regt. „Wer ist da?" „Weißt du nicht, wie spät es ist?" Der Freund ist wach. Jetzt gibt es kein Zurück mehr! Er erzählt dem Freund, was passiert ist. Er erzählt ihm von der Verlegenheit, in der er steckt. Und jetzt? Jetzt ist das nicht mehr nur sein Problem. Es ist auch ein Problem des Freundes, dem er die ganze Verlegenheit zumutet. Denn der muss sich jetzt dazu verhalten. Einfach so tun, als habe er nichts gehört, einfach zurück ins Bett - das geht nicht, wenn die Freundschaft keinen Schaden nehmen soll..

Dieser Freund hat keine Wahl. Eigentlich ist diese Geschichte eine einzige große Frage. Wie wird sich dieser Freund verhalten? Auf diese Frage läuft diese Geschichte hinaus. Und die Antwort steht schon von Anfang an fest: Er wird helfen, weil sein Freund diese Hilfe braucht!

So wie Jesus diese Geschichte erzählt, musste das jedem sofort einleuchten. Und das, obwohl das für diesen Freund mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist. So wie Jesus diese Geschichte erzählt, muss man an ein einfaches Haus denken. Zur Straße gibt es nur eine Tür, die mit einem schweren Balken verriegelt ist. Die Tür öffnen - das macht Krach. Und das Haus besteht nur aus einem Raum, in dem die ganze Familie schläft. Alle werden wach werden. Trotzdem: Dieser Freund wird helfen, weil er - ganz einfach - sein Freund ist. Und wenn nicht? Auch das klingt kurz an: „Wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch seines unverschämten Bittens wegen aufstehen und ihm geben, so viel er braucht." Aber damit sind wir nicht mehr ganz bei der Geschichte, denn da geht es ja um einen Freund.

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund..." Jesus erzählt diese Geschichte so, dass wir uns in einer Beziehung wieder finden. Aber nicht in irgendeiner Beziehung, sondern in unserer Beziehung zu Gott: Mit Gott ist das so wie mit diesem Freund: Auf ihn ist Verlass - unbedingt.

Tatsächlich? Wie kann ich denn einfach davon ausgehen, dass sich Gott um mich, Mensch, kümmert? Wie kann ich annehmen, dass er meine Nöte teilt - wie ein guter Freund? Zähle ich da mit den Sorgen und Fragen meiner kleinen Welt? Ist das nicht etwas zu naiv gedacht? Kann man das so sagen?

Genau so ist das, sagt Jesus hier. So wie dieser Freund mitten in der Nacht aufsteht, so wie dieser Freund keine Mühe scheut, so ist Gott für uns: Nicht ganz weit weg, nicht unberührt von unserem Leben, sondern einer, der unsere Bitten und Fragen hört.

Kann man das so sagen? Wenn es einer sagen kann, dann Jesus. In ihm begegnet uns Gott. In ihm macht er unsere Not zu seiner Not. Und: Durch ihn können wir in dieser Vertrautheit beten. Mit ihm können wir Gott unseren Vater nennen.

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund..." Zuletzt: Wer einen Freund hat, der weiß, dass er Hilfe bekommt. So wie in dieser Geschichte:

Mitten in der Nacht steht da einer vor dem Haus seines Freundes. Die Tür öffnet sich, obwohl es mitten in der Nacht ist, obwohl das die Nachtruhe im Haus stört. Der Freund gibt ihm, was er braucht, um den unerwarteten Gast zu bewirten. Er rettet ihn aus seiner Verlegenheit. Auf diesen Freund ist Verlass. Er würde das letzte Hemd geben, wie man sagt.

„Stellt euch vor, ihr habt einen Freund..." Jesus erzählt diese Geschichte so, dass wir uns in einer Beziehung wieder finden. Aber nicht in irgendeiner Beziehung, sondern in unserer Beziehung zu Gott: Gott gibt - wie dieser Freund. Er gibt uns, worum wir bitten. Er gibt, was wir brauchen.

Tatsächlich? Auch da liegt ja eine Schwierigkeit, wenn es um das Beten geht. Gibt uns Gott, worum wir bitten? Genauer: Gibt er uns alles, worum wir bitten? Manchmal machen wir andere Erfahrungen. Und diese Erfahrungen machen uns das Beten schwer. Dennoch beten, dennoch an Gott festhalten - das kann mir nur gelingen, wenn es trotz dieser Erfahrungen gilt: Gott will mir helfen, auch wenn ich ihn nicht verstehe, auch wenn ich mich fragen: Warum so und nicht anders?

Es bleibt dabei: Auf Gott ist Verlass. Er hilft uns. Gott gibt uns - manchmal anderes als das, was wir uns wünschen. Aber niemals so, dass es schlecht für uns ist. Gott gibt uns - manchmal etwas anderes, als wir bitten. Aber immer so, dass es gut für uns ist. Ein anderes Bild rückt am Ende der Geschichte in den Vordergrund: „Wer von euch gibt seinem Sohn, wenn der ihn, den Vater, um einen Fisch bittet, statt des Fisches eine Schlange, oder wer gibt, wenn er ihn um ein Ei bittet, einen Skorpion?" Und auch hier lautet die Antwort: Keiner! Kein Vater gibt seinem Kind eine Schlange statt eines Fisches. Und wenn das bei einem Vater so ist, dann erst recht bei Gott, bei unserem Vater im Himmel!

„Lehre uns beten." Das war die Bitte der Jünger. Jesus sagt ihnen, wie sie beten können. Er ermutigt sie dazu - und uns auch. Diese Geschichte, mit der Jesus zum Beten ermutigt, zeigt mir: Beten - da geschieht etwas zwischen uns und Gott. Im Gebet wächst Vertrauen: Gott ist wie dieser Freund, der mitten in der Nacht seine Hilfe nicht versagt. Ihm kann ich mich in meiner Not anvertrauen. Auf ihn ist Verlass. Und - er gibt uns, was wir brauchen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.



Pfr. Dr. Georg Freuling
Lahr
E-Mail: Georg.Freuling@web.de

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