Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

11. Sonntag nach Trinitatis, 04.09.2011

Predigt zu Matthäus 21:28-32, verfasst von Winfried Klotz

Das Gleichnis von den beiden Söhnen

28 Dann sagte Jesus: »Was meint ihr zu folgender Geschichte? Ein Mann hatte zwei Söhne. Er sagte zu dem einen: 'Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg!' 29 'Ich will nicht', erwiderte der Sohn; später aber überlegte er es sich und ging doch. 30 Dasselbe sagte der Vater auch zu seinem anderen Sohn. 'Ja, Herr', antwortete der, ging aber nicht. 31 Wer von den beiden hat nun nach dem Willen des Vaters gehandelt?« »Der Erste«, antworteten sie. Da sagte Jesus: »Ich versichere euch: Die Zolleinnehmer und die Prostituierten werden eher in die neue Welt Gottes kommen als ihr. 32 Der Täufer Johannes ist gekommen und zeigte euch, was ihr jetzt tun müsst, um Gottes Willen zu erfüllen; aber ihr habt ihm nicht geglaubt. Die Zolleinnehmer und die Prostituierten haben ihm geglaubt! Aber ihr - nicht einmal als ihr das saht, habt ihr euch besonnen und ihm Glauben geschenkt.«

Liebe Gemeinde!

Kennen Sie das auch, dass Sie vorschnell Ja oder Nein sagen? Und nachher die Entscheidung bereuen. Oder anders: Dass Sie eine Bitte an einen Mitmenschen richten und der lässt Sie einfach abblitzen?

Eine Geschichte erzählt von einem Mann, der sich eine Hose gekauft hatte. "Sie gefiel ihm sehr gut, wenn auch die Hosenbeine um etwa drei Zentimeter zu lang waren. Er dachte sich: Ich habe in meinem Haushalt drei Frauen; eine von ihnen wird die Kürzung besorgen. Zu Hause hängte er die Hose an den Haken und trug seiner Frau sein Anliegen vor. Doch diese war gerade nicht in bester Stimmung und zeigte ihm die kalte Schulter. Auch bei seiner Schwiegermutter konnte er nicht landen. Sie war in eine Lektüre vertieft und wollte sich nicht stören lassen. Als er ihr Zimmer verließ, stieß er im Hausflur auf seine Tochter. Es sah so aus, als hätten sich die Damen abgesprochen, denn auch die Tochter erklärte, daß ihr die Sache sehr ungelegen komme, da sie gerade ausgehen wolle. Da packte den dreimal Abgewiesenen der Zorn. Lautstark erklärte er, daß mit ihm vor Mitternacht nicht zu rechnen sei, und schlug hinter sich die Haustüre zu.

Es dauerte nicht lange, bis die Ehefrau erkannte, daß jetzt etwas geschehen mußte. Unauffällig griff sie nach der Hose, nahm die Kürzung vor und hängte sie an ihren Platz zurück. Aber auch in der Schwiegermutter wuchs die Reue. Geräuschlos schlich nun sie zur Hose und schnitt drei Zentimeter weg. Als die Tochter gegen 23 Uhr nach Hause kam und die Hose am Haken hängen sah, da war auch sie bereit, ihre Gesinnung zu ändern. "Jetzt wird er sich freuen", dachte sie, als sie die Arbeit beendet hatte. Und wie er sich bei seiner Rückkehr freute ..."

(Johannes Niederer, hier nach Rudolf Stertenbrink, In Bildern und Gleichnissen, Bd. 2 Herder 3/1982, S. 198 gefunden in Hoffsümmer Kurzgeschichten 99/05 digitale Ausgabe)

Eine Geschichte zum Schmunzeln; drei Nein - Sager und Ja - Tuer. Dass die Sache letztlich schief geht, verdunkelt etwas den Glanz der Sinnesänderung. Und noch etwas: die Geschichte ist natürlich nicht ganz auf der Höhe der Zeit; welcher moderne Mann kann mit dem Anspruch nach Hause kommen, dass seine Frau oder andere weibliche Personen des Haushalts ihm die Hosenbeine kürzen? Das hat man/n selbst zu erledigen.

