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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 17.06.2007

Predigt zu Lukas 14:16-24, verfasst von Hanne Drejer

(Text der dänischen Perikopenordnung)

 

So sehr mit allem Möglichen beschäftigt sein, dass wir nie Zeit für das Wesentliche haben - das ist offenbar etwas, was nicht nur unsere Zeit kennt, denn das ist es doch, wovon dieses Gleichnis handelt. "Kommt, denn es ist alles bereit zum Fest - aber sie fingen alle nacheinander an, sich zu entschuldigen!"

             Denn sie waren - wie wir gesehen haben - so sehr mit allem Möglichen beschäftigt, so dass wir keine Zeit für das Wesentliche haben!

             Aber das Fest muss stattfinden, mit oder ohne uns. Denn das Reich Gottes ist ein schönes Fest mit gedeckten Tischen, zu denen Gott einlädt. Aber als die, die zuerst zum Fest eingeladen worden waren, sich entschuldigen lassen und nicht kommen, werden dafür ganz andere Leute eingeladen. Denn das Fest muss stattfinden, es wird nicht abgesagt, nur weil wir nicht dabei sein wollen.

             So geht es bei Gott und im Reich Gottes zu, erzählt Jesus.

            

Es ist also mit dem Reich Gottes, wie es unter Menschen ist: wenn wir uns entschuldigen und einem Fest fernbleiben, ja, dann verpassen wir das Fest, es wird nicht unseretwegen verschoben.

             Und so ist es ja auch, wenn es nicht ein Fest ist, worum es geht. So ist es auch an jedem einzelnen Tag, wenn wir zu einer Einladung und Aufforderung, uns über das Leben zu freuen, danke nein sagen:

             "Beeilt euch und kommt her - seht, die Schwalben bauen ihr Nest in der Garage, rufen die Kinder! Ja, ja, ich habe es gesehen - aber ich habe also gerade keine Zeit, antworten wir. Und dann finden die Kinder andere, mit denen sie das Erlebnis teilen können, und wir haben die Freude mit ihnen verpasst.

             Oder: Ach, welch schöner Abend, kommt, lasst uns spazieren gehen und das schöne Wetter genießen! Ja, das wäre schön, aber ich muss also erst hiermit fertig werden, vielleicht können wir stattdessen morgen Abend gehen? Und am nächsten Abend regnet es, nicht wahr!

             So können wir so beschäftigt sein, dass wir das Wesentliche verpassen! So ist es mit dem Reich Gottes, und so ist es jeden lieben Tag.

 

Gott lädt alle mit ein in sein Reich, wie Jesus es heute sagt.

             Alle sind eingeladen.

             So sagt es hier das Gleichnis von dem großen Abendmahl: wenn es um das Reich Gottes geht, kann nichts Äußerliches den Menschen daran hindern, hinein zu kommen. Das einzige Hindernis ist der Mensch selbst.

             In dem Gleichnis sind es das Feld, und die Ochsen und der Ehepartner, die als Enschuldigung benutzt werden, aber es ist ja nicht die Arbeit, die sie in Wirklichkeit daran hindert, zum Fest zu kommen. Sie haben überhaupt keine Lust zu kommen, und sie brauchen die Arbeit nur als Vorwand, nicht zu kommen. Sie sind nicht wirklich verhindert, sondern sie wollen im Grunde nicht kommen und finden deshalb einen Entschuldigung. Und deshalb wird der Hausherr selbstverständlich böse.

             Wie ich ja auch enttäuscht und böse würde, wenn ich zu einem Fest einlüde, und die Gäste würden absagen, weil sie ins Kino gehen wollten. Denn das ist ja kein wirkliches Hindernis; oder sie würden nur sagen, dass sie lieber was anderes wollen als mich besuchen. Dann würde ich sie sicherlich nicht wieder einladen.

             Also, wenn es um das Reich Gottes geht, kann uns nichts von außen daran hindern, zu dem Fest zu kommen. Gottes Einladung gilt für alle. Das einzige Hindernis sind wir selbst. Denn Gottes Einladung - oder Gottes Evangelium, so könnte man die Einladung auch übersetzen - gilt für alle ohne Ausnahme. Gott lädt uns ein, wie seine Kinder zu leben, und wenn so alle eingeladen sind, gibt es auch kein Hindernis. Das einzige Hindernis wäre, wenn wir nicht eingeladen wären. Aber das sind wir, denn Gott hat durch Jesus alle eingeladen. Jesus ist Gottes Einladung an einen jeden. Mit ihm sind deshalb alle Hindernisse beiseite geräumt, alles, was zwischen uns und Gott eine Sperre sein könnte, ist weg.

