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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres, 13.11.2011

Predigt zu Lukas 16:1-8, verfasst von Jochen Cornelius-Bundschuh

 

Und Jesus sprach zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Haushalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Haushalter sein. Der Haushalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und fragte den ersten: Wieviel bist du meinem Herrn schuldig? Er sprach: Hundert Eimer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig.

Danach fragte er den zweiten: Du aber, wieviel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.Und der Herr lobte den ungetreuen Haushalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.

Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.

Liebe Gemeinde,

es ist der Herbst 1945. Ein Volk trauert. Am Ende des Krieges gedenken deutsche Christinnen und Christen der Menschen, die im 2. Weltkrieg gestorben sind, der von Deutschland 1939 begonnen wurde.

Schockiert sind viele, manche wie gelähmt, andere mit dem Gefühl der Erleichterung, ja der Befreiung. Endlich ist der Krieg zu Ende, endlich ist die Bedrohung vorbei, endlich auch dieses Lügen zu Ende: dass man nicht aussprechen darf, was alle wussten, zumindest ahnten: der Krieg ist verloren, der Nationalsozialismus war ein schrecklicher Irrweg.

Mühsam beginnt der Wiederaufbau und noch mühsamer das Erinnern: wer kann sich die Leiden vorstellen, die durch diesen Krieg über Europa gekommen sind, über viele einzelne! Ist das möglich, dass eine solche Brutalität über 12 Jahre hoffähig war in Deutschland! Wie können wir damit leben? Was können wir tun? Und worauf können wir hoffen? Werden wir wieder Häuser haben und eine Heimat, werden wir wieder Gäste einladen können, anderen Menschen, den Feinden wieder in die Augen schauen können?

Heute, 66 Jahre später, feiern wir Gottesdienst am Volkstrauertag! Die Häuser zum Leben sind wieder aufgebaut, das Leben hat wieder seinen Rhythmus gefunden. Doch noch immer gibt es Grund zum Gedenken und zur Trauer! Noch immer sind da Wunden, die die Gewalt und das Unrecht geschlagen haben. Hat Demenz auch etwas mit Vergessenwollen zu tun? fragen Psychiater. Steckt da einer Generation bis heute in den Knochen, was sie erlebt, ertragen und gesehen hat?

Noch immer gibt es auch Menschen, die auf Versöhnung und auf Wiedergutmachung warten. In Griechenland z.B., über das in diesen Tagen viele so viel Schlechtes zu erzählen wissen. Im Zweiten Weltkrieg sind dort ganze Orte ausradiert worden, so wie in Polen. Doch bis heute warten Angehörige dort auf Versöhnung und Entschädigung. In aktuellen Konflikten platzen Wunden leicht wieder auf und stacheln Konflikte an.

Noch immer gibt es die Aufforderungen von Menschen aus anderen Ländern, aber auch von unseren Kindern: Gebt Rechenschaft.

I

In unserem Predigttext befindet sich der Haushalter in ähnlicher Lage: „Gib Rechenschaft!" sagt der Herr zu ihm. „Mir ist zugetragen worden, dass du nicht ganz sauber gearbeitet hast, dass du meinen Besitz verschleudert hast. Ich will dich nicht länger als meinen Haushalter haben, lege offen, wie du gewirtschaftet hast."

Der Haushalter erschrickt. Wir hören keine Verteidigungsrede; er bestreitet die Vorwürfe nicht. Ausflüchte scheinen nicht zu helfen: es ist also wohl etwas dran an den Beschuldigungen. „Was soll ich tun? Wie komme ich heraus aus dieser Situation? Ich kann nicht mehr auf dem Feld arbeiten. Graben, hacken ernten, dafür bin ich zu alt. Wenn ich mit meinen Händen nur einmal die Schaufel in die Hand nehme, dann schält sich die Haut schon ab. Dafür habe ich schon zu lange mit meinem Kopf gearbeitet. - Und betteln gehen? „Haste mal ne Mark für mich?" Nein, das will ich nicht, das kann ich nicht! Ich will nicht auf der Straße landen, ohne Dach überm Kopf, ohne Freunde, einsam und arm. Ich brauche ein Haus, wo man mich aufnimmt, Freunde, auf die ich mich verlassen kann, bei denen ich essen und trinken, mit denen ich reden kann. Was soll ich bloß tun?"

Da kommt ihm der rettende Einfall: „Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde." Kurz entschlossen, mutig und umsichtig entwirft er einen Plan, wie er sich Freunde machen kann, seine Zukunft sichern kann.

Er ruft seine bisherigen Geschäftspartner zu sich, diejenigen, die Schulden bei seinem Herrn haben: Dem einen, der hundert Eimer Öl zu bezahlen hat, erläßt er 50, dem anderen, der hundert Säcke Weizen schuldet, schenkt er zwanzig. Ein Eimer, 1 Bath, das sind 32,6 Liter, das sind 16,3 Hektoliter. 20 Säcke Weizen, das sind 20 mal 326 l oder 65,2 Hektoliter Weizen, einundachtzig und ein halber Esel wären nötig, um das zu transportieren, wie ein kluger Professor für Neues Testament einmal ausgerechnet hat. In heutigem Geld wohl fast 100000 €. Eine Gaunerei im großen Stil also, ein Schurkenstück, das den Schuldnern nützt - und dem Haushalter: denn nun hat er sich diese Menschen verpflichtet.

