Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Altjahresabend, 31.12.2011

Predigt zu Exodus (2. Buch Mose) 13:20-22, verfasst von Manfred Wussow

So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.

Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.

Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

 Am Rand der Wüste

Sie wissen nicht, wo Sukkot ist? Auch nicht, wo Etam? Macht nichts. Sie werden bestimmt nicht hin wollen. Sollten Sie aber Freude daran haben, auf einer Karte nachzusehen – Sie werden suchen müssen! Um nicht zu sagen: Sie werden raten lernen. Es sind also geheimnisvolle Orte. Sukkot und Etam.

Ein kleines Geheimnis will ich schon einmal lüften: Sukkot ist der erste Ort, den das Volks Israel erreicht hat, nachdem es Ägypten hinter sich gelassen hat. Viele Jahre der Fremde, auch der Fremdherrschaft, waren an ihr Ende gekommen. Der erste Ort, aufzuatmen, hinter sich zu schauen, eine Last los zu sein: Sukkot. Wie schön sich dieser Name anhört. Er zergeht auf der Zunge. Ich höre das Lachen, freue mich mit. Aufgeräumte Stimmung. Aufbruch. Neuanfang. Sukkot!

Aber schon der nächste Ort auf der unbekannten Route ins Unbekannte schmeckt nach Wüste. Ob Sand, ob Stein, ob Wildnis – der Weg wird unwegsam werden, anstrengend – und scheinbar unendlich. Öde, soweit man sehen kann. Etam. Am Rand der Wüste. Noch weiß keiner, wie es werden wird, wie lange es dauert, wer auf der Strecke bleibt. Am Ende des ersten Tages in der Freiheit – Wagnis. Ungewissheit. Besorgte Blicke. So hat sich das keiner vorgestellt. Manch einem beschleicht das Gefühl, besser geblieben zu sein, wo man war. Wie schnell doch Aufbruch bitter zu schmecken beginnt …

Ein letzter Stopp. Morgen schon geht es weiter. Etam.

Sie wissen nicht, wo Sukkot ist? Auch nicht, wo Etam? Vielleicht wissen Sie das doch viel besser, als Sie erst dachten. Weil  Ihnen die Geschichte nicht fremd ist, die sich zwischen diesen beiden Orten abspielt.

Aber am besten lese ich uns vor, was wir im zweiten Buch Mose - es heißt auch: Exodus, Auszug – lesen können (13,20-22):

So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.

Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.

Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

Wolkensäule und Feuerschein

Ein anderer Ton. Ein neuer Ton. Zwischen Sukkot und Etam. Gott zieht nicht nur mit – er zieht seinem Volk voran. Mehr als erwartet, mehr auch als zu erwarten war. ER ist  ganz vorne. Und gut sichtbar. Verlässlich. Vertrauenerweckend. Wolkensäule und Feuerschein!

Der Tag ist gerettet. Die Nacht auch. Und der Weg durch die Wüste? Gebahnt. Vorgezeichnet. Abgesteckt. Ich könnte mich in diese Bilder verlieben. Sie lassen mir sogar einen weiten Raum, eigene Schritte zu gehen. Aber die Angst stellt mir nicht mehr nach. Ich muss ihr auch mein Herz nicht leihen. Wolkensäule und Feuerschein!

Gott macht seinem Namen alle Ehre: Ich bin der, der mit dir geht. So hat er sich Mose vorgestellt. Und eine Geschichte in Gang gesetzt, die ein gelobtes Land führen sollte. Den Weg durch die Wüste eingeschlossen. Irrungen eingeschlossen. Sünde eingeschlossen. Gott lässt sich nicht hindern, auch nicht klein kriegen. Er bleibt sich und seinem Volk treu. Wolkensäule und Feuerschein!

In Sukkot hätte es fast vergessen werden können, dass Gott die Geschichte angestoßen hat – so toll war die Erfahrung, nicht mehr Sklave zu sein. In Etam schon – wie schnell das geht! – kam die Angst dazu, auf einmal in die Freiheit gehen zu müssen und ganz allein zu sein. Am Rand der Wüste. Und dann: Wolkensäule und Feuerschein. Was sich in Worten nicht sagen lässt, wird von Gott einfach auf den Himmel gelegt. Der ist eben immer – vor mir.

