Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 03.07.2011

Predigt zu Matthäus 22:1-14, verfasst von Uwe Vetter

 

 

Wie werde ich Christ ?

Der Wedding Planner

Matthäus Evg 22 : 1-14

Und Jesus sprach ... wieder in Gleichnissen zu ihnen und sagte :

      >Das Himmelreich ist einem König ähnlich, der für seinen Sohn eine Hochzeitsfeier veranstaltete. Und er sandte seine Diener, um die (vor Wochen) Eingeladenen (nun) zur Hochzeitsfeier zu rufen - aber sie wollten nicht kommen ! Wiederum sandte er andere Diener und sprach: „Sagt den Geladenen: ´Siehe, mein Essen habe ich fertig zubereitet, meine Stiere und das Mastvieh geschlachtet, und alles ist bereit ! Kommt zum Hochzeitsfest !" Die aber kümmerten sich nicht darum und gingen weg, der eine auf seinen eigenen Acker, der andere zu seinem Geschäft. Die übrigen ergriffen seine Diener, misshandelten und töteten sie. Der König wurde zornig, ... (und) sagt seinem Diener : „Die Hochzeit ist bereit, aber die Eingeladenen waren nicht würdig. Geht nun bis ans Ende der Ausfallstraßen und ladet alle zum Hochzeitsfest ein, die ihr findet". Als jene Diener auf die Straßen hinausgegangen waren, sammelten sie alle, die sie fanden, Böse und Gute; und das Hochzeitsfest wurde voll von zu Tische Liegenden.

         Als der König hineinging, um die zu Tische Liegenden zu betrachten, sah er dort einen, der nicht mit einem Hochzeitsgewand bekleidet war. Und er sagt ihm: „Mein Lieber, wie bist du hier herein gekommen und hast kein Hochzeitsgewand (an)?" Der aber blieb stumm. Da sprach der König zu (seinen) Dienern : „Gebunden an Füßen und Händen werft ihn hinaus in die Finsternis draußen! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein". - Denn viele sind eingeladen, wenige jedoch auserwählt <.

 

Predigt Jesu Christi :

>Dreht euch um, es ist soweit,

das Gottesreich ist zum Greifen nah<

(nach MkEvg1:15)

Manche von uns hatten Glück. Sie sind von Klein auf mit christlichem Glauben aufgewachsen, und haben etwas davon gerettet durch alle Höhen und Tiefen hindurch, bis heut. Andre entdecken Gott erstals Erwachsene. Laufen in Ihn hinein, wie man seinem Ehepartner über den Weg gelaufen ist, unvorhergesehen, absichtslos und schwer von Kapee. Wie geht das, dieses Gott-Entdecken? fragten die Jünger ihren Meister. Was passiert, wenn man in Gott hineinläuft? Immer wieder haben die Jünger ihrem Rabbi zugesetzt: Erzähl´s doch noch mal! Und immer wieder hat Jesus sich drauf eingelassen und einen neuen Versuch gestartet. Und Jesus sprach wieder in Gleichnissen zu ihnen und sagte : Wenn man Gott entdeckt, ist es wie eine Hochzeit. Das Himmelreich, sagt er, ist einem König ähnlich, der für seinen Sohn eine Hochzeitsfeier veranstaltete.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen, sei das Selbstverständliche noch einmal erwähnt: die Jünger Jesu sind im jüdischen Glauben aufgewachsen und kennen Gott von Kindesbeinen an. Trotzdem markiert ihr Schritt in die Jesusbewegung noch einmal einen Beginn. Die Gottesreich-Bewegung der messianischen Juden spürte und rechnete mit einer Nähe Gottes und einer Intervention des Himmels, das längst nicht allen Frommen im Israel damals geheuer war. Die messianischen Gruppen hatten durchaus etwas Überdrehtes, Radikales und Endzeitbegeistertes, das nicht Halt machte an den Grenzen der Vernunft und der politischen Räson in einem von Römern besetzten Land. Entsprechend changieren die drei traditionellen Bedeutungsbereiche des Ausdrucks „Himmelreich" bzw. „Gottesreich". In den Predigten der Rabbiner und in der Verkündigung Jesu steht „Gottesreich" und „Reich der Himmel" für drei Aspekte einer einzigen Größe. Es ist eine Bezeichnung Gottes, um den heiligen Namen Gottes nicht unnötig im Munde zu führen. Es meint zugleich eine Raumgröße, also Bereiche, die Menschen prägen, die das „Joch der Thora" auf sich nehmen, Weisungen Gottes leben und so dem (Thora)Willen Gottes Raum verschaffen. Damit sind Gottesreich und Himmelreich drittens auch Beziehungsbilder, Illustration dessen, was wir Glauben nennen. Wer Gott vertraut, tritt in eine wechselseitige Beziehung ein, in der bestimmte Gesetze gelten: Treue und Wahrheit, Fürsorge und Hingabe, Vergebung und Verantwortung, Würde und Hoffnung. Die Bundesrituale - Beschneidung im Judentum und Taufe im Völkerchristentum - markieren den Geschenkcharakter, das Ethos und die persönliche Dimension dieses Glaubens. Wenn katholische Christen sich am Eingang der Kirche mit Weihwasser bekreuzigen, ist dies nicht nur eine kontemplative Geste und nicht bloß Tauferinnerung, sondern hat noch etwas vom Raumgefühl der alten Ausdrucksweise: ich betrete eine Sphäre der Heiligung, ich mache mir „Gottesreich" bewusst.

