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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag im Advent, 11.12.2011

Predigt zu Römer 15:5-13, verfasst von Ralf Reuter

 

Liebe Gemeinde, der Advent ist schön und tief und geheimnisvoll. Er ist plötzlich da, Ankunft mitten im Schlußspurt des alten Jahres. Er hat etwas von einem Glauben, der das Leben tragen kann. Doch wer weiß das schon genau? Wer kann das von sich wirklich sagen? Ist das die Hoffnung? Martin Luther hat einen wundersamen Satz in einem Adventslied verfasst: Der Glaub bleib immer im Schein (EG 4,4).

Der Glaube bleibt immer im Schein, wie ein einsames kleines Licht, das den ganzen Raum ausleuchtet? Dieses Experiment im Advent, am späten Nachmittag nur die Kerzen des Adventskranzes anzuzünden, machen Sie das? Halten Sie das in der Dämmerung oder Finsternis aus, nur mit einem kleinen Licht? Es braucht Geduld, und irgendwann stellen sich die Augen darauf ein und beginnen zu sehen.

Mit den Augen des Glaubens das Leben neu zu sehen, der Glaubensbrief von Paulus an die Gemeinde in Rom enthält dazu Worte, die wie Kerzen leuchten können. „Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch..." (5), damit beginnt der Text. Und er endet mit: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben..." (13). Eine Bewegung von der Geduld und des Trostes zur Hoffnung, der Glaub bleib immer im Schein.

Dazwischen werden harte Fragen des Lebens gestellt. In Rom gab es sogenannte Starke und Schwache im Glauben. Und es gab Christen, die vom Judentum her kamen, und welche, die Heiden waren. Neue alte Fragen: Gehöre ich dazu? Bin ich willkommen? Genüge ich den Anforderungen? Was bedeutet Glauben in einer Welt der unterschiedlichen Herkunft? Es sind Fragen in Zeiten des Advents, an eine Kirche im Advent.

Da schließen sich zugleich persönliche Fragen an: Muss ich erfolgreich sein? Muss ich das richtige anhaben? Muss ich stark im Glauben sein? Muss ich schon immer für die Kirche gewesen sein? Oder darf ich meine eigenen schwierigen Geschichten haben? Darf ich in Beziehungen gescheitert sein? Darf ich einer sein, der Erfolg hat, der ständig nur arbeitet? Darf ich einer sein, der weniger hat als andere?

Der Glaub bleib immer im Schein, sagt Martin Luther in dem Adventslied: Nun komm der Heiden Heiland (EG 4,4). Der Glaube kommt mit dem Licht dessen, der vom Himmel gekommen ist, zu den Starken und den Schwachen, zu den Insidern und den Dazukommenden, und eben auch zu den Heiden. Findet euch zusammen, in diesem Sinne schreibt Paulus nach Rom, lobt Gott wie aus einem Munde. Wo ihr miteinander singt, steht ihr alle im Schein des Glaubens. „Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob." (7)

Im Advent wird dieses Annehmen eingeübt. In dem neueren Lied „Seht die gute Zeit ist nah" (EG 18), heißt es in der zweiten Strophe etwas plakativ: „Hirt und König, Groß und Klein, Kranke und Gesunde, Arme, Reiche lädt er ein...", aber genau das ist gemeint. Zu unseren Andachten und Adventsfeiern müßte man die Insider auffordern, hinzugehen und dort nicht nur in ihrer eigenen Gruppe zusammen zu sitzen. Unterhaltet euch mit denen, die ihr erst mal für gering oder als Andersartig anseht! Und den Dazukommenden könnte man gut zureden, sich dort hin zu trauen. Besonders wenn sie aus einem anderen Stadtteil Göttingens kommen, anders aussehen oder im Rollstuhl fahren.

Kirche ist immer unterwegs von der Geduld und dem Trost zur Hoffnung. Es ist die Bewegung von Jesus, der die Menschen sammelt, sie mit den hoffnungsvollen Augen Gottes ansieht und in ihnen den Glauben entfacht. Einen Glauben, mit dem auch die eigene Unzulänglichkeit angenommen werden kann. Und einen Glauben, der im anderen nicht den sieht, dem ich überlegen bin und ihn dadurch abwertet. Kirche ist da, wo unterschiedliche Menschen vom Licht des Glaubens erleuchtet werden können.

