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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

14. Sonntag nach Trinitatis, 25.09.2011

Predigt zu Lukas 17:11-19, verfasst von Helene Dam

Es ist Mode geworden, sich für ein Geschenk nicht weiter zu bedanken. Sie werden oft lediglich eingesammelt zu Beginn eines Festes, und dann redet man nicht mehr darüber. Da kann man sich schon ein wenig unwohl fühlen, wenn man sich Zeit genommen und Gedanken gemacht hat, um ein Geschenk zu finden, das die Hauptperson des Festes wirklich erfreut. Zudem gibt es dann auch noch die Faustregel, dass der Preis des Geschenks etwa dem Preis entsprechen sollte, den die Einladung verursacht. Und ist das nicht oft so? Warum also sich bedanken?

Im Großen und Ganzen ist es nicht mehr recht in Mode, Dank zu sagen. Vielleicht, weil wir alles für eine Selbstverständlichkeit halten. Dank zu sagen heißt, dankbar zu sein. Und es kann sogar durchaus unangenehm werden, dankbar zu sein. Die Sprache selbst hält das fest in der Redewendung, man stehe bei jemand anderem in Dankesschuld. Wie hoch der Zinssatz für diese Schuld heute ist, ist schwer zu sagen. Deshalb ist es vielleicht auch besser, in der Überzeugung zu leben, dass wir einander nichts schuldig sind. Das bedeutet nicht, dass wir nicht immer noch den anderen Schuld zuweisen könnten. Es ist nur der Dank, den wir den anderen nicht schuldig sind.

Und vielleicht ist das schon immer so gewesen. Jedenfalls war es nur der eine von den zehn Aussätzigen, der zurückkam, um seine Dankbarkeit zu bezeigen. Die anderen neun taten, was sie mussten. Sie taten, wie Jesus gesagt hatte und wie es im Gesetz vorgeschrieben war. Sie gingen hin und ließen sich von den Priestern untersuchen. Heute hätte Jesus sie wohl zum Arzt geschickt: „Geh hin zu deinem Arzt und lass dich untersuchen."

Niemand wird behaupten, die neun wären nicht froh gewesen, als sie die gute Nachricht hörten: „Du bist gesund." Auch wir sind froh, wenn wir uns im Sprechzimmer vom Stuhl erheben und den Arzt mit einer solchen Auskunft verlassen können. Aber wie lange hält die Freude an, wenn uns der Alltag wieder einholt? Dann kann es schnell wieder eine Selbstverständlichkeit sein, gesund zu sein.

Beim Arzt geht es nicht immer so aus. Vielleicht sind wir wirklich krank. Aber ist es dann nicht eine Selbstverständlichkeit, dass alles daran gesetzt wird, dass wir wieder gesund werden? Dafür müssen wir uns wohl kaum bedanken. Im Gegenteil, wir können schnell dem gesamten Gesundheitssystem die Schuld zuweisen, wenn das nicht glückt.

Allerdings können wir auch entdecken, dass das alles durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Das kann im Fall einer schweren Krankheit geschehen, und es kann bei etwas so Selbstverständlichem geschehen wie etwa der Geburt eines Kindes. Hier mag es wohl passieren, dass ein unerklärliches Bedürfnis zu danken sich breit macht. Nicht nur ein Dank an die Hebamme, die bei der Geburt dabei war, nicht nur an den Arzt und die Krankenschwestern und die Familie, die uns ins gewöhnliche Leben zurückgehgolfen haben. Wir haben das Bedürfnis, unseren Dank weiter nach oben zu richten. Der Samaritaner, der Fremde, musste zurückkehren und Gott die Ehre geben, noch dazu mit lauter Stimme.

Zehn Menschen wurden gesund. Wie durch ein Wunder, können wir sagen. Aber nicht darauf kommt es dem Evangelium an. Jesus ist kein Wunderheiler. Es hat immer Menschen gegeben, die sich mit Wundern hervorgetan haben, einige sogar unter Berufung auf das Evangelium. Doch die Wirkung eines Wunders ist nicht von langer Dauer. Vielleicht kamen die übrigen neun ja deshalb nicht zurück.

Wenn man einmal ein Wunder erlebt hat, kann man allzu leicht an Wundern Geschmack finden. Sobald ein neues Problem auftritt, soll es durch ein Wunder gelöst werden. Wunder schaffen keinen Glauben, sie schaffen Abhängigkeit. Wunder öffnen unsere Augen niemals für das Nicht-Selbstverständliche in diesem selbstverständlichen Leben.

Gerade im Grenzbereich zwischen dem Selbstverständlichen und dem Nicht-Selbstverständlichen jedoch erfahren wir, dass das Leben stärker und größer ist als wir selbst. Vielleicht ist Jesus darum immer wieder Menschen genau in diesem Grenzbereich begegnet. Er begegnet uns immer noch in diesem Grenzbereich. In diesem gefährdeten Leben. Wo wir nicht länger allein in dem Glauben existieren können, dass wir uns selbst genug sind.

In diesem Grenzbereich war Jesus den zehn Aussätzigen begegnet. Zehn Menschen waren für gesund erklärt worden. Doch nicht unbedingt läuft es auf die Auferstehung im Leben zu, weil man für gesund erklärt wurde. Das hingegen wurde dem zuteil, der zurückkam und Gott die Ehre gab. Er hatte etwas in den Blick bekommen, wofür die anderen keinen Blick hatten.

Er war gesund geworden. Das ja, aber darin bestand sein Heil nicht. Er war seine Krankheit losgeworden, aber ihm war mehr widerfahren als das. Er war außer sich, pries Gott mit lauter Stimme, warf sich nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Er war außer sich, aber er war auch über sich selbst hinausgelangt. Er hatte erkannt, dass da etwas war, das größer war als er selbst.

Darauf kommt es dem Evangelium an. Das Heil besteht nicht darin, erlöst zu werden von all dem, in dem wir mittendrin stecken, sondern einen Blick zu bekommen, mit dem man sieht, so dass wir alles in ganz neuer Weise sehen können. Auf diese Weise zu sehen hat mit dem Glauben zu tun. Nicht irgendeinem Glauben, sondern mit dem Glauben, der es nicht sein lassen kann, seine Dankbarkeit zu bezeigen.

In diesem Glauben vermag die Auferstehung sich zu entfalten. Wir empfinden es, wenn wir Menschen begegnen, die die Dankbarkeit siegen lassen über Niederlagen und Enttäuschungen, die Hoffnung tragfähig sein lassen in Krankheit und Leiden, die Liebe das Feld behaupten lassen vor Hass und Bosheit.

Steh auf und geh hinaus in dein Leben in dem Glauben, dass das Heil zu dir kommt, dort, wo du es wagst, über dich selbst hinauszugehen und auf deinen Gott und deinen Mitmenschen zuzugehen mit Dank.

Amen

 

 



Pastorin Helene Dam
Kopenhagen
E-Mail: hd@km.dk

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