 

I

Wer die Schriftlesung genau mitverfolgt hat, wird jetzt vielleicht sagen: Stopp, nicht weiter lesen! Das ist definitiv keins von den starken Gleichnissen Jesu. Was ist das denn für eine Hochzeit - schlimmer geht ja wohl nicht ! - Erst benehmen sich die Gäste, Freunde, Familienmitglieder absolut unmöglich. Lassen sich einladen, sagen zu, und als der Hochzeitstag kommt, bleiben sie weg. Diener werden ausgesandt werden, um noch einmal persönlich zum Fest zu bitten, doch sie sagen : Wir haben es uns anders überlegt, verschwindet! Ein paar von den Dienern werden sogar tätlich angegriffen, misshandelt, ja einer kommt zu Tode. - Als daraufhin der Gastgeber die Contenance verliert und es den Gewalttätern martialisch heimzahlt, hebt das die Stimmung auch nicht gerade. Als wollt er´s ihnen zeigen („die Geladenen waren nicht würdig"), lässt er demonstrativ Passanten von der Straße ins Haus holen und feiert die Hochzeit mit Wildfremden. - Aber auch das rettet den Tag nicht. Als er durch die Tischreihen geht und sich seine Hochzeitsgäste anschaut, ist da einer, der „keinen Hochzeitsanzug (an)hat". Wie kommst du denn hier rein, in diesem Aufzug !? herrscht er ihn an und lässt ihn, „Hände und Füße gebunden", rauswerfen. Was für ein Alptraum von einer Hochzeit ! - Tja, sagt der Herr Jesus Christus, so kann´s manchmal gehen, wenn einem Gott begegnet. Das Himmelreich ist einem König ähnlich, der für seinen Sohn eine Hochzeitsfeier veranstaltete, und dann ging alles schief.

   Wenn so etwas passieren kann, mach ich lieber einen Bogen ums Himmelreich, mögen Sie jetzt denken. Aber dann sage ich Ihnen: Es ist wie bei einer Ehe. Es kann schiefgehen, muss es aber nicht. Und so ist es auch hier, in diesem Fehlstartgleichnis: Die gute Nachricht der Geschichte kennen Sie noch gar nicht.

Haben Sie selbst schon einmal eine Hochzeit organisiert? Mit allem Pipapo, mit allem, was der "Wedding Planner" vorschlägt? Brautpaare (auch Brauteltern) können sich da völlig drin verlieren. Googlen Sie mal im Internet, was man alles braucht, um zu heiraten. Das Wichtigste, das man zum Heiraten braucht, ist - genau: das perfekte Kleid. Ohne das richtige Kleid geht gar nichts. Und Termine müssen Sie festmachen: beim Standesamt, und in einer Kirche, und es sollte ein Datum sein, an dem Eltern/Schwiegereltern nicht grade in Bad Füssing weilen, und so früh vor dem Geburtstermin des ersten Kindes, dass das perfekte Kleid auch noch passt. Dann die Gäste: wen möchte man unbedingt dabei haben (wen auf keinen Fall, damit er die Feier nicht ruiniert)? Und natürlich brauchen Sie wen, den Sie heiraten wollen, eine Braut, einen Bräutigam, schon wegen der Fotos (Vorsicht: wird auf Hochzeitsplanungschecklisten gern vergessen). Sie brauchen einen Friseurtermin, und jemanden, der durchs Hochzeitsfeierprogramm führt.... Wenn unsere Hochzeiten schon übermenschliche Anforderungen stellen, dann königliche Hochzeiten erst recht. Das Himmelreich gleicht einer königlichen Hochzeitsfeier.

