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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 21.08.2011

Predigt zu Matthäus 7:24-27, verfasst von Katharina Lange

 

Nur noch ein paar Muschelverzierungen über dem Eingang. Schnell die Außenwand verputzt. Jetzt sind sie fertig. Über eine Stunde hatten sie am Strand gegraben, Sand aufgehäuft, in Form gepresst, Muscheln und Steine gesammelt. Da noch eine Mauer, dort noch ein Türmchen. Söhne und Vater sind mit Eifer dabei. Und der Mittvierziger ist wieder ganz Kind. Nun betrachten die drei stolz ihr Haus auf und aus Sand. Schnell ein Foto geschossen und dann ab ins Wasser den Sand abspülen.

Als wir am späten Nachmittag unsere Strandsachen zusammenpacken, steht nur noch die Hälfte des Gebäudes. Die andere ist eingestürzt und zum Teil schon vom Wasser weggespült.

Ja, so ist das mit den Häusern auf Sand. Es brauchte nicht mal wie im Gleichnis einen Platzregen, nur ein bisschen mehr Wind, ein paar größere Wellen und schon fallen sie in sich zusammen.

Solche Sandhäuser im Urlaub werden zum Zeitvertreib gebaut. Ein Spiel nur. Es ist nicht schlimm, wenn sie schnell wieder kaputtgehen. Aber wie sieht es mit unseren Lebenshäusern aus? Die möchten wir doch gerne sicher und fest haben. Die sollen halten lebenslang und darüber hinaus.

Ein eigenes Haus steht für Sicherheit, Glück. Geborgenheit. So beobachte ich es als Nichthausbesitzerin. Immobilien seien als sichere Geldanlage in unsicheren Zeiten wieder mehr gefragt, stand jetzt in der Zeitung. So steigen sogar in Kassel die Preise für Wohneigentum. Doch wehe dem, der sich beim Kauf von der schicken Fassade beeindrucken lässt, aber dem Haus nicht auf dem Grund geht. Was ist, wenn was mit dem Fundament nicht stimmt? Wenn der Grund nicht hält. Man sollte unbedingt Fachleute hinzuziehen zur Tiefenprüfung, wird geraten. Und wenn man neu baut, ist ein Bodengutachten angebracht.

Denn was ist, wenn Stürme kommen und das Wasser von unten drückt? Hält das das Haus aus?

Der Erfahrungshintergrund unseres heutigen Gleichnisses ist ein Wadi in Palästina. Das ist ein die meiste Zeit des Jahres ausgetrocknetes Bachtal, das sich aber in der Regenzeit in einen reißenden Strom verwandelt. Häuser, die dort auf Sandboden im Talgrund gebaut sind, stürzen dann ein, während Häuser, die auf felsigen Untergrund errichtet wurden, stehen bleiben.

Von dem Haus auf Sand heißt es:

Als nun ... die Wasser kamen..., da fiel es ein, und sein Fall war groß.

Dieser drastische Schluss des Gleichnisses ließ mich an so manche eingestürzte Häuser denken im übertragenen Sinn, aber auch ganz real: Zum Beispiel die Tausenden von Häusern in Japan, die von dem Tsunami im März weggespült wurden. Die Hochsicherheitstechnik der Kernkraftwerke brach zusammen. Eine ganze Technologie, auf die man gesetzt hat, wird infrage gestellt. Da hat man auf unsicherem Grund gebaut. Wie töricht!

Liebe Gemeinde, das Gleichnis von den Häuslebauern macht unsicher. Es stellt uns unbequeme Fragen: Worauf gründet ihr euer Leben? Ist das wirklich zukunftsfähig, tragfähig, seid ihr da nachhaltig? Baut ihr auf Fels oder auf Sand? Seid ihr klug oder töricht?

Wie sieht es denn aus, wenn die Stürme das eigene Leben erfassen? Was erweist sich dann als tragfähig? Wenn die Arbeit nicht mehr sicher ist. Oder das Auskommen im Alter. Oder Erkrankungen einen verunsichern. Oder Beziehungen ins Wanken geraten. In meinem Bekanntenkreis scheitern zurzeit einige Ehen. Da brechen ganze Lebenshäuser ein, die einst so stabil schienen. Da war zwar noch die schöne Fassade aufrechterhalten worden, aber eine gemeinsame Grundlage gab es schon lange nicht mehr. Und alles gerät ins Schwanken. Kaum auszuhalten solch ein Lebenssturm.

In unsicheren Zeiten macht sich ein eigentümliches Gefühl des Unbehaustseins breit.

Und Jesus fragt uns in diesem Gleichnis an:

Worauf gründet ihr euer Lebenshaus? Sand oder Fels?

Wir wollen doch alle am Ende klug dastehen, denn wer möchte schon zu den Dummen gehören.

Welche Antwort gibt uns das Gleichnis? Gleich am Anfang steht sie:

Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.