II

„Und der Herr lobte den ungetreuen Haushalter, weil er klug gehandelt hatte." Kaum zu glauben! Was soll denn das nun? Ein Halunke wird gelobt!

Vielleicht haben einige der Zuhörenden geschmunzelt. Das waren oft arme Leute - und vielleicht fanden sie lustig, wie sich die Reichen da begaunerten. Aber gelobt wird der Haushalter nicht für seine Unehrlichkeit.

Nein, gelobt wird er, weil er etwas Entscheidendes erkannt hat: mir ist nur eine begrenzte Zeit gegeben. In dieser knappen Zeit muß ich etwas tun für meine Zukunft, um mir eine freundliche Aufnahme zu sichern. Entschlossen, mutig und klug ergreift er die Möglichkeit, die sich ihm bietet.

Klug wie die Schlange macht er sich Freunde mit dem ungerechten Mammon. Er weiß es gibt nur einen Weg in die Zukunft; jetzt alles, was noch möglich ist, einzusetzen für ein neues Leben!

III

Was läßt sich heute für unseren Glauben und unser Leben von einem solchen Halunken lernen? Heute am Volkstrauertag, wenn wir vor Gott stehen und Rechenschaft geben über das Leiden auf dieser Welt, über Kriege und Ungerechtigkeit, über Hunger und die Verletzung von Menschenrechten? Was meint Jesus, was wir von einem solchen Schurkenstück lernen können?

Ich sehe vor allem vier Dinge:

  1. Wer etwas falsch gemacht hat, wer seine Verantwortung nicht richtig wahrgenommen hat, wer kein guter Haushalter war, der soll nicht versuchen, das weg zu reden. Ausflüchte helfen nicht und auch keine langen Debatten, die zu zeigen versuchen, jeder andere, jede andere hätte es ja genauso gemacht. Nur wer zu seiner Vergangenheit steht, hat eine Chance, seine Lage so realistisch und nüchtern einzuschätzen, dass er dann auch einen neuen Weg findet. Vor Gott braucht niemand Angst vor seiner Vergangenheit zu haben, denn Gott selbst hat uns zugesagt, dass er die Fehler, die Altlasten unserer Vergangenheit auf sich nehmen wird. So können wir unsere Vergangenheit annehmen wie der ungerechte Haushalter - denn Gott hat unsere Schuldbriefe an sich, auf sich genommen.

  2. Lernen kann man zweitens, dass es wichtig ist, sein Ziel fest ins Auge zu fassen und dann auch ganz konsequent darauf zuzugehen. Heißt das: der Zweck heiligt die Mittel? Nein! Denn die Wohnung, die die Kinder des Lichtes suchen, ist nicht über Bestechung und Cliquenwirtschaft zu finden! Die Kinder des Lichtes, die Jesus anspricht, und das sind wir, wir sind auf der Suche nach einem himmlischen Haus, einer ewigen Wohnung bei Gott. Zu finden ist die nur, wenn man sich die Freunde anders macht - nämlich so wie es die Lesung (Mt 25), die wir vorhin gehört haben, beschreibt: was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Wer in die himmlische Wohnung will, muß konsequent darauf zugehen, zielstrebig und mit der Klugheit der Schlangen. Nächstenliebe ist nicht nur ein moralisches Zubrot, ist mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Es geht darum, alles daran zu setzen, so wie der ungerechte Haushalter alles daran gesetzt hat, weil ihm das Wasser bis zum Halse stand.

  3. Wenn man sich das klar macht, dann wird es plötzlich einfach wie bei dem Haushalter: nichts Übermenschliches muss er tun, nur das, wovon er etwas versteht, gute Arbeit, wirtschaftliches Denken, aber das angewendet auf das Ziel und nicht für irgend etwas anderes! Darum geht es! Ein Gruß am Morgen zu der Nachbarin mit der man schon lange über Kreuz ist, die Entscheidung doch noch einen Lehrling mehr einzustellen, die Mitkonfirmandin einmal nicht aufziehen und hänseln, weil sie anders ist. Nicht viel ist verlangt, aber das ernsthaft!

  4. Und ein letztes: gerade in diesen dunklen Tagen gibt es bei vielen das Gefühl: Nichts geht mehr, jetzt ist alles aus. Ich schaffe das nicht mehr! Der ungerechte Haushalter zeigt: auch wenn ihr denkt, jetzt bricht alles zusammen, ihr könnt etwas machen. Gott hat euch mit Verstand, mit Klugheit, mit Mut begabt. Nutzt sie! Lebt! Ihr geltet ihm alles! Er liebt euch! Selbst so einer wie der ungerechte Haushalter hat bei ihm eine Chance und nutzt sie! Also behaltet euren Mut und lebt als Kinder des Lichts. Amen.

 



KR Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh
76133 Karlsruhe
E-Mail: Jochen.cornelius-bundschuh@ekiba.de

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