Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

15. Sonntag nach Trinitatis, 02.10.2011

Predigt zu Lukas 18:28-30, verfasst von Mira Stare

Liebe Glaubende,

am Beginn der heutigen Betrachtung lade ich Sie ein, Ihren Alltag in den Blick zu nehmen. Wie läuft Ihr Tag gewöhnlich ab? Welche Aufgaben haben Sie zu bewältigen? Mit welchen Personen sind Sie in ihrem Alltag in Beziehung? Welche Bedeutungen haben diese Beziehungen? Zu welchen Gruppen gehören Sie? Welche Werte teilen Sie mit anderen? Welche Prioritäten setzen Sie in Ihrem Alltag?

Wahrscheinlich sehen Sie nun bereits ein lebendiges Bild von Ihrem Alltag mit verschiedenen Farben und verschiedenen Gesichtern. Auch Ihre Prioritätenliste und Entscheidungskriterien lassen sich in diesem Bild finden.

Im heutigen Evangelium hören wir ein kurzes Gespräch zwischen Petrus und Jesus, wo es sich auch um die Prioritäten und Entscheidungen handelt. Dieses Gespräch ereignet sich im Anschluss an eine andere Begebenheit, die für das Verständnis des Dialoges zwischen Petrus und Jesus von Bedeutung ist. An Jesus wird nämlich zuerst von einem reichen Mann die Frage gestellt: „Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?" Jesus konfrontiert ihn mit den Geboten. Obwohl der Mann von sich aus behauptet, sich im Leben nach den Geboten zu verhalten, stellt ihm Jesus einen wichtigen Mangel vor Augen:

„Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! (Lk 18,22)

Diese Aufforderung Jesu macht den vermögenden Mann traurig. Er bleibt wortlos. Jesus kommt zum Schluss: „Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme." (Lk 18,25) Die beim Gespräch Anwesenden sehen die Forderung Jesu zu hoch, um sie aus menschlicher Kraft zu befolgen. Jesus geht auf ihre Einschätzung ein und zeigt ihnen dennoch die Möglichkeit, seiner Forderung zu entsprechen. Er sagt: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich" (Lk 18,27)

02.10.2011 (15.So.n.Tr.), Predigttext: Lk 18,28-30

Und hier schaltet sich nun Petrus ein, der Jesus daran erinnert, dass die Nachfolger/innen Jesu seine Forderung bereits umgesetzt haben: „Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt" (Lk 18,28). Petrus und andere Jünger/innen erfahren bereits in ihrer Gegenwart, dass die Nachfolge Jesu mit einem radikalen „Verlassen" / „Loslassen" zusammenhängt. Petrus macht keine Aufzählung der Personen und der materiellen Sachen, die sie verlassen haben. Er behauptet, dass sie im Grunde alles und nicht nur jemanden oder etwas verlassen haben. Ob er damit sich selbst und andere Jünger/innen als Vorbild für die Nachfolge Jesu (als Gegenbeispiel zum reichen Mann) darstellen möchte oder ob seine Aussage nur als Feststellung zu verstehen ist oder ob er aufgrund dieses Verhaltens eine Belohnung von Jesus erwartet, berichtet das Evangelium nicht.

Lukas erwähnt die anschließende Antwort Jesu auf diese Feststellung des Petrus: „Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben." (Lk 18,29-30)