             Wenn ich also die Einladung nicht annehme, dann liegt das ausschließlich an mir selbst. Meine ich zum Beispiel, dass mich mein Verstand daran hindert, an Gott zu glauben, ist das auch nicht richtig. Nicht der Verstand hindert mich am Glauben, sondern eine Entschuldigung, die ich benutze, um nicht zu glauben. Und dann gebrauche ich im Übrigen den Verstand zu etwas, wozu er nicht gemacht ist. Mit unserem Kopf und Verstand ist nichts verkehrt, wenn wir sie bloß recht gebrauchen. Verstand und Wissen können wir im Leben nicht entbehren, aber wir können natürlich auch nicht etwas entbehren, woran wir glauben können. Und ist es nicht Gott und Jesus, an die wir glauben, dann finden wir etwas anderes, woran wir glauben. Denn an irgendetwas glauben wir immer. Ja, aber meine Sünde, hindert sie mich nicht daran, in das Reich Gottes zu gelangen? Wenn ich also sage: ich bin nicht gut genug - ist das dann nicht richtig? Doch, das ist es tatsächlich, denn kein Mensch ist gut genug. Gott lädt aber dennoch ein, und deshalb ist es kein Hindernis, dass ich im Grunde nicht gut genug bin. Und was bilde ich mir im Grunde ein, zu sagen, ich sei nicht gut genug, wenn Gott mich nun einmal eingeladen hat?

 

Das war es ja, was die zuletzt Eingeladenen im Gleichnis sagten, - die Armen, Blinden und Lahmen, die auf den Landstaßen und an den Zäunen, die niemand schätzte, sie mochten ja wohl mit Recht fühlen, dass sie nicht gut genug wären. Sie musste man deshalb daran erinnern: wenn sie eingeladen waren, dann waren sie eben auch eingeladen. Das war ganz in Ordnung.

             Während es gerade umgekehrt war mit denen, die zuerst eingeladen worden waren. Ihr Problem war ja keineswegs, dass sie sich nicht gut genug fühlten. Ganz im Gegenteil, sie fühlten sich eher zu gut, um überhaupt zu kommen. Sie hatten Wichtigeres vor. Und deshalb bekamen sie keine Einladungen mehr.

             Und was können wir nun daraus lernen? Ja, teils wird uns doch in Erinnerung gerufen, dass wir in Wirklichkeit eine ganze Menge verpassen, wenn wir nie das, womit wir gerade befasst sind, zur Seite legen und die sich bietenden Erlebnisse genießen können. Wir können lernen, dass wir aufhören, immerzu so mit allem Möglichen beschäftigt zu sein, dass wir nie Zeit für das Wesentliche haben. Aber das ist bekanntlich sehr viel leichter gesagt als getan.

             Aber es ist dafür auch nicht die einzige Pointe in dem Gleichnis. Kommt, denn es ist alles bereit - heißt die Einladung an uns. Aber sie ließen sich alle nacheinander entschuldigen.

             Das Reich Gottes wirkt offenbar weder anziehend noch verlockend auf uns. Wir haben andere Bedürfnisse. Das Reich Gottes bietet uns offenbar nicht das, was wir gern haben möchten - das Reich Gottes ist nicht das, was wir in unserem Leben für wichtig halten. Denn sie entschuldigten sich alle nacheinander. Denn der eine hatte gerade geheiratet, und zwei andere hatten wichtige Arbeit zu machen. Ja, sind denn Familie und Arbeit nicht auch das Wichtigste, wenn ich fragen darf? Familie und Arbeit sind das nicht die beiden Dinge, deren sich ein Mensch vor allem annehmen muss, - leben wir nicht davon - menschlich und wirtschaftlich?

             Mit anderen Worten: haben sie nicht eigentlich ganz verständliche Ausreden? Es kann ja nicht die Rede davon sein, dass diese Menschen faul wären oder über die Stränge schlügen oder irgendwie unmoralisch wären. Ihre Entschuldigungen, nicht zum Fest zu kommen, sind anständige, ordentliche Entschuldigungen - sie haben ihre Familie und ihre Arbeit.

             Was soll denn daran verkehrt sein?

             Es ist genau dasselbe verkehrt daran, Gottes Einladung auszuschlagen, wie wenn wir nein sagen zu den kleinen Einladungen des Alltags, an den Freuden des Lebens teilzunehmen: Wir meinen immer, es gebe etwas Wichtigeres - wir sind so beschäftigt, dass wir nie Zeit für das Wesentliche haben.