 

II

Warum tun sich Menschen eigentlich so etwas an? Warum geben sie sich so unendlich viel Mühe mit so einem Tag ? - Die Antwort kennen wir: Weil es um unendlich viel geht. Eine Hochzeit ist aufs Sorgfältigste ritualisiert, weil hier etwas passiert, das ein ganzes Leben umkrempelt. Da folgen wir nicht nur einer Tradition, sondern unserm eigenen Bedürfnis. Alle bedeutenden Momente im Leben haben eine Zeremonie.

° Ein Abi-Ball - was stecken Schülerjahrgänge da für Geld, Phantasie und Zeit hinein, um das Ende des Schülerlebens zu feiern. Um den Moment und ihre Leistung auszukosten, um noch einmal zusammen zu sein, zu lachen und zu schwofen und Festgewänder zu tragen.

° Um Essen und Trinken gibt es ausgefeilte Riten. Wenn ich in ein teures Restaurant gehe, dann kippe ich den St.EmilionGrandCru nicht runter wie Kranwasser auf eine Kopfschmerztablette. Man lässt den Kellner den Korken zelebrieren. Man würgt das Essen nicht runter wie einen Döner wenn die Straßenbahn naht, sondern würdigt jeden Bissen. Was uns was wert ist, dem geben wir Zeit.

° Beim Bewerbungsgespräch kommt es nicht nur auf Zeugnisse an. Es zählt auch, welchen Eindruck einer macht. Nicht zu bieder und devot, auch nicht zu salopp und großspurig. „Dress matters", wie man auf Neudeutsch sagt. Runtergerutschte Jeans mit Löchern senden falsche Botschaften.

° Beim Hochzeitsantrag, (einer Liebeserklärung) kommt es auf die kleinsten Details an: auf den richtigen Moment, auf ein erinnerungswürdiges Ambiente, einen ernsthaften Ton in der Stimme, und es sollte kein Handy klingeln, sonst nimmt der/die andre Reißaus und das war es dann (mit dem/dieser).

Das ganze Leben ist durchwirkt und veredelt von Ritualen der Beachtung. Und die Hochzeit ist die Königin aller Feiern. Weil es einfach um enorm viel geht : nämlich um nichts weniger als den Rest des Lebens. Man begegnet einem anderen Menschen und lässt ihn/sie ins eigene Leben rein. Keiner bleibt unverwandelt, alles ist möglich. Sich Vertrauen zu trauen, ohne Hintertür, ohne auf dem Rücken gekreuzten Finger, ohne eine Ersatzbank, das ist ein Abenteuer.

 

III

Und seht ihr, sagt der Christus zu seinen Jüngern, so ist das auch, wenn man in Gott hinein läuft. ° Ja, es kann eine unbeachtete, bewusstlose Episode bleiben, die man rasch wieder vergessen hat. ° Es kann ein Flirt sein, ein kurzer, intensiver Austausch von spirituellen Gefühlen, toll, aber das wars. ° Es kann eine Fernbeziehung draus werden, so wie man sich einmal im Jahr mit einem alten Schulfreund trifft und sich gut unterhält, aber keinen Alltag teilt. ° Und man kann in Gott hinein laufen und es kann Glaube erwachen, eine lebenslange Verbindung, in der man heimisch wird. Ein seelisches Zuhause.  

Aber das Gottesreich, sagt Jesus, bleibt etwas Besonderes. Ein Highlight, das man würdigen, und ergründen und mit allen Sinnen erleben muss. Die Nähe Gottes will gefeiert sein, besungen und begossen. Es braucht Intimität und Öffentlichkeit, ganz wie eine Hochzeit, die man ja auch zelebriert,  sonst ist es keine! meint der Christus. Das Himmelreich hat Hochzeitstage in unsern Kalender eingetragen, hier auf Erden. Der himmlische WeddingPlanner hat Festtage organisiert, mit allem Pipapo: ° mit Einladung an alle, die es wert sind. Bei uns Christen ist der Sonntag Hochzeitstag, und schauen Sie sich an, an was der himmlische WeddingPlanner alles gedacht hat. ° Es gibt eine Zeit, zu der alle können!! Dafür hat der Gastgeber selber gesorgt. Der Sonntag ist der Tag, an dem der Himmel für Sonderurlaub gesorgt hat, Sonderurlaub für alle, für Gläubige und für Leute, die sagen, ´Den Urlaubstag nehm ich mit, wem ich den verdanke, ist mir jetzt mal egal`. Ein Hochzeitstag für „Böse und Gute" und alle dazwischen, für Gemeinde und Passanten, und auch für die, die in Versuchung sind, mit dem geschenkten freien Sonntag ein Geschäft zu machen. ° Für Diener hat Er gesorgt, die bei uns läuten. Das sind (u.a.) die Kirchenglocken, die rufen: Kommt, denn es ist alles bereit, schmeckt und seht, wie freundlich der HERR ist. ° Die Kirchen sind der Festsaal, mit Plätzen für alle. Hier wird das Ja-Wort Gottes, das Evangelium gesprochen. Hier gibts Tischreden des Gastgebers und Leute, die das übersetzen in den Lokaldialekt, (PfarrerInnen und ihre Predigt).

