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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Himmelfahrt, 02.06.2011

Predigt zu Lukas 24:13-35, verfasst von Peter Huschke

 

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn, Jesus Christus!

Liebe CVJM-Festgemeinde, liebe Gäste aus Eskilstuna!

Heute feiern wir Christi Himmelfahrt. Für uns moderne Menschen ist nur schwer zu verstehen, was es denn da zu feiern gibt. Wenn ich ehrlich bin: Wenig hilfreiche Vorstellungen tauchen da bei mir auf - spätestens seit der Zeit der Mondfahrer. Was soll da zu feiern sein?

Für die Menschen zur Zeit der Entstehung der Evangelien hatte Himmelfahrt eine allgemein anerkannte Bedeutung. Sie wussten, was an Jesu Christi Himmelfahrt zu feiern ist.

Ein römischer Kaiser, von dem erzählt wurde, dass er in den Himmel aufgefahren ist, wurde ab sofort im ganzen römischen Reich „bis ans Ende der Welt" verehrt. Er war selber Gott. Zu einem in den Himmel aufgefahrenen Kaiser konnte man jederzeit beten. Er war immer in den Sorgen des Alltags für einen da „bis an das Ende der Welt". Das konnte man wegen der Himmelfahrt des betreffenden Kaisers feiern.

Tja und deswegen erzählt Lukas von der Himmelfahrt Jesu. Mit der Himmelfahrtsgeschichte Jesu stellt Lukas sein Bekenntnis gegen die Staatsreligion: Jesus Christus ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende. Jesus Christus ist Gott. Jesus Christus, unser Herr, bleibt bei uns heute, morgen und alle Tage bis hinein in seine Zukunft für uns.

Die Freude darüber und die Zuversicht darauf hat Lukas für die Menschen seiner Zeit mit der Himmelfahrtserzählung anschaulich zum Ausdruck gebracht. Das gilt es bis heute zu feiern.

Mir, liebe Festgemeinde liegt die biblische Geschichte, die wir eben gehört und gesehen haben, die Janet Brooks-Gerloff auf dem Bild „Unterwegs nach Emmaus" darstellt, freilich näher, um mir klar zu machen, was es bedeutet, dass Jesus der Herr bei uns bleibt.

Lukas erzählt seinen Lesern die Geschichte so, dass er nur einen der Jünger mit Namen nennt, Kleopas. Der andere Jünger bleibt namenlos. Der andere Jünger kann jede und jeder der Lesenden, kann jeder und jede von uns sein. Namen spielen keine Rolle, wenn Gott bei uns bleibt und für uns da ist. Wir können uns in eine der beiden Gestalten hineindenken. Jesus als unser Begleiter bleibt ganz offen für uns. Sie können sich die Szene also mit sich selber vorstellen. Die Szene kann sich ebenso hier in Stierhöfstetten, im Hof des CVJM in Erlangen oder in Eskilstuna abspielen:

Liebe Festgemeinde, ganz besonders prägt mich in meinem Glauben die Anfangsszene der Erzählung von den Emmausjüngern:

Jesus begleitet Menschen, die ihre Fragen umtreiben, die miteinander im Gespräch sind, die sich ehrlich ihre Ratlosigkeit eingestehen und eigentlich nicht weiter wissen. Sie sind ganz mit sich selber beschäftigt und können nicht mehr rechts und nicht mehr links schauen. Die Emmausjünger sind fassungslos über Jesu Tod. Ihr ganzes Gottvertrauen steht auf dem Spiel. Sie verstehen Gott und die Welt nicht mehr.

Das habe ich bisher auch als die schwierigsten Situationen meines Lebens erlebt: Es ist etwas passiert. Ich habe etwas falsch gemacht. Mir oder einem mir lieben Menschen ist etwas zugestoßen, wofür keiner etwas kann. Mir selber oder einem mir lieben Menschen wurde von anderen etwas angetan. Ich werde mit dem Tod eines Menschen einfach nicht fertig. Mir geht es wie den Emmausjüngern: Ich bin ratlos und ziellos auf dem Weg. Mein ganzes Gottvertrauen steht auf dem Spiel. Ich verstehe Gott und die Welt nicht mehr.

Aber Gott bleibt bei den Emmausjüngern und ist weiter für sie da. Er schenkt ihnen seine Nähe, ohne dass sie ihn überhaupt wahrnehmen, wie Janet Brooks-Gerloff es so treffend darstellt. Die Emmausjünger erleben Gottes Nähe durch einen ihnen gänzlich fremden, unscheinbaren Menschen, der mit ihnen redet. So kann das also aussehen, wenn Jesus unsere Bitte erfüllt: „Herr, bleibe bei uns!"

Ein ganz fremder oder auch ein vertrauter Mensch begleitet uns. Vielleicht spüren wir Gottes Nähe auch nicht einmal durch einen Menschen, sondern durch ein Musikstück, einen Text, ein Bild, einen Gedanken, eine Erinnerung oder noch ganz anders.

Jesus nutzt für die Emmausjünger die Heilige Schrift, die Bibel. Er nutzt die Feier des Mahles. Zwei Möglichkeiten, die ihm auch für uns offen stehen, um bei uns zu bleiben und für uns da zu sein. Wir können uns einladen lassen, in der Bibel zu lesen, wie das die MASCHler eben für uns getan haben. Wir können uns an seinen Tisch allein oder zusammen mit anderen, in der Gemeinde, im CVJM oder zu Hause einladen lassen und sein Mahl mit ihm feiern, wie wir das nun anschließend tun werden.