Jesus zeigt, dass das Verlassen der Familie und des Eigentums um des Reiches Gottes willen nicht nur als „Verlassen" zu sehen ist. Das „Verlassen" ist mit dem „Empfangen" verbunden. Denn jeder, der diesen Schritt des Loslassens um des Reiches Gottes willen wagt, ist gleichzeitig als „Empfänger" zu verstehen. Dabei wird das „Empfangen" im Vergleich mit dem „Loslassen" noch größer sein. Es geht um ein doppeltes Empfangen. Erstens wird das Losgelassene bereits in der Gegenwart mehrfach empfangen. Das bedeutet, dass das Losgelassene nicht verloren geht, sondern wieder zurückkehrt, und zwar vielfach. Zweitens setzt sich das „Empfangen" noch in der künftigen Welt fort. Dabei kommt es zu einer Überbietung. Denn das, was dort zuteil wird, ist das ewige Leben. Angesichts der Gabe des ewigen Lebens wird deutlich, dass es sich um die Gabe Gottes handelt, die alle menschliche Möglichkeit übersteigt. Das Leben und Wirken Jesu zeigen, dass seine Option und Priorität dem Reich Gottes unter den Menschen gilt. Man kann 02.10.2011 (15.So.n.Tr.), Predigttext: Lk 18,28-30 erkennen, dass in und durch Jesus, das Reich Gottes anfanghaft bereits Wirklichkeit geworden ist. Das Reich Gottes hat für ihn die erste Priorität. Der Einsatz für das Reich Gottes ist dringend. Man kann ihn mit einem Rettungseinsatz vergleichen. Ähnlich wie die Rettungskräfte alles andere für die Zeit der Rettungsaktion loslassen müssen, so müssen sich auch die Nachfolger Jesu dem in Jesus nahe gekommenen Reich Gottes widmen. Ihr Loslassen wird jedoch mit mehrfachem Empfangen überboten. Liebe Glaubende, nun lade ich Sie wieder ein, Ihren Alltag und Ihre Prioritäten zu betrachten. Ist das Reich Gottes ein Thema in Ihrem Alltag? Findet sich die Nachfolge Jesu auf Ihrer Prioritätenliste und beeinflusst sie Ihre alltäglichen Entscheidungen? Sind Sie beim „Rettungseinsatz" Jesu beteiligt und dafür bereit, alles andere zu „verlassen" / „loszulassen"?

Sehen wir bereits, dass in der Nachfolge Jesu das „Empfangen" vielfach größer als das „Loslassen" ist? Wir können gewiss sein: „Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben." (Lk 18,29-30)

Liebe Glaubende,

am Beginn der heutigen Betrachtung lade ich Sie ein, Ihren Alltag in den Blick zu nehmen. Wie läuft Ihr Tag gewöhnlich ab? Welche Aufgaben haben Sie zu bewältigen? Mit welchen Personen sind Sie in ihrem Alltag in Beziehung? Welche Bedeutungen haben diese Beziehungen? Zu welchen Gruppen gehören Sie? Welche Werte teilen Sie mit anderen? Welche Prioritäten setzen Sie in Ihrem Alltag?

Wahrscheinlich sehen Sie nun bereits ein lebendiges Bild von Ihrem Alltag mit verschiedenen Farben und verschiedenen Gesichtern. Auch Ihre Prioritätenliste und Entscheidungskriterien lassen sich in diesem Bild finden.

Im heutigen Evangelium hören wir ein kurzes Gespräch zwischen Petrus und Jesus, wo es sich auch um die Prioritäten und Entscheidungen handelt. Dieses Gespräch ereignet sich im Anschluss an eine andere Begebenheit, die für das Verständnis des Dialoges zwischen Petrus und Jesus von Bedeutung ist. An Jesus wird nämlich zuerst von einem reichen Mann die Frage gestellt: „Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?" Jesus konfrontiert ihn mit den Geboten. Obwohl der Mann von sich aus behauptet, sich im Leben nach den Geboten zu verhalten, stellt ihm Jesus einen wichtigen Mangel vor Augen:

„Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! (Lk 18,22)

Diese Aufforderung Jesu macht den vermögenden Mann traurig. Er bleibt wortlos. Jesus kommt zum Schluss: „Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme." (Lk 18,25) Die beim Gespräch Anwesenden sehen die Forderung Jesu zu hoch, um sie aus menschlicher Kraft zu befolgen. Jesus geht auf ihre Einschätzung ein und zeigt ihnen dennoch die Möglichkeit, seiner Forderung zu entsprechen. Er sagt: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich" (Lk 18,27)