Aber zurück zum biblischen Wort, das ja nicht nur eine überraschende Sinnesänderung beschreibt, sondern auch noch die konkrete Anwendung nennt: "Ich versichere euch: Die Zolleinnehmer und die Prostituierten werden eher in die neue Welt Gottes kommen als ihr." Warum erzählt Jesus dieses Gleichnis und stößt seinen Zuhörern mit der Anwendung dermaßen vor den Kopf? Und das alles im Tempel, dem Ort, der durch die regelmäßigen Gottesdienste noch einigermaßen die Einheit des Volkes darstellt. Seine Zuhörer sind respektable Mitglieder der Gesellschaft, leitende Personen der "Kirche" seiner Zeit. Seine Zuhörer kümmern sich um die Anliegen der Menschen ihrer Zeit, sie halten nicht nur den Gottesdienst mit den Opfern am Laufen, sie sorgen auch für die Armen, sie lehren das Gesetz Gottes, sie suchen den gesellschaftlichen Ausgleich, sie vermitteln in der schwierigen politischen Situation eines besetzten Landes. Das sind doch keine Unmenschen, diese Hohenpriester und Ältesten, diese Pharisäer und Schriftgelehrten. Ohne sie sähe es doch katastrophal aus in Jerusalem. Trotzdem verwarnt Jesus sie: Vorsicht, Ihr sagt JA und tut NEIN!Vorsicht, ihr stellt uns, Johannes den Täufer und mich, an den Rand des religiösen Spektrums, ihr  macht uns zu Außenseiter und seht uns als Gefahr für die Zukunft des jüdischen Volkes. Vorsicht, ihr stellt euer Leben in den Dienst Gottes und seiner Gebote, aber ihr verneint, dass Gott uns gesandt hat, ihr verneint dass ich der Messias, der Gesalbte Gottes bin und dass die Taufe des Johannes im Auftrag Gottes geschehen ist. Ihr bestreitet damit, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichtet. Ihr sagt Ja zu Gott und tut Nein, ihr haltet die Gebote und Rituale in Perfektion, die Ruhe des Sabbats ist euch absolut heilig, die Reinheit der Speisen, das Spenden des Zehnten und der Almosen. Aber ihr wollt nicht umkehren zu Gott, der euch jetzt durch Johannes und mich zu einem neuen Leben unter seiner Herrschaft ruft. Ihr erkennt nicht an, dass Gott mich gesandt hat, damit auch ihr durch die Vergebung der Sünden eingehen könnt in sein Reich. Ihr erkennt nicht an, dass auch ihr die Geburt von oben, aus dem Geist Gottes braucht.

Die Zolleinnehmer und Huren erkennen das an und gehen in Gottes Reich ein. Sie, vor deren Leben ein große dickes NEIN zu Gott steht, kehren um, bekennen ihre Schuld, erfahren Vergebung aus Gottes Gnade und bekommen ein neues Leben aus Gott. So macht Gott aus dem Nein ein JA! Aber euer Leben, vor dem ein Ja zu Gott steht, endet im NEIN zu Gott, weil ihr euch gegen Johannes und mich gestellt habt. Und Gottes Wirken an denen verachtet, die umgekehrt sind.

Liebe Gemeinde! Welch eine Anklage gegen die führenden Leute damals! Das ist ja - auch heute - kaum auszuhalten. Heißt Evangelium nicht gute Nachricht? Aber hier werden Menschen brutal vor eine Entscheidung gestellt. Ist das fair? Verdirbt Jesus nicht seine Sache?

Worin liegt der Erweis dafür, dass Jesus mit Recht die führenden Leute zurechtweist? Doch darin, dass die Zolleinnehmer und Prostituierten, Menschen mit dem NEIN vor der Klammer des Lebens, umgekehrt sind! Gottes rettender Wille ist an ihnen geschehen. Evangelium erweist sich als Evangelium dadurch, dass es tut, wozu es verkündigt wird, nämlich Menschen herauszuholen aus der Beziehungslosigkeit gegenüber Gott und den Nächsten. Deshalb der Ruf zur Umkehr und zum Vertrauen auf die Gnade Gottes. Evangelium verkommt zur billigen Botschaft, wenn es versöhnt ohne Sinnesänderung, ohne Umkehr.

Haben denn die führenden Leute Umkehr nötig?

Sie sehen was Gott jetzt durch Johannes und Jesus tut und verachten es. Genau darin liegt ihre Schuld. Anschaulich macht das Jean Anouilh in folgender Geschichte:

"Die Gerechten stehen eng gedrängt vor der Pforte des Paradieses, trippelnd vor Ungeduld, begierig einzutreten, ihrer Plätze gewiss. Doch plötzlich entsteht Unruhe unter ihnen. "Was, auch denen wird vergeben?" fragen sie, mucken auf. Dann empörte Rufe. "Sollen wir uns dafür im Leben gequält haben - wenn wir das gewusst hätten!" Sie protestieren. Schmährufe gegen Gott werden laut. Und in der gleichen Sekunde sind sie verdammt."

(gekürzt nach Jean Anouilh, in Hoffsümmer Kurzgeschichten 99/05, digitale Ausgabe)

Liebe Gemeinde!

Dass das Evangelium auch unter uns tut, wozu es verkündigt wird, darauf kommt es an! Dass wir uns Gott und unseren Nächsten zuwenden, Vergebung erbitten und gewähren und vor allem, auch darauf vertrauen, dass Gott durch Jesus Christus wirklich vergibt - uns und allen anderen, die darum bitten. Dass wir nicht Ja sagen nach dem Motto "Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass", sondern Gottes in Jesus Christus erschienene Gnade unser Herz ergreifen und erfüllen kann. Gott helfe uns allen zur Sinnesänderung und zum neuen Leben aus seiner Gnade. Amen.



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König
E-Mail: winfried.klotz@web.de

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