 

IV

An alles ist gedacht, aber zwei Dinge, sagt der Christus, erwarte ich von Euch. Zwei Dinge sollt ihr mitbringen, damit es nicht schief geht.

° Das eine ist Pünktlichkeit. Feiert Feste, wie sie fallen. Seid da, wenn es geschieht. Seid da, wenn die Tür aufgeht. Es gibt Momente, die kommen nicht wieder. Es gibt Erfahrungen, die man nicht allein macht, für die es die Gemeinschaft und Versammlung andrer Menschen braucht. Seid da, wenn sie da sind. Wer Gott begegnen möchte, sollte nicht sagen: Ich muss auf meinen Acker, ich muss in mein Geschäft, ich muss heute Geld machen. Wenn Hochzeit ist, muss das andre warten, sagt der Herr.

° Und das andre, was Gottesbegegnung braucht, ist dies: Zieh dich hochzeitlich an. Liebe Gemeinde, das meint nicht einfach „Outfit", sondern eine innere Haltung, die wir nach draußen tragen[1]. Wenn du in Gott hinein läufst, dann tu es, und tu es nicht nur als ob. Betritt eine Kirche nicht wie ein Kino, wo man sich mit Popcorn hinhaut und einen Film anschaut. Gottesdienst ist, was auch in uns drin geschieht. - Komm zum Beten. Nutze die Gegenwart Gottes zur Zwiesprache mit deinem Schöpfer. Sag Ihm, was dich beschäftigt, und lass Ihm Zeit und Raum und Freiheit, dir zu antworten. - Hör hin, dass du merkst, wenn es dich meint. - Komm, um zu feiern. Werde Teil der Musik und mach die alten Worte zu deinen Worten. Gib dem Geist ein Echo in deiner Seele. - Wer eintritt und den was-soll-ich-hier-Kragen hochschlägt, wer kommt und mit einem mich-geht-das-alles-nichts-an-Gesicht, der legt sich selber Fesseln an, an Händen und Füßen, und schmeißt sich selbst raus. Bleib nicht außen vor, tauche ein. Alles Weitere ist ein Geschenk.

Das ist es, was der Christus seinen Jüngern empfiehlt, seit bald 2000 Jahren.

 

Dreht euch um, predigt der Christus, es ist soweit,

das Gottesreich ist zum Greifen nah<

(nach MkEvg1:15)

Amén.

 


[1] Man stelle vor, als die Diener fremde Leute von der Straße ins Haus holten : da ist wohl kaum eine/r mit Frack oder im langen Kleid („in Schale") unterwegs gewesen. Und deshalb kann der eine, der zur Feier kam und aus der Reihe fiel, nicht einfach nur falsch angezogen gewesen sein. Sein Problem war : er war da, auf einer Hochzeit, und doch war er nicht hochzeitlich gesinnt (oder „drauf", wie man umgangssprachlich bei uns sagt). Abwesend und abgetaucht, nicht zugewandt, sondern abgekehrt und den Vorgängen nicht zugetan. Es gibt auf Feiern manchmal Gäste, die kommen und verbreiten eine Art Gegenveranstaltung. Sie signalisieren, dass sie eigentlich gar nicht da sein wollen und alles schrecklich finden, ziehen über die Gastgeber her und machen alles madig und setzen alles ein, um die Feier zu stören oder zu ruinieren. Kein Wunder, wenn die Hausherren irgendwann zu viel davon haben und sagen: Wenn du nicht hier sein möchtest, dann möchte ich, dass du jetzt gehst. Das biblische Wort Endyma, enduma  meint den äußeren Ausdruck einer inneren Einstellung und  Haltung. Anziehen/bekleiden und eintauchen sind zwei Bilder desselben Verbums enduo / enduw.



Pfarrer Dr. Uwe Vetter
Johanneskirche Stadtkirche Düsseldorf
Düsseldorf

E-Mail: Uwe.Vetter@evdus.de

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