Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Neujahr/1. Sonntag nach dem Christfest, 01.01.2012

Predigt zu Matthäus 6:5-13, verfasst von Lasse Rødsgaard Lauesen

Die Zeit ist ein Paradox, denn obwohl wir mit einer Uhr am Arm rumlaufen und damit die die Zeit in kleinsten Happen messen, erleben wir sie sehr unterschiedlich. Für das Kind vergeht die Zeit langsam, eine Fahrt im Auto kann in seinem Erleben eine Ewigkeit dauern, wie auch der Teenager, der oder die auf eine SMS wartet, Stunden zu einer Ewigkeit werden lassen kann, während wir immerzu das Gefühl haben, es sei gleich Weihnachten, denn die Zeit vergeht so ungeheuer schnell. Alles, was wir tun, ist dem Ticken der Uhr ausgeliefert, die Zeit vergeht und hinterlässt uns verwandelt. Nie sind wir dieselben Menschen, denn die Zeit fügt immer etwas hinzu und nimmt etwas weg.

            Gott dagegen hat (die) Zeit, er ist derselbe – gestern, heute und morgen, und er hat Zeit, uns zuzuhören. Er gibt sich Zeit für uns Menschen, und er hört dir zu, wenn du ihn mit einem Vaterunser anrufst.

            Er ist Vater für dich, der du glaubst, die Zeit sei stehengeblieben, für den, der glaubt, das Ende nähere sich zu schnell, und für das Kind, das in seinem Bett liegt und das Vaterunser betet, wenn es dunkel wird. Gott kommt uns ganz nah, wenn wir ihn wie im Vaterunser in unser Leben einladen. Sein Name ist selbstverständlich an sich schon heilig, aber wir möchten wohl auch gern, dass er auch bei uns heilig wird.

            Vielleicht ging es den Jüngern genau so, als sie, wie Lukas erzählt, Jesus darum baten: Lehr uns zu beten.

            Sie wollten durch das Gebet Gott Platz haben lassen in ihren Leibern und ihre geschäftige Aufmerksamkeit auf ihn richten. Sie wollten die Zeit Zeit sein lassen und darüber meditieren, was geschieht, wenn man die Zeit des Menschen mit der Ewigkeit Gottes zusammenbringt.

            Das Vaterunser ist der Ort, an dem es für die meisten von uns begann; als wir noch Kinder waren, falteten wir, ehe wir ins Bett gingen, unsere Hände und beteten geborgen und voller Vertrauen zu unserem Vater im Himmel. Denn wenn Jesus ihn Vater nannte, dann war er wie der Vater, den wir kannten und der zugleich unser Vater war und derjenige, der die ganze Welt in seiner Hand hatte; der, wenn wir des Nachts weinten und Angst hatten, unsere Tür aufmachen und sagen konnte: du brauchst keine Angst zu haben. Genauso ist es mit Gott, der schon, bevor wir es gesagt haben, weiß, was wir brauchen. Und der uns Menschen mit den Worten begegnet: Fürchtet euch nicht!, wenn wir die allergrößte Angst vor ihm haben.

            Das Reich Gottes ist in der Weihnacht zu uns gekommen in der Gestalt eines Kindes, des Kindes, dessen Vater Gott war. In der Weihnacht wurde Gott Vater und er spitzte von nun an die Ohren, wenn wir wie Jesus ihn anriefen mit den Worten Vater im Himmel. Maria und Josef wurden zu denen, die sich des Kindes in der Welt annahmen und für es sorgten, als irdische Eltern. Das Kind lernte auf diese Weise sowohl die irdische Liebe in der Zeit kennen als auch Gottes ewige Liebe.

            Über Gottes ewige Liebe erzählte das Kind, als es erwachsen geworden war, dass wir uns nicht vor ihm fürchten sollten, denn Gott war wie ein Vater, der sich unserer annehmen und uns zu einem Teil seines Reiches machen würde.

