Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 21.08.2011

Predigt zu Matthäus 7:24-27, verfasst von Michael Plathow

 

1. "Glaubwürdig" - ein Sehnsuchtswort mit Kritik- und Protestpotential heute, gerade der jüngeren Generation, liebe Gemeinde.

"Glaubwürdig sein" und "sich glaubwürdig verhalten" erwarten wir von uns selbst und von anderen, besonders von Personen des öffentlichen Lebens. Hoch eingestuft wird "Glaubwürdigkeit" im Politbarometer. Reden und Leben, vorher versprechen und nachher ausführen, Ansprüche gegenüber anderen und an sich selbst, auch Hören und Tun sollen zusammenpassen, sich nicht widersprechen. "Echt", "authentisch" und darum "vertrauenswürdig" verbindet sich von dem, was Werten entspricht und wahr ist, wie die Erfahrungsweisheit lehrt und menschliche Verhaltensregeln vorgeben. Wer "glaub- und vertrauenswürdig" redet, handelt und lebt, gilt nicht selten als Vorbild, ihm ist Ausstrahlung gegeben im pädagogischen Geschehen und im allgemeinen Meinungsbild.

Heute freilich scheinen häufig andere Wertigkeiten und Geltungsansprüche - wie etwa Geld, Erfolg, Durchsetzung, mediale Inszenierung - an die Stelle zu treten dieser für "Glaubwürdigkeit" grundlegenden Verbindung von Wort und Tun, Hören und Handeln. Denn "hast'e was, bist'e was; schein'ste was, gilt'ste was".

Den Widerspruch von Reden und Handeln, Lehren und Leben kritisiert Jesus immer wieder in seinen Predigten. Die Spannung zwischen Sein und Schein prangert er bei den sog. "Pharisäern" oder "Schriftgelehrten" an.

Manche von uns mögen aus Urlaubs- und Ferientagen in Nordfriesland die humorige Anekdote von der Entstehung des "Pharisäer"-Getränks kennen: Es war bei einer Hochzeitsfeier. Nach der kirchlichen Trauung und der guten Mittagsmahlzeit pflegt man sich zum "Kaffee" zusammenzusetzen. Der Pastor ist selbstverständlich dabei. Es galt die strikte Sitte: solange der Pfarrer anwesend ist, darf kein Alkohol getrunken werden. Nun verweilte ein Pastor immer gern und zeitlich lange; folglich musste der Alkohol auf sich warten lassen - bis, ja, bis ein Einfall geboren wurde: man fügte dem Kaffee einen kräftigen Schuss Rum zu und bedeckte den Tassenrand mit einer dicken Sahneschicht. Dem Pastor wurde natürlich wie immer der normale Kaffee gereicht. So nahm der Lautstärke zu, so stieg die Stimmung mit jeder Kaffeerunde - bis der Pastor alles entdeckte und einmal ausrief: "Ihr Pharisäer!". Damit hatte das scheinheilige Getränk seinen Namen.

Jesus ruft in seinen Predigten: "Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr!, Herr! In das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel" (Mt 7, 21). "Weh euch! Denn ihr beladet die Menschen mit unerträglichen Lasten, und ihr selbst rührt sie nicht mit einem Finger an" (Lk 11, 46); "was heißt ihr mich ‘Herr' und tut nicht, was ich euch sage" (Lk 6, 46).

Auch am Schluss seiner uns bekannten Bergpredigt spricht Jesus an die Erfahrungsweisheit und menschliche Verhaltensregel, dass Wort und Tat, Hören und Handeln ineinander greifen und zusammengehören im "glaubwürdig" gelebten Leben. Er predigt mit einem Gleichnis. Wir hören (Mt 7, 24 - 27):

"Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie" - liebe Gemeinde, es geht um Konfliktregelung in Ehe und Zusammenleben, um Achtsamkeit und Fürsein auch für den Gegner, um Hilfs- und Gebebereitschaft, um Gebet und Gebetserhörung, um Leben als "Salz der Erde" und "Licht der Welt" - Jesus sagt: "Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf den Felsen baute. Da nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und wehten die Winde und stießen an das Haus, fiel es doch nicht; denn es war auf den Felsen gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der ist einem törichten Mann gleich, der sein Haus auf dem Sand baute. Da nun ein Platzregen fiel und kamen die Wasser und wehten die Winde und stießen an das Haus, da fiel es und tat einen großen Fall."

Darauf folgen noch die Sätze: "Und es begab sich, da Jesus diese Rede vollendet hatte, entsetzte sich das Volk - d. h. war überwältigt - über seine Lehre; denn er lehrte mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten."

2. Liebe Gemeinde, Jesus knüpft in seiner Predigt vom Reich Gottes mit den Bildworten des Doppelgleichnisses vom Bau auf Felsen oder auf Sand an bei unseren lebensgeschichtlichen Grunderfahrungen: die Architektur unseres Lebens kann erschüttert werden; was dann?. Jesus fragt nach dem tragenden Fundament unseres Lebenshauses und nach dem festen Boden unseres Lebensweges. Dann wenn Unwetter mit Hagel und Blitz kommen, bei Überschwemmungen das Wasser "bis zum Hals" steht, Hurrikans mit Sturmfluten und Erdrutschen alles erschüttern.

"Was trägt?, was hat Bestand?, was gilt ?" - das sind Fragen, wenn unsere Lebenswelt, Krisen, Schicksalsschlägen, Heimsuchungen ausgesetzt, ins Wanken gerät. Das sind unsichere und verunsichernde Zeiten nicht nur für Geldanlagen, sondern auch für unser ganzes Lebenshaus und unseren Lebensweg, für die Architektur unsres Lebens. Wer wüsste nicht darum.

