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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ewigkeitssonntag / Letzter Sonntag im Kirchenjahr, 20.11.2011

Predigt zu Lukas 12:42-48, verfasst von Peter Schuchardt

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen

Liebe Schwestern und Brüder!

Heute, am letzten Sonntag des Kirchenjahrs, kommen wir zusammen, um unserer Verstorbenen zu gedenken. Wir erinnern ihre Namen. Wir entzünden eine Kerze für sie. Für viele von euch ist der Rückblick mit Traurigkeit, aber auch mit Dankbarkeit gefüllt. Trauer über den Tod, Dankbarkeit für alles, was er und sie euch gewesen ist. Für manche aber ist der Gottesdienst heute noch zu früh, um von Dankbarkeit zu hören. Zu sehr schmerzt der Tod noch, heute am Totensonntag.

Doch unser Sonntag trägt noch einen Namen: Ewigkeitssonntag. Und so treten neben den Rückblick und die Trauer heute die Fragen, die von der Ewigkeit her an uns Lebende gerichtet sind: Was erwarten wir vom Leben? Was erwarten wir vom Tod? Was erwarten wir nach dem Tod? In diese drei Fragen ist auch das Erinnern unserer Verstorben eingeschlossen. Denn diese Fragen begleiten jedes Menschenleben.

Was erwarten wir vom Leben? Gerade die Erfahrung des Todes lässt uns das Leben schärfer in den Blick nehmen. Gut soll es ein. Glück soll es uns bringen. Wenig Schmerzen oder Krankheit sollen uns begegnen. Wir möchten das Leben am liebsten teilen mit einem anderen Menschen, möchten Kinder und Enkel aufwachsen sehen, möchten Erfolg haben in Schule und Beruf und dann am Ende alt und lebenssatt sterben. Von Hiob wird erzählt, dass er so am Ende seines Lebens aus diesem Leben gehen konnte. Er hatte genug vom Leben gesehen, hatte genug erfahren und konnte nun satt an Leben sterben. So ein Sterben ist der Lebenstraum von vielen. Und doch wissen wir: Das wird nicht jedem geschenkt, vielleicht niemandem. Wir erleben Scheitern, erleben Lebensbrüche. Neben den Erfolg stellt sich die Niederlage. Beziehungen enden. Beziehungen scheitern. Wir dürfen auf Neues hoffen und leben doch in der Angst, die schlechten Erfahrungen zu wiederholen. Hiob starb zwar alt und lebenssatt. Aber auch er hat Schreckliches durchlitten. Er musste von lieben Menschen Abschied nehmen und hat manches Lebensideal auf seinem Weg verloren. Wir trauern heute auch um Menschen, die wie die Bibel sagt, vor der Zeit gestorben sind, viel zu früh für unser Herz. Wir erwarten vom Leben Gutes, das ist wahr. Und wir erleben doch auf unserem Weg manches von der Brüchigkeit unseres Daseins und suchen darum immer wieder nach Halt und Orientierung. Dabei blenden wir den Gedanken, dass auch wir sterben müssen, oft aus. Wir wissen es - und wollen es nicht wahrhaben. In alten Zeiten gab es die ars moriendi, die Beschäftigung mit dem Tod, um bereit zu sein, um das Leben geordnet zu haben, um das Leben gelebt zu haben. Uns erscheint das in einer Zeit, die das Leben jetzt und hier vergöttlicht, fremd.

