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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres, 06.11.2011

Predigt zu Lukas 11:14-23, verfasst von Heinz Behrends

„Und er trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich."

Was für eine schöne Geschichte.

Ein Mensch, der besetzt oder besessen war und verstummt, der redet. Eine Jesus-Geschichte, aus vergangenen Vorzeiten, als man noch an Dämonen glaubte?

Sie meinen, es gäbe keine Gespenster, keine bösen Geister und Dämonen mehr?

Diese Woche berichteten die Zeitungen: „Gewalt an Halloween". Jugendliche vor allem haben am letzten Montag die Stimmung von Halloween ausgenutzt, Rabatz zu machen.

Aus Berlin, Hamburg und anderen großen Städten wurde berichtet, wie junge Leute Autos zerstört, Passanten angepöbelt und Scheiben zertrümmert haben, und Leute angegriffen und verprügelt. Der Geist von Halloween. Dieses aus den USA kommende Gespensterfest, im Kommerz begründet. Kürbisse werden ausgehöhlt und als Gespenstermasken aufgesetzt. In vielen Städten hat Halloween schon unseren wackeren Gedenktag der Reformation verdrängt. Der Gedenktag Martin Luthers, der uns befreit hat von allen Instanzen und Wesen, die sich zwischen Gott und mir stellen wollen. Der unsere Vernunft befreit hat zum eigenen Bibel lesen und selbständigem Denken. Halloween, mehr als ein Heiden-Spaß, weil er die Gedanken der Reformation verdrängt. Der Kirchenkreis Hameln kam vor Jahren als erster auf die Idee, dem etwas entgegenzusetzen, das uns Protestanten nicht als beleidigte Leberwurst erscheinen läßt, sondern als pfiffige Leute auf der Höhe der Zeit. „Hallo Luther" heißt die Veranstaltungsreihe, die Gedanken Luthers in neuem Gewand erinnert. Dagegen: Ein ausgehöhlter Kürbis ist ein leerer Hohlkopf. Zur köstlichen Suppe veredelt oder Körner auf leckerem Brot wäre ihre bessere Verwendung denn als säkulares Grusel-Objekt.

Sie meinen, es gäbe keine Gespenster, keine bösen Geister und Dämonen mehr?

Am Mittwoch schrieb die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: „Griechenland lehrt uns das Gruseln".

Der Dämon des Geldes hat sich losgerissen, seitdem die Mauer in Berlin eingerissen wurde.

Der Kapitalismus mit seiner Gier nach Geld brüllt lauter denn je. Die Erscheinungen unserer aktuellen Lebenswelt überstiegen selbst die Vorstellungen eines Karl Marx. Da wurden Geldtransaktionen von hoch intelligenten Finanz-Mathematikern erfunden, die selbst die Bankvorstände nicht mehr verstanden haben. Sie haben die Früchte der Arbeit vieler Menschen an den Rand eines Abgrunds geschoben. Da wächst mit der Zahl der Nullen vor dem Komma die Übersicht und schwindet die Verantwortung. Da werden in der HRE-Bank Plus und Minus verwechselt, 55,5 Mrd Euro mehr statt weniger in der Bilanz. Grundrechnungsarten lernen wir in der zweiten Klasse Grundschule. Ein ungenügend würde unter unserer Mathe-Arbeit stehen. Die Bank-Chefs bekommen dagegen immer noch Millionen Boni. Boni bedeutet Gute. Am Ende bürgt ja der Bürger.

Die Welt ist entfesselt durch die dämonische Seite des Geldes. Sie zerstört schleichend, ihre vernichtende Kraft kann von heute auf morgen auf den Punkt kommen.

Wir können uns dem kaum entziehen, bleiben aber Zuschauer. Die gierigen Verantwortlichen haben keinen Namen, es ist ein von Computern gesteuertes System, von Menschen programmiert.

Jesus kämpft mit den Dämonen, selbst mit ihrem Höchsten, dem Beelzebul, und vertreibt sie alle.

Holger ist zwei Jahre jünger als sein Bruder Bernd. Er hat große Lust, zu kämpfen. Er beißt Bernd in den Arm, er tritt ihm ans Schienbein, er zwickt ihm im Gesicht, er zieht seine Haare.

Er schubst, wann immer es geht. Am liebsten versucht er, seinen großen Bruder auf den Boden zu zwingen, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen. Bernd will aber nicht kämpfen.

„Mama, sag ihm, dass er das lassen soll." Irgendwann wird es Bernd genug, er packt Holger am Arm und zackt, liegt der am Boden, beide Schultern liegen auf wie bei einem gewonnenen Ringkampf. „So", sagt Holger, „du hast es so gewollt." Kämpfen macht Spaß. Provozieren macht Spaß. Seine Kräfte ausprobieren, ausspielen. Sieger sein. „Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt".

Jesus kämpft mit den Dämonen.

Wenn die Evangelien das Wirken und Wollen Jesu in einem Satz zusammenfassen, sagen sie:
„Er verkündigte das Evangelium, er heilte Kranke und er trieb Dämonen aus."

Eine der drei Säulen seiner Arbeit war die Austreibung der Dämonen. Solch Gewicht legte er darauf, dass Menschen von allem frei werden, das sie besetzt.

Eugen Drewermann hat für die „Dämonen" in seiner Übersetzung neutestamentlicher Texte eine gute Formulierung gefunden. Dämonen, das sind „Aber-Geister:"

Das sind die Kräfte, die uns immer ein „Aber" ins Ohr flüstern, die uns am Guten hindern.

„Ich sollte mehr zuhören, aber - ich habe auch viele Probleme und möchte gehört werden."

„Ich sollte mich mehr um meine kranke Mutter kümmern, aber - ich schaffe es einfach nicht."

„Ich sollte eigentlich verantwortlich mit dem Geld anderer umgehen, aber - die anderen tun‘s ja auch nicht."

„Ich sollte mich mehr in meiner Gemeinde engagieren, aber - die Zeit habe ich einfach nicht."

„Ich sollte als Pastor klarer Stellung beziehen, aber - da riskiere ich Ärger."

„Ich sollte mich mehr um meinen Glauben kümmern, aber - der Alltag frisst mich auf.

Die Aber-Geister hindern uns an der Eindeutigkeit. Wie schlagkräftig könnten wir als Christen sein, wenn wir uns als eine Mannschaft verstehen würden. Christus, unser Mannschaftskapitän. „Wenn ein noch Stärkerer kommt". Er ist der Stärkere, denn stärkere Weisungen als in der Lesung am Reformationstag gelesen und erinnert, gibt es nicht:

Die Seligpreisungen. Selig die Barmherzigen, die Sanftmütigen, die Friedfertigen, die sich ihrer geistlichen Bedürftigkeit bewusst sind,  die nach Gerechtigkeit hungern.Die von Gespenstern, bösen Geistern und Dämonen besetzte Welt braucht das Evangelium, braucht uns mehr denn je.



Superintendent Heinz Behrends
Northeim
E-Mail: Heinz.Behrends@evlka.de

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