"Was trägt?, was hat Bestand?, was gilt?" - das sind Fragen in Schwellen- und Umbruchszeiten. So fragen wir uns bei Zerrüttung einer Liebesbeziehung, bei Scheitern im alltäglichen Beruf, beim Positivbescheid einer Krankheitsdiagnose, wenn der Verlust eines lieben Menschen den Boden unter den Füßen wegzuziehen droht, wenn die Sturmwellen gegen die heimische Warft peitschen und sie zu überwinden drohen, wenn Stützmauern schwanken, Wände Risse bekommen, Gehpfade wegrutschen und Fahrstraßen Sackgassen werden.

Jesu Doppelgleichnis veranschaulicht und bestätigt zunächst die Erfahrungsweisheit und menschliche Verhaltensregel als Antwort auf die Fragen "Was trägt?, was hat Bestand?, was gilt?". Die Antwort lautet: "Glaubwürdig" leben, indem Reden und Handeln, Hören und Tun zusammen passen und nicht auseinander klaffen, indem man echt ist, man selbst.

Das ist eine Antwort zunächst beim ersten Hören. In der Verkündigung der Bergpredigt vom Reich Gottes schwingt aber noch viel mehr mit.

3. Denn, liebe Gemeinde, der in der Bergpredigt mit diesem Doppelgleichnis das Reich Gottes verkündigt, ist Jesus, der Christus. Was er predigt und wer predigt, Person und Werk, gehören untrennbar zusammen. In seinem Predigen, Heilen, Sterben und Auferstehen von den Toten findet das Reich Gottes Anfang, um sich zu vollenden: das Reich Gottes, verkündigt im Bildwort vom gefundenen Schatz im Acker, vom Sauerteig im Brotmehl, von der Befreiung aus Verstrickung, von der Gemeinschaft mit denen an "Hecken und Zäunen", vom Leuchtfeuer im Dunkel. In Jesus Christus, Gottes eingeborenem Sohn unserm erstgeborenen Bruder, ist das Reich Gottes da, das er verkündigt. Und in diese Botschaft nimmt er uns hinein, indem wir, von ihm "überwältigt", sie durch die Glaubensgemeinschaft mit Christus Jesus in unser Leben hineinlassen, d. h. sie hören und tun. Christus, der Verkünder des Reiches Gottes, der Grund, "der gegründet ist" (1. Kor 3, 11), glaubwürdiger Grund unseres Glaubens. Glaube, grundlegendes, Leben bestimmendes Vertrauen auf den, der Gutes, Heil und Wohl, für uns will, auf Gott und sein Reich in Jesus Christus.

Der Glaube an Jesus Christus und das Vertrauen in sein verkündetes Reich Gottes erweisen sich als der Grund glaubwürdig gelebten Lebens, wo Hören und Tun der Predigt Jesu, Reden und Handeln zusammenpassen.

Dasselbe sagt in anderen Worten in der eben gehörten Schriftlesung (Phil 3, 7 - 10) der Apostel Paulus, der so realistisch um die Spannung und den Widerspruch von Wollen und Vollbringen bei uns weiß (Röm 7, 18): Gottes gerecht machende Gerechtigkeit, die in Jesus Christus Geschenk der sich bewahrheitenden Liebe Gottes ist, erweist sich als der Grund des im Hören und Tun gelebten Glaubens. Uns immer schon vorausgehend von Christus ergriffen, sind wir berufen zum Reich Gottes (Phil 3, 13) im Hören und Tun seines Willens. Wir machen nur Gebrauch vom Geschenk der Gnade Gottes bei unserem Handeln aus dem Hören und bei unserem Tun, was er sagt. Wir leben aus der vorausgehenden Gnade und Liebe, die wir uns nicht selbst geben, nicht selbst zusagen, nicht selbst machen oder verdienen können.

Ein bedeutender Denker menschlicher Weisheit stellte einmal fest: "Ich denke, darum bin ich" (R. Descartes); das denkende Ich sei das Gewisseste, der feste Grund von allem. Zugleich sind wir und leben von Voraussetzungen, die wir nicht selbst erdacht und erbracht haben. Darum sagt die Glaubensgewissheit: "Ich bin geliebt, darum bin ich", von Gott immer schon geliebt, darum lebe ich, darum handle ich. So bin ich selbst.

Das entlastet, liebe Gemeinde, das macht frei vom Gesetz, aus sich selbst heraus das Gehörte tun und verwirklichen zu müssen und so sich selbst zu rechtfertigen im Tun. Denn "das Reich Gottes ist da und gewinnt sich selbst in den Menschen seine Bürger" (H.-J. Iwand) im glaubenden Hören und Tun der Worte Jesu.

Und Bürger des Reiches Gottes, die sind wir, gerechtfertigt um Christi willen durch den Glauben. Auf diesem Grund "da wir uns gründen" (EG 351, 3), können wir bauen glaub- und vertrauenswürdig unser Lebenshaus und den Bau unserer Gemeinde und Kirche (Eph 4, 12; 1. Petr 2, 4ff).

Jesus Christus ist es, der spricht: "Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf dem Fels baute".

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne und euer Tun im Vertrauen auf diesen festen Grund. Amen.



Prof. Dr., Pfr. i. R. Michael Plathow
69181 Leimen
E-Mail: michael@plathow.de

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