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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 29.01.2012

Predigt zu Exodus (2. Buch Mose) 3:1 - 10, verfasst von Peter Huschke

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn, Jesus Christus!

Gott ist gegenwärtig (EG 165, 1).

Wie soll das gehen? Wie kann das geschehen?

Viele schlaue, hilfreiche und kluge Gedanken gibt es zu dieser Frage. Theologisch gebildete und fromme Menschen haben sich darüber den Kopf zerbrochen. Sie haben vielgeschrieben, komponiert, gemalt und gedichtet. Die Bibel, Altes und Neues Testament sind voll von ganz unterschiedlichen Gedanken, Erfahrungen und Geschichten zu dieser Frage:

Gott ist gegenwärtig. Wie soll das gehen? Wie kann das geschehen?

In unserem heutigen Predigttext wird anhand der Person des Mose davon erzählt, wie Gott für Menschen gegenwärtig sein kann, wie wir Menschen zu Gott kommen und ihm unter die Augen treten dürfen, ihm begegnen können.

Über Jahrhunderte haben die Menschen in Israel sich das mit dieser Geschichte erzählt, die gut in den Lebenslauf des Mose passte und die man schließlich auch Mose zuordnete. Als ihr Staat Israel und ihr Tempel in Jerusalem durch die Babylonier zerstört worden war und einige von ihnen weinend an den Wassern von Babylon saßen, haben Menschen aus dem Volk Israel diese jahrhundertelang erzählte Geschichte theologisch gut überlegt aufgeschrieben. Sie sollte für Menschen aller Zeiten eine Hilfestellung sein, damit sie Gott nicht in ihrem Leben übersehen. Menschen sollten je in ihrer Zeit wie Mose merken, dass Gott für sie gegenwärtig ist, dass sie zu Gott kommen und ihm unter die Augen treten dürfen, ihm begegnen können.

Die ersten Christen und Christinnen haben deswegen später Mose ganz in diesem Sinn als Vater und Vorbild im Glauben (Hebr. 11, 23ff) angesehen.

Hören wir als Menschen im Jahr 2012 die Verse 1 bis 10 aus dem 3. Kapitel des 2. Buches Mose noch einmal:

(Textverlesung)

Gott ist gegenwärtig. Wie soll das gehen? Wie kann das geschehen?

Aus dem ganz normalen Alltag heraus geschieht das, wird uns am Beispiel Moses erzählt:

Vers 1ab.

Gott begegnet uns in Zeiten, in denen wir wie Mose unserem ganz normalen Alltagsgeschäft nachgehen. Wir sind keine Schafhirten, liebe Gemeinde. Wir gehen unseren Berufen nach. Wir sind am Arbeitsplatz, in der Familie, in der Schule oder im Rentnerdasein.

Genau so passt das für Gott. Hier kann er uns wie Mose begegnen.

Liebe Gemeinde, aus dem heutigen Predigttext erfahren wir noch dazu, dass der Alltag des Mose anders als der bei den meisten von uns ein Alltag mit erheblichen dunklen Seiten war. Mose hatte einen anderen Menschen erschlagen. Er war auf der Flucht. Der Schafhirte war ein Flüchtling mit kriminellem Hintergrund, der einiges auf dem Kerbholz hatte.

Selbst von solchen Schattenseiten unseres Lebens lässt Gott sich nicht abhalten, uns wie Mose zu begegnen.

Tröstlich für uns, wenn es in unserem Leben auch solche Schattenseiten gibt! Gott ist für uns auch gegenwärtig, wenn wir uns wie Mose Schlimmes in unserm Leben zu Schulden haben kommen lassen, bevor sich unser Alltag jetzt wieder so normalisiert hat wie heute. Wir dürfen Gott immer unter die Augen treten, selbst wenn wir unser Bild im Spiegel selber nicht mehr leiden können. Gott sucht die Begegnung mit uns, will uns an seinem Tisch begegnen, wie Mose am Dornbusch.

Das Nächste, das mir an der Begegnung Moses mit Gott wichtig für meine Begegnungen mit Gott ist: Mose kapiert erst gar nicht, dass es Gott ist. Ihm fehlt der Blick für Gott. Mose ist begriffsstutzig und blind für Gott. Gott lässt sich davon nicht abschrecken:

Vers 2b - 4a.

Abermals gut für uns! Gott lässt sich weder durch unsere Gottesferne noch durch unsere Blindheit abschrecken. Er will uns ansprechen, wie er Mose angesprochen hat.

Liebe Gemeinde, das tröstet mich. Manchmal, vielleicht sogar ziemlich oft dürfte Gott mich wie Mose erleben: Ich bin mit den Dingen in Beruf und Familie beschäftigt. Wenn ich mal Luft habe, genieße ich es, meine Zeit für Hobbys einzusetzen. Gott begegnen, nein, das habe ich nicht auf dem Schirm. Ich hätte gar nichts dagegen. Ich bin aber genauso blind wie der Flüchtling und Schafhirte Mose, als der meint, einen brennenden Busch zu sehen, der nicht verbrennt.

