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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Buß- und Bettag, 16.11.2011

Predigt zu Matthäus 12:33-35 (36-37), verfasst von Andreas Pawlas

 

Jesus sprach zu den Pharisäern: Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein Baum ist faul, so wird auch seine Frucht faul sein. Denn an der Frucht erkennt man den Baum. Ihr Schlangenbrut, wie könnt ihr Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz.

 

Liebe Gemeinde!

 

Warum müssen wir uns denn heute am Buß- und Bettag 2011 mit solchen lästigen landwirtschaftlichen Banalitäten beschäftigen? Denn die wissen und kennen wir doch alle zur Genüge, wo wir doch die Herren dieser Welt sind und das alles gut im Griff haben. Banal, dass es da eben nun einmal gute Bäume gibt mit guten Früchten. Und dass es dann eben genauso schlechte Bäume mit schlechten Früchten gibt. Und genau so banal, was wir dann zu tun haben: Nämlich die schlechten Bäume mit schlechten Früchten gefälligst auszureißen und zu verbrennen oder auch zu zerkleinern und zu kompostieren. Nein, selbstverständlich wollen wir nur die guten Bäume mit den guten Früchten haben.

 

Aber halt! Was ist denn eigentlich „gut"? Aber bitte! Doch jetzt im Blick auf schlichte Obstbäume keine hochgestochenen Debatten! Denn wann sind wohl Früchte gut? Doch wenn wir sie genießen können, wenn wir sie ernten und am Markt verkaufen können, damit wir ein gutes Leben führen können.

 

Oh! Was ist uns da herausgerutscht? Damit wir ein „gutes Leben" führen können? Aber wann führen wir denn ein „gutes Leben"? Halt! Das sind doch alles nur Spitzfindigkeiten angesichts so bodenständiger Überlegungen! Ein gutes Leben führen wir doch, wenn wir genug zu essen und zu genießen haben. Das reicht doch!

Liebe Gemeinde!

Wir alle wissen, wie viele Menschen genau so über sich, ihr Leben und die Welt denken und damit so tun, als könnten sie zufrieden sein, wenn sie derart zwischen vollem Bauch und irgendwelchem Spaß hin und herpendeln, also letztlich wie das liebe Vieh.

Aber wer unter uns hat das noch nicht erlebt, wie häufig dann plötzlich - und selbstverständlich auch für die, die derart viechisch leben -, etwa durch Krisen, Schmerzen oder Trauer so etwas wie ein Erwachen kommt. Ein großes, schmerzhaftes Erwachen, dass doch ein solches viechisches Leben für einen Menschen nicht alles gewesen sein kann! Ein großes, schmerzhaftes Erwachen dass doch Leben doch irgendwie mehr sein müsste! Ein großes, schmerzhaftes Erwachen, dass es eben wohl doch nicht ausreicht, wenn wir genug zu essen und zu genießen haben. Und wenn dann unter Tränen und Schmerzen ganz von selbst aus der Seele der Aufschrei nach dem „Warum" allen aktuellen Elends kommt, dann gehört zu ihm die Besinnung auf den Sinn des ganzen Lebens, eben auf seine Bestimmung, auf seinen Grund und seine Hoffnung. Und wer wollte dann, in Krisen, Schmerzen oder Trauer, noch behaupten wollen, Herr der Welt zu sein, und alles im Griff zu haben. Und so oft kehrt dann ganz von selbst die Erinnerung wieder, dass wir als Menschen doch wohl ganz anders gemeint sind, als alle vergänglichen Tiere und Pflanzen, weshalb wir uns mit aller Kraft dagegen wehren, genau so selbstverständlich zu vergehen und einzugehen wie ein Kohlrabi im Winter.

Und mancher mag dann mit einem Male doch wieder gern etwas hören davon, dass dem Menschen als Ebenbild Gottes ganz anderes zugedacht ist als etwa dem Vieh und dem Gemüse. Und das könnte so tröstlich klingen. Ja, das könnte tröstlich klingen, wenn da nicht unsere eigene stahlharte Logik wäre. Denn, wenn man sich wirklich in den Gedanken hinein fallen lassen will, dass Gott als unser Schöpfer und Bewahrer uns über Vieh und Gemüse erheben und nicht einfach preisgeben will, dann muss man konsequenterweise diesen Gott als Schöpfer und seine Weisung an uns Menschen auch ernst nehmen. Und da sagt uns doch unsere Logik: Wenn der Herr der Welt und des ganzen Kosmos alles erschafft, Bäume wie Menschen, dann ist es auch zwingend, dass er allein gute Bäume mit guten Früchten haben will und genauso natürlich auch gute Menschen, die als Frucht ihres Lebens seinen guten Willen tun und auf diese Weise Gutes hervorbringen aus dem guten Schatz seines Herzens.

