Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 03.07.2011

Predigt zu Lukas 14:16-24, verfasst von Leise Christensen

Manchmal, wenn bei uns zu Hause im Pfarrhaus das Telefon klingelt, ist eine Mutter (und es ist immer eine Mutter) am Apparat, die gern wissen möchte, wann in einer unserer zwei Kirchen Konfirmation ist. Und es ist nicht so, dass sie etwa fragen würde, ob das in einem oder zwei Monaten ist, nein, sie fragt, wann im Jahre 2016 Konfirmation ist! Denn Konfirmation ist ein großer Tag, und da soll ein großes Fest gefeiert werden, und die Leute sollen am liebsten schon frühzeitig den Termin wissen, so dass auch alle in der Familie kommen können.

Die Gäste sind ja eine wichtige Sache. Sie sollen am liebsten kommen können und wollen. Denn auch wenn die Konfirmation sozusagen unabhängig von dem Fest ist, das danach gefeiert wird, so ist es doch so, dass wir besondere Tage mit einem großen Fest begehen, und das Fest selbst kann dann je nach Familie verschieden sein.

Eines aber ist allen Festen gemeinsam: nämlich dass dabei gegessen wird. Wir erinnern uns nämlich mit unserem Magen. Massenweise werden Speisen zubereitet, es wird angerichtet und serviert, man genießt, was geboten wird, und wir essen und feiern.

Es ist klar, dass gemeinsame Mahlzeiten für die menschliche Gemeinschaft wichtig sind. Die Mahlzeit und das Zusammensein um den Tisch hat mancherlei Bedeutungen, deren wir uns nicht immer bewusst sind, weil das gemeinsame Essen ein so gewöhnliches und alltägliches Ereignis ist. Aber es geht doch um viel mehr als sich hinsetzen und sich satt essen.

Es geht um Nähe, um Beisammensein und um Dialog. Mahlzeit und Gemeinschaft gehören zusammen. Hier erörtern wir das Geschehen des Tages, und wir denken zusammen über die Dinge nach, wir hören von der Arbeit oder vielleicht von Arbeitslosigkeit, von Nachbarn, Kollegen, Schule, Ärger und Freuden. Vielleicht wählen wir deshalb so sorgfältig aus, mit wem wir gemeinsam essen wollen - wen wir zu uns einladen und wen nicht. Wenn wir Menschen zum Essen einladen, wollen wir ja nicht einfach nur dasitzen und essen. Es geht auch darum, dass man schon bei der Einladung sagt: Wir wollen euch gern (bei uns) sehen und mit euch reden und etwas mit euch zu tun haben und euch besser kennen lernen.

Auf diese Weise kann man sagen, dass die Mahlzeit selbst fast am wenigsten bedeutet, wenn man um einen Tisch zusammensitzt. Aber so gesehen hat das Zusammensein doch auch eine Kehrseite. Denn es gibt auch Menschen, die wir nicht einladen wollen, weil sie nicht in unser Haus und in unsere Familie passen, es gibt Menschen, die nie erleben, dass sie zu irgendwas eingeladen werden - zu Weihnachten, Geburtstagen, Konfirmationen usw. Manche Menschen zählen in unserer Achtung so wenig, dass uns der bloße Gedanke daran, sie zu uns zu Tisch bitten, scheußlich vorkommt. Und es gibt wohl kaum einen Ort, wo man sich so einsam fühlen kann wie an einem reich gedeckten Tisch, der sich unter Speisen, Kerzen und Blumen biegt, wo man aber fühlt, dass man keinen Teil an diesem Zusammenhang hat, man ist nicht an dem Gespräch beteiligt, man empfindet sich mit anderen Worten als Außenstehender.

Und bei Tische wird auch Streit und Spannung in höchstem Maße sichtbar, und wohl kaum jemand hat noch nicht erlebt, wie Spannungen in der Familie gerade an einem festlich gedeckten Tisch lichterloh zu brennen anfangen.

Eine Festmahlzeit kann also ein zweischneidiges Schwert sein, wo Nähe und Dialog blühen und wo Einsamkeit und Kontaktarmut ans Licht kommen können. Wenn man Teil an der Gemeinschaft hat, ist sie gut und vertraulich, steht man aber draußen, kann sie geradezu zersetzend und manchmal sogar boshaft sein.

Alle diese Aspekte von Mahlzeiten müssen wir im Kopf haben, wenn wir den Text von heute über das große Abendmahl hören. Jesus erzählt dies Gleichnis, während er zu Tisch sitzt, und zwar nicht mit jedermann. Er saß tatsächlich mit den Spitzen der Gesellschaft zusammen, mit den bedeutenden Menschen, mit denen zu Tisch geladen zu werden so manche Person geringeren Ranges, wie etwa Mrs. Hyacinth Bucket, ihr Leben gegeben hätte. Jedenfalls waren das Menschen, die bestimmt nicht die Kranken und Unangepassten eingeladen hätten, die weniger Schönen oder die Prostituierten, denn solche Menschen passten nicht in ihre Vorstellungen von guter Gesellschaft.

