Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 21.08.2011

Predigt zu Matthäus 7:24-27, verfasst von Rudolf Rengstorf

 

Liebe Gemeinde!

Diese Worte  stehen am Ende der Bergpredigt und sind so etwas wie ihr Ausrufezeichen oder auch das Amen. . Die Bergpredigt - das ist doch die Sache mit der Feindesliebe und der andern Backe, die man hinhalten soll, wenn man auf die eine schon geschlagen wurde. Wann kriegt man das schon mal hin!  Am Ende bekräftigt Jesus diese wahnsinnig anspruchsvolle Lehre auch noch mit din Bildern von dem Haus auf dem Felsen, das durch kein Unwetter erschüttert wird, und dem Haus auf Sand gebaut, mit dem Wasser und  Sturm natürlich leichtes Spiel haben. Beide Häuser stehen für das, was Menschen aus ihrem Leben machen. Und in beiden Fällen handelt es sich zweifellos um Christen. Denn beide Hausbauer werden verglichen mit Menschen, die auf Jesu Worte hören und sie sich sicher auch zu Herzen nehmen wollen. Dass sie dabei auch etwas zustande bringen, sagt Jesus, das hängt allein davon ab, ob sie auch tun, was ich sage.
Unbequem und irritierend ist das. Steht es doch im krassen Widerspruch zu dem, was wir als protestantische Christen gelernt haben. Nämlich dass es gerade nicht um das Tun, um die guten Werke geht und dass der Mensch vor Gott gerecht wird ohne des Gesetzes Werke allein durch den Glauben.
Ja, und was machen wir mit der Bergpredigt und ihren radikalen Forderungen, die dann am Ende mit der Betonung des Tuns auch noch  kompromisslos bekräftigt werden? Da beginnen die Eiertänze der Ausleger. Jesus - so heißt es dann - wusste genau, dass die Menschen gar nicht fähig sind, ihr Leben so radikal in den Dienst Gottes zu stellen, wie er es hier verlangt. Er kannte seine Pappenheimer doch nur zu gut. Er wollte deshalb nur eines: deutlich machen, dass wir gegenüber dem heiligen Willen Gottes immer auf der Strecke bleiben und wir so erkennen, dass wir auf nichts als Gnade und Barmherzigkeit angewiesen sind. Und gleiches gilt dann auch für das Bild von den beiden Häusern. Letztlich, so legen es die Ausleger zurecht, sind und bleiben wir alle der Mann,
der auf Sand gebaut und mit seinem ganzen Christentum immer wieder auf die Nase fällt, ganz und gar davon abhängig, dass Gott ihn und uns in seiner unermesslichen Gnade annimmt und uns hält, auch wenn wir fallen und versagen. Und schon stimmt wieder alles, und der protestantische
Glaube sieht sich bestätigt.
Der Haken an der Sache ist nur: Kein Wort von dem, was die Ausleger sich da so schön zurecht legen, steht auch da. Jesus sagt genau das Gegenteil, und seine Worte werden ihm im Munde umgedreht. Ausgerechnet von denen, die sagen: Das Evangelium soll gelten und sonst nichts
.
Nein, so geht das nicht. Wenn wir uns dazu verpflichtet haben, Jesus mit seinem Evangelium gelten zu lassen, dann dürfen wir ihn nicht an den Stellen, die uns nicht passen, entmündigen. Und die Bergpredigt ist ja nun nicht nur eine beliebige Stelle unter dem vielen, was Jesus sonst noch gesagt hat. Sie erstreckt sich über drei Kapitel und bildet das Herzstück der Lehre Jesu. Es hilft nichts, hier geht es um das Tun - um die richtigen Werke. Und deshalb lassen Sie uns noch einmal genau
auf das Bild achten, mit dem Jesus das Tun seiner Lehre veranschaulicht.

"Wer diese meine Worte - so Jesus - hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute." Das Tun der Lehre Jesu - und das wird  fast durchweg übersehen - wird verglichen mit dem Bauen eines Hauses. Bauen tut ja auch der andere, der nur hört, aber alles auf Sand setzt. Denn jeder Mensch ist während seines Lebens mit dem Bauen beschäftigt - auch wenn er das Haus, in dem er wohnt, nie selber gebaut hat. Bauen tun wir alle. Wir bauen unser Lebenshaus. Wir
sind damit beschäftigt, Räume zu schaffen, Räume etwa für die Art, mit der wir unseren Lebensunterhalt verdienen; Räume für die Zeiten, in denen wir uns entspannen und neue Kraft schöpfen; Räume für den Aufbau von Partner- und Freundschaften; Räume für die Erziehung und Begleitung von Kindern.
Ob unser Lebenshaus Bestand hat, das hängt nach Jesus nun daran, ob wir beim Bau unseres Lebenshauses die Materialien verwenden, die er uns mit der Bergpredigt zur Verfügung stellt. Und wenn wir uns dann das Material der Bergpredigt genauer ansehen, dann zeigt sich: da ist nicht nur
ein Baustoff, der für den Bau des Ganzen zur Verfügung steht - etwa der so schwierig zu handhabende Baustoff der Feindesliebe oder des Hinhaltens der Wange. Daneben - davor und dahinter - liegen noch ganz andere Baustoffe, die auch anders zu handhaben sind.