Und was könnten wir nach unserer Logik dann über alle die schlechten Bäume mit ihren schlechten Früchten denken? Doch, dass sie ausgerissen und verbrannt werden. Und müssten wir nach unserer Logik dann nicht auch über böse Menschen so denken, die nicht Gottes guten Willen tun, und müssten wir dann nicht ebenso nur erwarten, dass sie ausgerissen und verbrannt werden? So ist unsere Logik, wenn wir Gott als Schöpfer denken. Und sicherlich empfinden das manche unter uns als eine wirklich brutale Logik. Eine brutale Logik, die aber die Frage um so nachdrücklicher werden lässt, wozu wir denn nun gehören. Etwa zu denen, die schlimmer sind als das Vieh. Warum schlimmer als das Vieh? Weil das Vieh doch nichts anderes kann, als nur zu fressen und zu rennen. Deshalb wird es dann ja auch sang- und klanglos verarbeitet und vergeht. Dagegen hätten Menschen doch als Ebenbild Gottes auch Gottes Wort und Weisung hören können, es aber nicht gewollt!

Oder hieße das jetzt auch, dass ich als normaler Durchschnittsmensch, der sich immer so durchs Leben durchlaviert, nun etwa zu denen gehören sollte, die Jesus als Schlangenbrut bezeichnet? Hieße das etwa jetzt auch, dass ich als Durchschnittsmensch ein böser Mensch bin, der nur Böses hervorbringen kann aus dem bösen Schatz meines Herzens? Immerhin stimmt es ja tatsächlich, dass ich immer tausend andere Dinge gedacht und gefühlt habe, als mich an das Gute zu halten, das mir Gott geboten hat, nämlich ihn zu lieben und meinen Nächsten wie mich selbst!

Ja, es ist Sinn des Buß- und Bettags, sich hier Rechenschaft zu geben. Und genau darum noch einmal, nicht hochgestochen oder spitzfindig, sondern als Entscheidungsgrundlage zwischen viechischem Vergehen oder erfülltem Leben: Was ist eigentlich „gut"? Aber da hören wir es doch aus der Bibel immer wieder: Gottes Gebote halten, was ja auch erklärt wird mit „Gott zu lieben und meinen Nächsten wie mich selbst". Allein dann sind wir gut und bringen damit gute Früchte.

Nun wissen wir alle, dass die Frage, Gottes Gebote zu halten, vor Zeiten sehr sorgfältig beachtet wurde. Da wurden viele Regeln und Gesetze geschaffen, um so das Gute abzusichern. Und so ein paar Regeln und Gesetze einzuhalten, das sollte man doch schaffen und das sollte man doch auch von einem anständigen Menschen erwarten können. Aber wir sind lebenserfahren genug, um gesehen zu haben, dass etwa so manche Leute Regeln und Gesetze einhalten können, weil sie das nötige Geld dazu haben oder dazu ausgebildet sind, aber andere können das einfach nicht. Und wir haben auch gesehen, dass manche Regeln und Gesetze schlimm und knechtend sein können, so dass das niemals nach dem Willen Gottes sein könnte.

Wenn also Regeln und Gesetze nicht immer eindeutig den Willen Gottes wiedergeben können, und wenn aber Gottes Gebote halten, viel mehr heißt, ihn, unseren Gott, zu lieben, da wird die Frage ganz entscheidend: Wie ist das mit meiner Liebe zu Gott? Aber bitte nicht nur, wenn ich in Schmerzen und Krankheit zappele, sondern in meinem konkreten Alltag? Wenn man jemanden liebt, denkt und fühlt man mit ihm und für ihn den ganzen Tag lang. Aber denke und fühle ich denn so mit unserem Gott? Rechne ich überhaupt mit ihm? Traue ich ihm überhaupt zu, nicht nur der Herr über mich und meinen Tagesablauf zu sein? Denke und fühle ich so mit unserem Gott, dass auch ganz sicher bin, dass er mich so liebt, dass er alles in meinem Leben lenkt und fügt und so mein Leben reich und schön machen will, selbst wenn es manchmal völlig anders aussieht?

Aber jetzt wirklich Hand aufs Herz! Wo stehen wir da? Bei wem unter uns ist jetzt nicht ein Schuld-Bekenntnis fällig? Ja, das ist unsere Schuld, dass wir als normale Durchschnittsmenschen eben nicht Gott über alle Dinge gefürchtet, geliebt und vertraut haben. Und das sind Tatsachen! Da müssen wir in den Spiegel schauen und nach eigener Logik bekennen: Das bin ich, genau ich, der nur als schlechter Baum seines Schöpfers zu begreifen ist und der nur mit seinen schlechten Früchten erwarten kann, ausgerissen und verbrannt zu werden. Ende mit Schrecken! Aus!

Aber Gott sei Dank, ist diese Selbsterkenntnis am Buß- und Bettag 2011 nicht Gottes letztes Wort über uns. Sondern sein letztes Wort ist Christus! Und so dürfen wir es wagen, uns als Christen zu bezeichnen. Wir dürfen es wagen, Christus überzuziehen, wie einen Schutzanzug, an dem alles Übel von uns abprallt, auch das, das wir uns selbst an den Hals geholt haben. Wir dürfen so mutig sein, obwohl wir genau so sind, wie wir sind, uns in Christus und seine Liebe zu uns hineinfallen zu lassen. Denn wenn wir ihm so glauben, und damit Gott lieben und damit Gott die Ehre geben, dann sind wir gerettet. Das ist Gottes letztes Wort über uns und unser gedankenloses Leben. Und dann will auch Gottes Liebe durch uns hindurch strahlen weit in die Welt hinein und in andere Menschen und in den ganzen Kosmos! Gott sei Dank! Amen.

 



Pastor Dr. Andreas Pawlas
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de

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