Hören und Tun! Und was hatten die Leute gerade gehört? Die Rede schlechthin - die Bergpredigt. Die allein zu hören reicht nicht, schärft Jesus ein. Lebt danach! Auf euer Tun kommt es an. Jesu Worte der Bergpredigt sollen die Grundlage meines Lebens, Glaubens und auch meines Handelns sein? Da wird es mir ganz weich in den Knien. Ich bekomme Angst auf diesem Fels auszurutschen. Licht und Salz soll ich sein, Feinde lieben und auf Vergeltung verzichten, mich nach dem Reich Gottes ausstrecken, und dem Sorget-nicht! vertrauen. Das soll einen festen Grund für das Lebenshaus ergeben? Wie oft habe ich diese Worte nicht schon gehört, und bin in der Praxis gescheitert. Oh, da gehöre ich wohl doch zu den Törichten, die ihr Lebenshaus lieber auf sandigem Grund bauen. Es gibt so viele Gründe, doch recht zu behalten, auf das eigene Recht zu pochen. Man muss sich doch um das Morgen Sorgen machen. Und warum soll man nicht auch mal zu zeigen, wie gut fromm man doch ist, dass man regelmäßig betet und spendet... Und sich mit dem Splitter im Auge des anderen zu beschäftigen, ist doch wirklich angenehmer, als den eigenen Balken wahrzunehmen. Wenn Jesus dann auf die Feindesliebe zu sprechen kommt, dann bin ich vollends überfordert. Auf diesen Grund bauen, das ist schon ein Wagnis. Dass das wirklich so sicher sein soll?

Liebe Gemeinde,

beruft man sich auf die Bergpredigt, wird man schnell als naiv abgestempelt, wie kürzlich Margot Käßmann in der Talksendung bei Anne Will.1 Ihr wurde geraten, mit ihren Ratschlägen und Kommentaren hinter den Mauern der Kirche zu bleiben. Doch sie lässt sich nicht beirren, beruft sich auf Worte der Bergpredigt. Sie hält fest an ihrer Sehnsucht nach einer gerechteren Welt. Und man muss sich auch wirklich fragen, was wäre die Welt ohne die, die an dieser Sehnsucht festhalten?

Wir mögen nach der Weisheit der Welt als naiv, ja sogar töricht erscheinen - aber wir haben es bei Christus eben mit einer anderen Weisheit zu tun, mit Gottes Weisheit. Darauf sollen wir bauen.

Wer diese meine Rede hört und tut... --

Wie war das mit der Mauer, an deren Bau vor 50 Jahren dieser Tage erinnert wird. Noch in hundert Jahren sollte sie stehen. Und es waren Worte der Bergpredigt, die Menschen Montag für Montag in den Friedengebeten gehört hatten. Worte, die ihnen festen Grund und Standhaftigkeit gaben. Immer wieder wurden sie verlesen und es blieb dann nicht nur beim Hören. Sie ließen ihr Tun davon bestimmen.

Vergeltet nicht! Keine Gewalt. Selig die Friedfertigen, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten.

Und das scheinbar uneinnehmbare Bauwerk stürzte ein. Niedergerissen (auch) von der Sehnsucht nach einem besseren Leben und einer gerechteren Welt.

Vielleicht sind es diese Erfahrungen, die mich die Worte der Bergpredigt nicht als naiv, unpraktikabel, weltfremd oder mich einfach nicht betreffend zur Seite legen lassen.

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen."

Das sind Worte, die Halt geben und zum festen Grund werden können.

Und gleichzeitig machen sie unsicher, weil ich doch um mein eigenes Scheitern weiß. Ich werde diesem Anspruch von Jesu Worten in meinem Lebenshaus nicht gerecht werden. Ja, ich setze so vieles in den Sand.

Was mache ich da bloß mit dem Schluss des Gleichnisses, wo es so hart und endgültig heißt:

Das Haus fiel ein, und sein Fall war groß."?

In einem Kinderbuch von Nick Butterworth und Mick Inkpen2 wird dieses Gleichnis nacherzählt und illustriert. Mir ist aufgefallen, dass die Autoren sich besonders am Ende eine große Freiheit gegenüber der biblischen Überlieferung rausnehmen. Ich vermute, dass es ihnen ähnlich geht wie mir. Sie halten es nicht aus, wie die Geschichte der Häuserbauer endet. Und so haben sie dem noch was zugefügt, nicht im Sinne des Matthäus, aber ganz bestimmt im Sinne des Evangeliums von Jesus Christus.

Auf der letzten Seite steht: Jesus sagt: „Ich bin wie der Felsen des klugen Mannes. Wer mir vertraut, den lasse ich niemals umkommen."

Und man sieht das Haus des klugen Mannes sicher auf dem Felsen stehen. Die Sonne scheint wieder. Davor eine Wäscheleine mit tropfnassen Sachen. Aus dem Fenster schauen aber zwei Männer und sie lachen. Des Törichten Haus ist eingebrochen und er ist dabei pitschnass geworden. Aber er hat Unterschlupf gefunden beim Klugen. Und beide können sich darüber freuen. Ist das nicht ein Stück Himmelreich?

Liebe Gemeinde, auch dann, wenn wir mit unseren Lebenshäusern ins Rutschen kommen, auch dann, wenn wir mit unserem Tun hinter allem Hören zurückbleiben und manches in den Sand setzen - ich rechne mit Gottes großer Barmherzigkeit. Und darauf - auf diesen Fels will ich bauen. Amen

 



Pastorin Katharina Lange
34117 Kassel
E-Mail: Katharina.Lange@emk.de

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