Und doch: Wir wissen, dass auch wir sterben müssen. Was erwarten wir vom Tod? Spät soll er kommen, spät im Leben und schnell soll er kommen. Für viele gibt es diesen Traum vom Sterben: einfach hinlegen, die Augen schließen und dann einschlafen. Das ist manchem unserer Verstorbenen geschenkt worden. Sie sind gegangen durch einen sanften Tod, von dem Matthias Claudius singt. Doch für andere kam er nach langem Leiden in viel zu jungen Jahren, manchmal quälend, manchmal herbeigesehnt. Wir können den Tod nicht frei bestimmen. Auch jede Diskussion über legale Sterbehilfe muss sich damit auseinandersetzen, dass letztlich die Schmerzen es sind oder sogar andere Menschen, die über mich und mein Ende bestimmen und nicht mein freier Wille. Die Bibel spricht vom Tod oft als Erlösung. Und damit meint sie wirklich, dass Gott uns herauslöst aus allen Schmerzen, dass er uns befreit von allen Lasten und allen suchenden Fragen.

Und was erwarten wir nach dem Tod? Es ist schwer geworden, darüber zu sprechen. Uns fehlen die Worte. Bilder und Worte, die uns früher vertraut waren, sind uns verloren gegangen. Wir nehmen dankbar Vorstellungen aus esoterischen und fernöstlichen Gedanken auf, weil sie von Wiedergeburt und neuem Leben sprechen, so als bekämen wir hier auf dieser Erde noch einmal eine neue Chance, könnten noch einmal das Ganze durchleben, quasi als verjüngte Version des Lebens jetzt - und sehen dabei nicht, dass oftmals die Angst dahinter steht, der Endgültigkeit des Todes ins Gesicht zu sehen.

Auch hier spricht die Bibel eine ganz andere Sprache. Sie malt uns Bilder, die in unseren Ohren fremd klingen mögen. Und doch sind diese Bilder von einer tiefen Hoffnung und Zuversicht und vor allem von Gottvertrauen geprägt. Manche dieser Bilder überraschen uns durch ihre Konkretheit. So mag es uns gehen mit dem Predigttext für den heutigen letzten Sonntag im Kirchenjahr:

42 Unser Herr Jesus Christus spricht: Wer ist denn der treue und kluge Verwalter, den der Herr über seine Leute setzt, damit er ihnen zur rechten Zeit gibt, was ihnen zusteht? 43 Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, das tun sieht. 44 Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen. 45 Wenn aber jener Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr kommt noch lange nicht, und fängt an, die Knechte und Mägde zu schlagen, auch zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen, 46 dann wird der Herr dieses Knechtes kommen an einem Tage, an dem er's nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, und wird ihn in Stücke hauen lassen und wird ihm sein Teil geben bei den Ungläubigen.

47 Der Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt, hat aber nichts vorbereitet noch nach seinem Willen getan, der wird viel Schläge erleiden müssen. 48 Wer ihn aber nicht kennt und getan hat, was Schläge verdient, wird wenig Schläge erleiden. Denn wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern. (Lk 12, 42-48)

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus Christus möchte uns mit diesem Gleichnis die Augen und das Herz öffnen für das Reich Gottes, das mit ihm in unsere Welt kommt und unser Leben in seinem ganz anderen Licht erscheinen lässt. So lässt sich dieses Gleichnis zusammenfassen mit den Worte: Lebt verantwortungsvoll - und lebt erwartungsvoll! Der Herr im Gleichnis setzt einen Verwalter ein, der auf sein Hab und Gut aufpassen und alles gut versorgen soll. Als er zurückkommt, sieht er: Der Knecht hat alle Aufgaben gut bewältigt. Er lobt und beschenkt ihn reich. Der Knecht ist nicht schludrig gewesen. Er versieht seinen Dienst im Bewusstsein: Das alles ist mir anvertraut. Und der, der es mir anvertraut hat, möchte, dass ich gut damit umgehe. Ich soll immer daran denken, dass er wiederkommen wird und ich ihm dann Rede und Antwort stehen werde. So lebt er jeden Tag voller Verantwortung und voller Erwartung. Das eine ist seine Aufgabe, das andere ist seine Hoffnung. Wie schade wäre es zu sehen, dass er unverantwortlich mit den anvertrauten Dingen und Menschen umgeht. Dann würde er verantwortungslos, ohne Erwartung und ohne Hoffnung leben! Jesus führt uns das ja mit dem anderen Knecht vor Augen.