Jesus hat sicher wie für die Emmausjünger auch für uns noch andere Möglichkeiten, an die wir jetzt so wenig wie die Emmausjünger damals denken, um unsere Bitte zu erfüllen: „Herr, bleibe bei uns!"

Ansatzweise haben viele von uns das wohl schon erlebt - in der Kindheit, in der Jugend, als Erwachsene und auch im Alter: Ich habe gar nicht mit Gott, mit Jesus gerechnet. Und plötzlich habe ich gemerkt: Meine Bitte ist erfüllt: „Herr, bleibe bei uns!"

 

Und das ist das Zweite, was mir die Erzählung von den Emmausjüngern so wertvoll macht:

Wenn ich diese Nähe zu Gott nur dunkel erahne und sie noch gar nicht erfasse, dann mache ich instinktiv dank Gottes Hilfe das Richtige, ohne dass für mich selber Gott schon auf dem Plan ist: Das traut mir Gott zu wie den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus: Die beiden Jünger quetschen Jesus aus wie eine Zitrone. Sie wollen ihr Bild von Jesus füllen. Sie fragen ihm ein Loch in den Bauch. Ganz ehrlich sind sie mit ihren Zweifeln. Sie geben nicht mehr nach. Sie schützen keine falsche Sicherheit oder Klugheit vor. Sie suchen weiter und bitten den ihnen immer noch Fremden mit an ihren Tisch.

„Herr, bleibe bei uns!" erfüllt sich also für uns da, wo wir ehrlich suchen, wo wir uns nicht an falschen Wahrheiten festklammern oder Lebenslügen gegenüber anderen aufrechterhalten. Das ist bereits Teil der Nähe zu Gott, Teil des Glaubens, alle Fragen und Zweifel ehrlich auszusprechen, sich selber und anderen nichts mehr vorzumachen. Da wird sich mit Gottes Hilfe etwas tun. Da kann unsere Bitte für uns erfüllt werden: „Herr, bleibe bei uns!"

Und das ist das Dritte, was an der Geschichte der Jünger von Emmaus für mich so wichtig ist.

„Herr, bleibe bei uns!" Diese Bitte wird immer wieder punktuell im Leben von uns Menschen erfüllt. Plötzlich brennt mein Herz und es fällt mir wie Schuppen von den Augen: Ich erkenne, dass Jesus doch bei mir geblieben ist und für mich da ist. Er bleibt bei uns.

Mir fallen Erlebnisse in meinem Leben ein. Erlebnisse mit meinen Eltern, wo ich so richtig glücklich war oder wo wir uns nach schlimmem Streit wieder zusammengerauft haben. Mir fallen Erlebnisse mit meiner Frau ein. Mir fällt die Geburt unserer Kinder ein. Mir fällt ein, wie ich völlig unverdientermaßen Glück hatte oder wo mir etwas sagenhaft gut gelungen ist. Plötzlich werden für mich diese Situationen durchsichtig dafür, dass Jesus genau da bei mir geblieben ist und für mich da war - obwohl er mir so recht gar nicht aufgefallen ist. Er ist bei mir geblieben.

Mir geht es dann also wie den Jüngern von Emmaus, Brannte nicht seine Liebe in unseren Herzen? Spürten wir nicht neu das Leben?

Plötzlich war den Emmausjüngern alles klar. So ist das, wenn Jesus unsere Bitte erfüllt: „Herr, bleibe bei uns!"

Liebe Gemeinde, nun wäre es wunderschön, wenn die Erzählung von den Emmausjüngern in dieser Klarheit enden könnte. In dieser Klarheit würde ich so gerne leben und glauben. Ich würde Jesus so gerne auf diesem Bild ausmalen und festlegen, wie er ist und wer er ist.

Aber die beiden Jünger machen sich auf den Weg zurück in ihren Alltag. Ihr Weg führt zurück zu den anderen Anhängern Jesu. An das Lukasevangelium schließt sich die Apostelgeschichte an, die Geschichte der Christinnen und Christen nach Ostern mit ihren vielen Höhen und Tiefen. Im Bild von Janet Brooks-Gerloff gesprochen: Jesus wird immer wieder Mensch und Gottes Sohn vor dem Hintergrund unseres sich ändernden Alltags. Wir bleiben an seiner Seite, wie sehr wir uns auch ändern. Jesus bleibt bei uns und zeigt uns jeden Tag neu, wie er ist und wer er ist.

Das ist das Letzte, was mir die Emmausgeschichte so wertvoll sein lässt:

Bewähren muss und wird sich alle durch Jesus erfahrene Klarheit und das Brennen des Herzen im ganz normalen Alltag. Jesus bewährt sich für Menschen, die ihre Fragen umtreiben, die miteinander im Gespräch sind, die sich ehrlich ihre Ratlosigkeit eingestehen und eigentlich nicht weiter wissen. Jesus geht mit, ohne dass wir ihn auch nur erahnen, wenn Menschen fassungslos sind über den Tod eines lieben Menschen oder über ein unverständliches Ereignis in der Welt, wenn ihr ganzes Gottvertrauen auf dem Spiel steht und wenn sie Gott und die Welt nicht mehr verstehen. Da erfüllt er die Bitte: „Herr, bleibe bei uns in Stierhöfstetten, in Eskilstuna und in Erlangen!"

Und der Friede Gottes kommt über uns und bleibt bei uns an diesem Himmelfahrtsfest und alle Tage unseres Lebens bis ans Ende der Welt Ende.

Amen



Dekan Peter Huschke
91054 Erlangen
E-Mail: peter.huschke@elkb.de

Bemerkung:
Predigt zum Thema „Herr bleibe bei uns“
mit dem Bild von Janet Brooks-Gerloff, „Unterwegs nach Emmaus“


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