Und doch, liebe Gemeinde im Advent, ist jeder Glaube immer auch einzeln und persönlich. Er wird sich im Alltag bewähren. Dieser Heiden Heiland, er will mir selber ein Heiland werden. Er will mir in meinem Inneren sagen, dass ich dazu gehöre. Es sind Bibelworte, in denen wir den Schein, das Licht des Glaubens erkennen. Martin Luther beschreibt es in seiner Adventspredigt so: „Zum Christsein gehört es, Geduld zu haben, die sich nicht irdischen Geldes und Gutes getröstet, sondern allein des Wortes der Schrift." (Luther, Ep-Ausl. n. Ellwein, 1, 322)

Bibelworte, durch die in einem der Glaube aufleuchten kann, weil in ihnen Gott selber begegnet. Die Schrift „ist wohl ein papiernes Buch", sagt Luther weiter, „aber Gott läßt sich hernieder und senkt sich in die Buchstaben, so daß sie sein Wort sind, auf das die Menschen ihren Trost und ihre Hoffnung setzen können."(ebd)

Paulus führt das beispielhaft vor Augen. Viermal setzt er in seinem Schreiben ein göttliches Zitat ein. Er zitiert aus den Psalmen einen Beter, der Gott dankt, dass er als Heide dazugehört: „Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen"(9). Zwei ähnliche Gottesworte schließen sich an bis zum vierten Wort, das sehr weihnachtlich daher kommt. „Es wird Kommen der Sproß aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden, auf den werden die Heiden hoffen." (12) Aus der Wurzel Isais, das ist die Herkunft von Jesus.

Vier Bibelworte, der Glaub bleib immer im Schein: Was sind ihre persönlichen Worte, die Sie begleiten? Können wir vier Bibelworte als Kerzen benennen? Uns einen persönlichen Adventskranz mit Bibelworten zusammenstellen, um uns von ihm her wieder neu den Glauben anzünden zu lassen? Der Taufspruch, ist der da? Wer ihn nicht mehr weiß, der suche sich selber einen Bibelspruch. „Der Herr ist mein Hirte" (Ps 23,1), die erste Kerze auf meinem Adventskranz. Ich möchte in diesem Advent darüber nachdenken, was es bedeutet, geführt zu werden. Gott als der gute Hirte, der mich durchs Leben führt.

Und die zweite Kerze? Gibt es einen Konfirmationsspruch? Bei den Konfirmanden kommt er noch. Ihr könnt schon mal in die Bibel schauen, ob Ihr einen für euch findet. Es gibt die Bibel auch online. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat" (Ps 103,2). Mein Spruch gegen den Neid. Ich habe alles erhalten, was ich zum Leben brauche, auch wenn andere viel mehr haben.

Die dritte Kerze? Bitte keine Anforderungsübung daraus machen, Gottes Worte werden geschenkt. Bei einigen kann es der Trauspruch sein, muß aber nicht. „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat" (1.Petr 4,10), das passt zum Advent. Den anderen nicht nur als Konkurrenten sehen, sondern ihn stark machen und ihm Gutes tun, mit dem, was ich gut kann. Im Lichte des Glaubens ist immer auch jemand zu erkennen, der einen braucht.

Und die vierte Kerze? Soweit ist es noch nicht. Wir haben noch Zeit im Advent. Setzen Sie sich hin und lassen sich von der Hoffnung einfangen, von der Paulus nach Rom schreibt: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, daß ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes." (13)

Die Hoffnung, die immer reicher wird: Das ist tatsächlich die Situation, in der keine Hoffnung ist, und erst durch viel Geduld und Trost eine zu erkennen ist, die vom Himmel kommt. Ich biete als vierte Adventskerze meinen Ordinationsspruch dazu an: „Siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und unverzagt seist. Laß dir nicht Grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst." (Josua 1, 9)

Der Glaube, der uns wie Kerzen durch Worte Gottes angezündet wird, er beginnt immer in der Geduld und will zur Hoffnung führen. So wie wir sind, mit den Geschichten, die wir mitbringen, den Zweifeln, die wir haben, den Leidenschaften, die uns prägen, und der uns dennoch verwandelt. Als Gemeinde auf dem Weg durch die Zeit, und als Einzelne unterwegs, mit uns selber und mit anderen.

Es ist wunderschön, wenn Martin Luther dichtet: Der Glaub bleib immer im Schein. Ich stelle mir dabei gerne vor, wie ein kleines Adventslicht flackert und nach einiger Zeit den ganzen Raum ausleuchtet. Worte des Glaubens, die uns leiten. Ob es Sprüche sind, die uns an den persönlichen Weggabeln geschenkt wurden, oder Worte, die wir neu gehört haben. Sie sind Zeichen für den Glauben im Leben, in der Bewegung vom Advent zum Weihnachtsfest. Der Glaub bleib immer im Schein. Amen.



Pastor Ralf Reuter
Göttingen
E-Mail: Ralf.Reuter@evlka.de

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