Jesus erzählt uns dieses Gleichnis, um uns bewusst zu machen: das, was Gott uns gibt, gibt er in unsere Verantwortung. Heute, am Toten-, am Ewigkeitssonntag, wo wir unserer Verstorbenen erinnern, wo es um unser Leben und unser Sterben geht, ruft er uns ins Bewusstsein: auch unser Leben hat Gott in unsere Verantwortung gegeben. Er sagt uns, was Gott von unserem Leben erwartet. Wir sind aufgerufen, die Lebenszeit als kostbares Geschenk zu erkennen. Gott erwartet doch nicht, dass wir die Tollsten, die Besten, die Klügsten werden. Gott möchte, dass wir unsere Zeit nutzen. Es wäre doch so schade und traurig, wenn wir sie sie unnütz verstreichen lassen, wenn wir unser Leben nur an der Oberfläche leben und niemals das wahre Leben in seiner Tiefe erfahren. Wir sollen, das möchte Gott von uns, unser Leben nutzen für uns selbst und für die Menschen, die er an unsere Seite stellt. Damit nehmen wir die Kostbarkeit unserer Lebenszeit, wie kurz oder lang sie bemessen sein mögen, ernst. Darum sagt uns Jesus: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen. Uns ist so unendlich viel gegeben mit unserer Lebenszeit. Nehmt das ernst, hören wir heute wieder. Denn es ist Gott doch nicht einerlei, wie wir leben und was wir aus unserem Leben machen. Er wird uns fragen, jeden Einzelnen von uns. So viel bedeuten wir ihm. So kostbar und wertvoll ist unser Leben in Gottes Augen.

Und Gott möchte, dass wir erwartungsvoll leben. Der Tod kann als Erlösung kommen, er kann uns schmerzhaft trennen von dem, den wir lieben. Doch: Der Tod, das glauben wir als Christen, ist nie das Ende. Gottes Weg mit uns geht weiter über Tod und Grab hinaus. Jesus sagt uns, was uns nach unserem Sterben erwartet - oder besser: wer uns nach unserem Sterben erwartet! Wir dürfen so viel erwarten, denn wir dürfen ihn erwarten, Jesus Christus, den Herrn selbst, der den Tod überwunden hat. Uns erwartet der, der uns dieses Leben anvertraut, der unser Leben hier mit allem Schönen und Schweren begleitet hat. Das ist der tiefe Sinn, wenn wir im Glaubensbekenntnis von dem Wiederkommen Christi sprechen. Und so wie es im Gleichnis heißt: Der Herr wird den vertrauensvollen und erwartungsvollen Knecht über alle seine Güter setzen, so dürfen wir darauf hoffen: nach diesem Leben erwartet uns die ewige Heimat Gottes, sein ewiges Zuhause, sein ewiger Trost. Das dürfen wir hoffen für die, um die wir heute trauern. Und uns selbst soll dieses Wort ermutigen, selbst voller Vertrauen und Erwartung zu leben auf ihn hin, unseren Herrn.

Und was ist mit denen, deren Leben doch in die Brüche gegangen ist oder die nur an der Oberfläche des Lebens geblieben sind? Auch die dürfen wir in die gnadenvollen Hände Gottes geben. Er wird oft mit Trauer, aber noch mehr mit Trost vollenden, was hier unvollendet geblieben ist. So lasst uns von diesem Totensonntag den Blick in die Ewigkeit mitnehmen. Am Ende unseres Lebens und unserer Welt wird es Gott sein, der uns erwartet. Christus hat uns mit seinem Kreuz den Weg in Gottes Reich geöffnet. So dürfen wir auch vertrauensvoll und erwartungsvoll sterben. Denn er wird da sein, der uns sagt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!" Amen

 



Pastor Peter Schuchardt
25821 Bredstedt
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

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