Da ist zuerst und vor allem der Baustoff der Seligpreisungen, mit denen alles losgeht. Selig gepriesen werden die Armen, die Leidtragenden, die Sanftmütigen, die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden, die Friedfertigen, die Verfolgten - also durchweg Menschen, die nichts zu bieten haben  außer der Sehnsucht danach, dass es auf dieser Erde anders zugeht als bisher. Nämlich so, dass alle Menschen zu ihrem Recht und zur Lebensfreude kommen. Selig sind sie, denn in ihnen wird die kommende Welt Gottes hier schon sichtbar.
Achtet darauf, dass ihr beim Bau eures Lebenshauses diesen Stoff zuerst und vor allem mitverarbeitet. Er eignet sich besonders gut für die Öffnungen  Eures Lebenshases. in die Türen und Fenster kommen. ,Damit ihr den richtigen Ausblick behaltet und immer vor Augen habt, worauf Gott mit dieser Welt hinaus will. Und achtet darauf, dass die Fenster und Türen sich auch öffnen lassen und frischer Zug ins Haus kommt. Und ihr nicht erstickt im Mief des Nahen und Nächsten.
.
Dann erst kommen die berühmten Worte, die uns die alten Gebote ganz neu ins Herz legen und uns einschärfen: Das Töten fängt schon da an, wo wir feindseligen Gefühlen gegen andere Raum geben. Das Ehebrechen fängt schon da an, wo wir dem Begehren nach einem anderen Partner, einer an-
deren Partnerin insgeheim Raum geben. Und der Teufelskreis des "Wie du mir, so ich dir" der wird nur durchbrochen, wenn du nicht zurück schlägst und statt dessen darauf achtest, was dein Gegner, die Aggressivität nimmt und ihn zur Versöhnung befähigt.
Sieh zu, dass du diesen Stoff beim Bau deiner Arbeitsräume verwendest.Denn Gott, der selber genauso mit den Menschen verfährt, will, dass du dich von ihm anstecken lasst und darauf hinarbeitest, dass deine Mitmenschen mit dem, was sie brauchen, zum Zuge kommen. Das arbeitet der Feindseligkeit entgegen. Nächstenliebe und erst recht Feindesliebe will nicht nur hier und da, sondern in alltäglichen Arbeitsstrukturen praktiziert werden. Und wenn du mal genauer hinguckst, was in der Berufs- und Arbeitswelt zum Wohl der Menschen geleistet wird, dann wirst du viel
praktisches Christentum entdecken. So sollen auch deine Arbeitsräume aufgebaut sein.

Als nächstes kommt der Baustoff, der für deine Vorratsräume gedacht ist. Sie sollen so aufgebaut sein, dass du ohne Mühe und Umstände auch andere daran teilhaben lassen kannst. Verwende ihn reichlich den Baustoff der Großherzigkeit. Du wirst nämlich entdecken, dass es dir viel besser bekommt, als alles für dich zu behalten. Je selbstverständlicher das regelmäßige Abgeben und Teilen für dich ist, desto weniger wirst du von deinen Vorräten gefangen genommen und auf sie fixiert. Das Weitergeben wird dich vor dem verhängnisvollen Irrtum bewahren, dass dein Wert
an dem hängt, was du hast. Dein Wert hängt aber allein daran, dass Gott dich hat.Eine Wahrheit, die nicht nur gehört, sondern auch durch einen entsprechenden Umgang mit Geld und Gut praktiziert werden will und muss. Sonst wird sie zur hohlen Phrase, die auch nicht den geringsten Halt gibt.

Ja, und dann der Baustoff für dein Kämmerlein, für den Raum den du für dich allein hast. Den brauchst du auch. Sieh zu, dass er so gebaut ist, dass du ihn auch gerne aufsuchst und er so gebaut ist, dass er nicht vollgestellt ist mit Dingen, die dich ablenken und zerstreuen. Diesen Raum brauchst du, um dich zu sammeln und dir klarzuwerden darüber, was jetzt dran ist und wie du zurechtkommen kannst mit den vielfältigen Anforderungen, die dich oft zu zerreißen drohen und schuld daran sind, dass du immer nur Stückwerk zuwege bringst. In diesem Raum kommt zur
Geltung, dass du ein ganz einzigartiger Mensch bist, durch und durch davon geprägt, dass einer da ist, der dich ins Leben gerufen hat und dich hier haben will.
Und darum muss in diesem Raum dein Schöpfer zur Geltung kommen, indem du ihn persönlich und vertraut ansprichst - Vater unser, ansprichst darauf, dass im Durcheinander des Lebens sein Name heil bleibt, von dir geheiligt wird, sein Reich kommt und sein Wille geschieht. Sprich ihn an auf das, was dich beschäftigt und in Atem hält - in der Bitte um das tägliche Brot. Sprich ihn an mit dem, was dich ihm und deinen Mitmenschen gegenüber belastet, was du nicht geschafft und was du schuldig geblieben bist - vergib uns unsere Schuld. Sprich ihn an auf deine Angst, überfordert zu werden und den Glauben zu verlieren - führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Ja, ich meine, Jesus hat Recht: Das Lebenshaus ist auf diese Baustoffe angewiesen. Weil sie dem Ganzen Halt geben und ein Fundament, das den Stürmen des Lebens zu trotzen vermag. Amen.

 



Superintendent i.R. Rudolf Rengstorf
Hildesheim
E-Mail: rudolf.rengstorf@online.de

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