             Diese Menschen finden nicht, dass sie Zeit haben, am Fest des Lebens teilzunehmen - keine Zeit, um dort zu sein, wo Gott ist, wegen der Familie und wegen der Arbeit. Und also können sie nicht sehen, dass ihr Alltag mit Familie und Arbeit irgendetwas mit Gott zu tun hat.

             Und damit sind wir mitten in dem Problem gelandet, das wir haben, sowohl als Kirche wie auch als Menschen - dass es uns schwer fällt, das Himmlische und das Irdische miteinander zu vereinen. Das Himmlische und das Irdische sind nach unserer Auffassung zwei verschiedene Welten, die nur dann etwas miteinander zu tun haben, wenn wir die Wahl treffen, dass das Irdische und das Himmlische einander prägen sollen. Denn eines ist unser Alltag - etwas ganz Anderes ist die Sache mit Gott, finden wir. Und die Pflichten des Alltags haben wir auszuführen, und für Gott muss dann ein andermal Zeit sein.

             Unglücklicherweise für uns selbst hängen Erde und Himmel nicht zusammen, sondern sie sind zwei verschiedene Bereiche. Für den Alltag sorgen wir alle Tage - für Gott interessieren wir uns, wenn wir Zeit dazu haben. Vielleicht nicht aus Mangel an Lust und Interesse, aber aus Mangel an Zeit. Und uns ist gar nicht klar, dass das Himmlische und das Irdische in dem Maße miteinander zusammenhängen, dass sie nicht voneinander zu trennen sind.

             Aber Gott und der Sinn des Lebens sind nicht etwas, wofür wir uns hin und wieder Zeit nehmen, um uns dafür zu interessieren, denn unsere Auffassung vom Leben, unser Glaube oder Mangel an Glauben haben mit allem zu tun, was wir uns vornehmen - wie sollte es auch anders ein?

             Wir bilden uns ein, dass wir in zwei Welten leben, im erdnahen Alltag voller Anforderungen und dann auch in der geistigen Welt, die wir nach Belieben hinzunehmen oder links liegen lassen können. Aber die Wahrheit ist doch, dass keiner von uns ohne Glauben lebt.

             Wie schon Martin Luther im 16. Jahrhundert gesagt hat: Woran dein Herz hängt, das ist dein Gott! Also, das was dich am allermeisten beschäftigt, das, was du am allerwichtigsten findest, das, was du für dich für absolut unerlässlich hältst, - das ist dein Gott.

             Und der Glaube, ganz gleich woran wir glauben, durchwebt selbstverständlich unsern Alltag und die Art und Weise, wie wir leben, denken und handeln. Weil wir das, woran wir glauben, an die höchste Stelle setzen und danach Prioritäten bestimmen.

             Und genau wie zur Zeit, als Jesus dieses Gleichnis erzählte, pflegt es fast immer so zu sein, dass wir uns selbst und unser Eigenes an die höchste Stelle setzen.

             Und wäre Gott nicht der, der er ist, dann wäre die Geschichte hier zu Ende, und es könnte nie ein Fest im Reich Gottes geben. Es hätte damit geendet, dass Gott und Mensch sich unversöhnlich gegenüberstünden.

             Aber Gott lässt die Geschichte nicht an dieser Stelle enden, in unserer selbstbezogenen Verlorenheit. Das Haus ist voller Gäste. Denn Gott fährt fort einzuladen - aus Liebe.

             Gott fährt deshalb fort, uns zum Fest einzuladen - und ob wir es nun wollen oder nicht oder nur notgedrungen mitgehen, weil wir eingesehen haben, dass wir ohne Gottes Vergebung und Barmherzigkeit nicht leben können, so ergeht die Einladung fortgesetzt an alle - an uns, die mit Familie und Arbeit beschäftigt sind - an uns, wenn wir krank und hilflos sind - an uns, wenn wir uns so weit verrannt haben, dass niemand mehr mit uns zusammensein will - die Einladung ergeht fortgesetzt, um uns zu sagen, dass Gott unser himmlischer Vater ist, der nie vergisst, dass er uns geschaffen hat - und dass im Reich Gottes am festlichen Tisch Platz für alle ist.

Die Frage ist nur, ob wir Zeit und Lust haben. Amen



Pastorin Hanne Drejer
Asperup (Dänemark)
E-Mail: hdr@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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