Altjahrsabend

Heute begehen, feiern wir den letzten Tag des Jahres 2011. Jeder, jede von uns hat längst einen eigenen Jahresüberblick versucht. Überblick! Die Mühen und Freuden der Tage sind längst verwischt. Übrig geblieben sind die besonderen und herausragenden Erfahrungen, im Guten wie im Bösen. Eine neue Arbeit. Hochzeit. Kinder. Scheidung. Tod. Ich weiß nicht einmal, wie ich das alles in eine Reihe bekomme. Bändigen kann ich es eh‘ nicht. Aber ich sehe den Lichtschein. Die Schatten auch.

Die große Geschichte hat ihre Spuren bis weit in unser Leben gezogen. Stichworte wie Wirtschafts- und Finanzkrise, Rettungsschirm , Schulden – und und … lassen sich nicht abhaken, heute Abend nicht. Morgen auch nicht. Wir werden weiter arbeiten, auch weiter fragen, vielleicht sogar weiter zittern und zürnen. Der 31.12. hat trotzdem seinen eigenen Reiz. Wir zelebrieren ihn. Die Grenze gar zum Karneval ist fließend. So leicht fällt es vielen Menschen nicht. Sie denken mit Sorge daran, wie es weiter geht. Halten wir lieber einmal ein  – um getrost und mutig in ein neues Jahr zu gehen.

Sukkot und Etam sind auf einmal Orte auf meiner Lebenskarte. Ich werde sie einfach anders nennen – und zwischen ihnen auf dem Weg sein.

Nicht vom Winde verweht

Als ich die kleine Szene aus dem 2. Buch Mose las, dachte ich erst, mit Wolken und Feuerschein hereingelegt zu  werden. Ich schaue den Wolken gerne nach. Ich sehe, wie sie sich verformen. Ich betrachte ihre Färbung. Ich freue mich an dem Licht. Aber stetig, verlässlich sind sie nicht.  Sie sehen gleich schon anders aus.  Und eine Richtung haben sie auch nicht. Schaut mal! Wolken stehen für Lebendigkeit, Vielfalt – und Veränderlichkeit.

Dass sie, gerade sie, zu einem Zeichen der Nähe Gottes werden, gehört zu dem Reichtum der Bildwelt, die Menschen sich haben schenken und einfallen lassen, um dem Unaussprechlichen mit Vertrauen zu begegnen. Es sind nicht die Wolken, auch nicht der Feuerschein in der Nacht: ER ist es, der sich uns verspricht, uns die Treue hält und unsere Wege teilt. Dass es dafür Bilder gibt, können wir nicht genug loben. Heute Abend. Er, der die Sterne mit Namen kennt und unsere Haare zählt – das sind andere Bilder – begleitet uns auf unseren Wüstenwegen, an Abgründen, an Tiefpunkten. Die Vielfalt der Wolken, die Lichter in der Nacht: Sie passen zu ihm, sie passen zu mir. Doch das ist sein Name, von Anfang an: Ich gehe mit.

Sie wissen nicht, wo Sukkot ist? Auch nicht, wo Etam?

Schauen Sie einmal auf Ihr Leben, auf Ihr Jahr.

Und Wolkensäule und Feuerschein haben Sie auch gesehen.

Ich bin mir da sehr sicher.

Und der Friede Gottes,

der höher ist als unsere Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne

in Christus Jesus,

unserem Herrn.

 

Ps. 121  Ein Wallfahrtslied.

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.

Woher kommt mir Hilfe?

Meine Hilfe kommt vom HERRN,

der Himmel und Erde gemacht hat.

Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,

und der dich behütet, schläft nicht.

Siehe, der Hüter Israels

schläft und schlummert nicht.

Der HERR behütet dich;

der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand,

dass dich des Tages die Sonne nicht steche

noch der Mond des Nachts.

Der HERR behüte dich vor allem Übel,

er behüte deine Seele.

Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang



Pastor Manfred Wussow
Aachen
E-Mail: M.Wussow@gmx.de

(zurück zum Seitenanfang)