02.10.2011 (15.So.n.Tr.), Predigttext: Lk 18,28-30

Und hier schaltet sich nun Petrus ein, der Jesus daran erinnert, dass die Nachfolger/innen Jesu seine Forderung bereits umgesetzt haben: „Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt" (Lk 18,28). Petrus und andere Jünger/innen erfahren bereits in ihrer Gegenwart, dass die Nachfolge Jesu mit einem radikalen „Verlassen" / „Loslassen" zusammenhängt. Petrus macht keine Aufzählung der Personen und der materiellen Sachen, die sie verlassen haben. Er behauptet, dass sie im Grunde alles und nicht nur jemanden oder etwas verlassen haben. Ob er damit sich selbst und andere Jünger/innen als Vorbild für die Nachfolge Jesu (als Gegenbeispiel zum reichen Mann) darstellen möchte oder ob seine Aussage nur als Feststellung zu verstehen ist oder ob er aufgrund dieses Verhaltens eine Belohnung von Jesus erwartet, berichtet das Evangelium nicht.

Lukas erwähnt die anschließende Antwort Jesu auf diese Feststellung des Petrus: „Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben." (Lk 18,29-30)

Jesus zeigt, dass das Verlassen der Familie und des Eigentums um des Reiches Gottes willen nicht nur als „Verlassen" zu sehen ist. Das „Verlassen" ist mit dem „Empfangen" verbunden. Denn jeder, der diesen Schritt des Loslassens um des Reiches Gottes willen wagt, ist gleichzeitig als „Empfänger" zu verstehen. Dabei wird das „Empfangen" im Vergleich mit dem „Loslassen" noch größer sein. Es geht um ein doppeltes Empfangen. Erstens wird das Losgelassene bereits in der Gegenwart mehrfach empfangen. Das bedeutet, dass das Losgelassene nicht verloren geht, sondern wieder zurückkehrt, und zwar vielfach. Zweitens setzt sich das „Empfangen" noch in der künftigen Welt fort. Dabei kommt es zu einer Überbietung. Denn das, was dort zuteil wird, ist das ewige Leben. Angesichts der Gabe des ewigen Lebens wird deutlich, dass es sich um die Gabe Gottes handelt, die alle menschliche Möglichkeit übersteigt. Das Leben und Wirken Jesu zeigen, dass seine Option und Priorität dem Reich Gottes unter den Menschen gilt. Man kann 02.10.2011 (15.So.n.Tr.), Predigttext: Lk 18,28-30 erkennen, dass in und durch Jesus, das Reich Gottes anfanghaft bereits Wirklichkeit geworden ist. Das Reich Gottes hat für ihn die erste Priorität. Der Einsatz für das Reich Gottes ist dringend. Man kann ihn mit einem Rettungseinsatz vergleichen. Ähnlich wie die Rettungskräfte alles andere für die Zeit der Rettungsaktion loslassen müssen, so müssen sich auch die Nachfolger Jesu dem in Jesus nahe gekommenen Reich Gottes widmen. Ihr Loslassen wird jedoch mit mehrfachem Empfangen überboten. Liebe Glaubende, nun lade ich Sie wieder ein, Ihren Alltag und Ihre Prioritäten zu betrachten. Ist das Reich Gottes ein Thema in Ihrem Alltag? Findet sich die Nachfolge Jesu auf Ihrer Prioritätenliste und beeinflusst sie Ihre alltäglichen Entscheidungen? Sind Sie beim „Rettungseinsatz" Jesu beteiligt und dafür bereit, alles andere zu „verlassen" / „loszulassen"?

Sehen wir bereits, dass in der Nachfolge Jesu das „Empfangen" vielfach größer als das „Loslassen" ist? Wir können gewiss sein: „Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben." (Lk 18,29-30)



Dr. theol. Mira Stare
A-6020 Innsbruck
E-Mail: mira.stare@uibk.ac.at

(zurück zum Seitenanfang)