Jesus aß also an jenem Abend in der guten Gesellschaft. Aber das bedeutet doch noch nicht, dass es in Wirklichkeit gute Gesellschaft war, in der er aß, denn er gerät während des Essens in eine Diskussion mit diesen Pharisäern, den führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft, und erzählt ihnen das Gleichnis, das den heutigen Text ausmacht. Er erzählt von einem Mann, von einem reichen Mann, der zu einem Fest lädt. Man schlachtet, kocht, brät und backt, damit alle einen wunderbaren Tag in festlicher Gemeinschaft erleben können.

Aber, aber, aber! Die Leute haben gerade jetzt keine Zeit. Sie sind nicht unhöflich, sie haben bloß etwas anderes vor. Etwas Wichtigeres, einer hat eine neue Frau, ein anderer einen neuen Acker, eine neue Kuh, neue wichtige Angelegenheiten. Der Gastgeber wird nach und nach, nicht ganz unverständlich, sauer. Aber das Fest will er haben, und deshalb schickt der seine Knechte noch einmal aus, um Gäste einzuladen, diesmal aber bekommen alle die Einladung, auch die Kranken, Verkrüppelten und Behinderten. Sie haben keinen neuen Acker, keine neue Kuh, keine neue Frau, ja, die meisten von ihnen haben wohl nicht einmal eine alte.

Die Knechte gehen hinaus und laden ein. Und man kommt. Aber da ist noch Platz, und massenweise Essen, und immer noch ein großes Fest. Der reiche Mann schickt seine Leute also noch einmal aus, um Menschen von der Straße zu holen. Die Ausgestoßenen, die Armen, die Obdachlosen. Die, die nichts ihr eigen nennen können. Denn der reiche Mann will sein Haus füllen. Auch wenn die anderen feinen Leute, die er eingeladen hatte, nicht kommen konnten. Das Fest soll stattfinden... Und es soll aufgegessen werden.

Gut ist die Geschichte, aber es ist nicht nur eine Geschichte, es ist ein Gleichnis, das der Wirklichkeit gleicht, unserer Wirklichkeit. Wir können uns vielleicht daran ergötzen, dass die Pharisäer hier einen ordentlichen Rüffel bekamen, noch einmal, um sie ging es ja. Sie saßen um den Tisch und wollten nur mit der guten Gesellschaft zusammen sein und hatten keinerlei Ehrgeiz, in guter Gesellschaft mit den Blinden, den Kranken, den Unreinen, den Armen zu sein.

Aber allzu sehr sollen wir uns nicht ergötzen. Ist es nicht so, dass auch wir die Leute in „die da oben" und „die da unten" und sogar die ganz unten einteilen? Das Gleichnis ist eine harte Kritik der ganz gewöhnlichen und menschlichen Angewohnheit, die Menschen danach einzuteilen, was sie wert sind, und zwar begleitet von einer unausgesetzten Einschätzung der Menschen.

Das Gleichnis ist eine harte Kritik, weil es an dem festhält, was wir so leicht vergessen können, nämlich dass Leben und Würde eines Menschen nicht davon abhängen, was einer kann, besitzt oder will. Sondern die Würde und der Respekt, die einem jeden Menschen zusteht, ist eine Würde, die dadurch geschenkt ist, dass alle Menschen das Leben von Gott geschenkt bekommen haben. Im Gleichnis sind die zum Festessen Eingeladenen alle diejenigen, die sich nach der menschlichen Einschätzung nicht dafür verdient gemacht haben.

Im Gleichnis gleicht der Wirt, der einlädt, Gott, das Fest - ja, das ist die Ewigkeit, es ist das Reich Gottes, die geladenen Gäste sind wir. Werden wir kommen? Oder sind auch wir allzu beschäftigt mit anderen Dingen?

Das Reich Gottes, von dem Jesus in seinen Gleichnissen so oft spricht, ist Ort der Freude und des Festes. Kein Ort irgendwo in der Ferne, an den wir einmal gelangen werden, vielleicht erst nach unserem Tod, sondern das Reich Gottes ist das wirkliche Leben, das eigentliche Leben, dort wo Menschen einander begegnen und einander in magischen Sekunden verstehen, einander lieben und in einem jeden den Menschen sehen ohne die unablässig einschätzenden Blicke.

Wir kennen das in kurzen Augenblicken, dort wo das Zusammensein, der Dialog glückt, und wo wir verstehen, was das Reich Gottes ist. Das Evangelium des heutigen Textes ist, dass das Leben, das gute, freudige, verstehende Leben, in Christus zu uns gekommen ist: Das Reich Gottes ist mitten unter euch, sagt er. Genau jetzt, heute beginnt das ewige Leben. Glaubt nicht, dass es sich aufschieben lässt und später greifbar wird.

Nein, das Leben verlangt, dass wir es ergreifen, solange es da ist. Vergiß für eine Zeit die Sache mit der neuen Frau, der neuen Kuh und dem neuen Acker, und ergreif die Möglichkeit, mit dem HERRN zu Tisch zu sitzen. Nimm dir von Gottes Güte, Liebe und Gnade. Alle sind mit eingeladen, alle haben die Einladung bekommen, komm und sei mit dabei, vergiss die feine Gesellschaft und freue dich stattdessen in guter Gesellschaft mit Gott selbst. So wird es auch sein, wenn die Ewigkeit eines Tages anbricht!

Amen



Lektor, ph.d. Leise Christensen
DK-6240 Løgumkloster

E-Mail: lec@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier



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