            Jesus war das Reich Gottes mitten unter uns, und er zeigt uns fortgesetzt, wie wir die Ewigkeit in unsere eigene Zeit hineinnehmen. Denn sein Leben ist nicht bloß wie unser Leben die Geschichte von einem Kind, das allmählich erwachsen geworden ist. Denn er kannte seinen eigenen Ursprung und kann uns lehren, wie die Zeit mit etwas Ewigem erfüllt werden kann. Damals richtete er Menschen auf, so dass sie sich aufrichteten, er vergab ihnen, heilte die Kranken, trieb das Böse aus und auferweckte die Toten.

            Heute haben wir sein Wort, dass uns uns aufrichten lässt, denn wenn das Vaterunser lautet, stärkt es uns und richtet uns auf. Jesus fordert uns auf, heute um das tägliche Brot zu beten, denn Gottes Fürsorge ist nicht weitschweifig, sondern sie gilt konkreten Dingen, etwas so Realistischem wie dem Brot, das wir uns einverleiben. Das ist heute. Gott greift in dein Leben ein und gibt dir Anteil an der Freude, die darin besteht, der Ewigkeit entgegenzugehen. Denn heute will er dein Leben auf Gottes ewige Liebe richten.

            Ein Sprichwort sagt: „Des einen Tod ist des Andern Brot!“ − dass das so ist, hat seinen Grund vielleicht darin, dass der Wille Gottes in unserer Zeit es schwer hat. Denn außer, dass wir Brot bekommen, können wir es auch von den Anderen nehmen, auch wenn wir wissen, dass wir auf diese Weise den Willen Gottes nicht geschehen lassen.

            Tun wir das, haben wir fortgesetzt Gott nötig, nicht dass er uns Brot gibt, sondern dass er uns gibt, was wir nicht mehr haben, nämlich ein sündenfreies Leben.

            Das Element des Bösen ist die Zeit, weil uns eine Frist gesetzt ist, daher geht es darum, an sich zu raffen. Heute müssen wir mit allen Mitteln das tägliche Brot haben, nicht erst morgen. Gott löst uns im Vaterunser von der Schuld, die uns sonst anhaften würde, und gibt uns dadurch Zeit für Wandel oder, wie man zur Zeit Jesu sagte, zur Umkehr. Viele von uns haben das Vaterunser immer wieder gebetet, ehe der Schlaf sie übermannte und das Gebet in Träume hinüberging. Und sie haben gewünscht, dass der Name Gottes heilig für uns werde und dass das Reich Gottes nicht einfach nur in der Zukunft kommen sollte, sondern schon heute. Und wir haben darauf gehofft, dass wir es vermöchten, den Willen Gottes geschehen zu lassen. Hier sitzen wir mit einem Kater und den Ascheresten von Knallkörpern an den Fingern und bereiten uns darauf vor, das neue Jahr in Besitz zu nehmen.

Wir können wünschen, dass wir all das erleben dürfen, was wir für das kommende Jahr geplant haben, so dass wir auch einander ein frohes neues Jahr wünschen können. Wir können jedoch nicht einander darum bitten, dass das geshieht. Wir müssen uns an etwas wenden, das größer ist, und dann heißt es plötzlich nicht mehr „wünschen“ sondern „beten“ − wenn wir darum beten, dass der Wille Gottes geschehe mitten in unserem vollgestopften Kalender und dass er uns ein gutes neues Jahr schenken möge.

            Denn Gott ist es, der die Zeit hat, die Zeit, unser Gebet zu erhören, die Zeit, uns das zu vergeben, war wir uns nicht selbst vergeben können, und die Zeit, uns aufzurichten, so dass wir es wagen, der Zukunft entgegenzugehen. Er hat Zeit, auf uns zu warten und seine Ewigkeit unsere Zeit einholen zu lassen

Ein frohes Neujahr!

Amen



Pastor Lasse Rødsgaard Lauesen
Paarup, DK-5210 Odense NV
E-Mail: lrl@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier, E-Mail: dharbs23@gmail.com


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