Ich kann Gott nur danken, dass er sich Menschen wie Mose und hoffentlich mir auch doch zu erkennen gibt. Verdient habe ich das so wenig wie Mose. Mose ist auch da mein Vater im Glauben.

Gott ist gegenwärtig. Wie soll das gehen? Wie kann das geschehen?

Dass Gott mir im Alltag begegnet. Dass ich da oft blind bin. Diese zwei Dinge leuchten mir an der Geschichte von Moses Gottesbegegnung sofort ein. Auch dass Mose nach der Begegnung als Letztes einen Auftrag bekommt, der ihm nicht nur angenehm ist. Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber dass Gott sich durch eine Stimme zu erkennen gibt, das fällt mir schwer, mir vorzustellen.

Erst einmal höre ich so gut wie nie Stimmen. Wenn ich mir einbilde, eine zu hören, dann bin ich ausgesprochen unsicher, ob das Gottes Stimme ist oder ob ich mir da nur selber etwas einrede. Ich kann mir psychologisch so viel erklären. Ich bin unsicher und skeptisch.

Ich bin heilfroh, dass die Menschen in der Bibel, die da von ihrem Glaubensvorbild Mose erzählen, auch unsicher und unklar werden, als sie die Gottesbegegnung beschreiben: Erst ist von einem Engel die Rede. Dann redet Gott aus dem Busch. Dann gibt Gott Anweisungen im Blick auf heilige Räume. Dann redet Gott mit wohl gesetzten theologischen Worten. Das klingt nicht wie aus einem Guss, sondern stammelnd. Ich merke an dieser Erzählung: Wenn Menschen Gott begegnen, können sie Gott nicht mit ihren Vorstellungen und Gedanken festlegen. Das ist einfach so.

Das gilt dann auch für mich, wenn ich Gott begegne: Meine Worte, meine Vorstellungen reichen nicht, um die Begegnung Gottes zu erfassen oder nur wiederzugeben. Meine Worte bleiben Stammeln vom Heiligen. Wenn ich Gott begegne, bleibt er mein unfassbares Gegenüber. Ich muss damit leben, dass ich von Gottesbegegnungen nur mit unzureichenden Worten und Bildern reden und schreiben kann.

Gott gibt sich eben auch in dieser Erzählung nur in für uns und durch uns Menschen begrenztem Umfang zu erkennen. Er erzählt von seiner gemeinsamen Geschichte mit Israel, mit Mose:

Vers 6a. 8a. 9f

Ja, so in dieser beschränkten, immer auch zweifelhaften und von anderen angreifbaren Form kann ich mir Begegnungen mit Gott vorstellen und denken und von ihr erzählen und reden.

Mir helfen da die Geschichten von den Gottesbegegnungen der Menschen im Alten und Neuen Testament. Gerade die Begegnungen Jesu mit den Menschen seiner Zeit lassen mich erahnen und helfen mir auszudrücken, wie das gehen könnte, dass ich als Mensch Gott nahe komme.

Zuerst denke ich da an die Geburt meiner Kinder durch meine Frau. Da im Kreissaal ging es mir wie Mose:

Vers 5

Auch wenn ich so richtig toll verliebt bin und mich ganz von Liebe umgeben weiß, kommt es mir vor, als ob ich Gottes Stimme höre:

Vers 5

Wenn ich Schuld auf mich geladen habe und mir ganz heiß ist und ich mich endlich zu meiner Schuld bekenne. Ja, dann ist mir manchmal, als ob Gottes zu mir sagte:

Vers 5

Auch wenn mir was überragend gelingt;

... wenn ich mich für andere Menschen, die ich liebe, ganz arg freue;

... aber auch wenn die Welt scheinbar für mich zusammenbricht und ich trotzdem nicht zusammenbreche;

... wenn andere, die ich liebe, sich von einer noch so großen Katastrophe nicht haben unterkriegen lassen, obwohl es aussah, als ob alles vorbei ist;

dann ist es so, als ob Gott mir an diesem Ort meines Lebens begegnet und mir sagt:

Vers 5

Ich bin sicher, liebe Gemeinde, solche Momente gab es in Ihrem Leben auch, wo Sie meinten, Gott begegne Ihnen wie Mose im Dornbusch. Sie seien wie Mose zu Gott gekommen. Gott habe Ihren Namen gerufen und Sie hätten wie Mose gesagt: „Hier bin ich"

Gott ist gegenwärtig. So kann das geschehen - auch wenn ich anders als es hier erzählt wird - nie ganz sicher bin, dass Gott wirklich zu mir wie zu Mose gesagt hat:

Vers 6a. 8a. 9f

Dass ich mich dann so wie Mose im Vertrauen auf Gott einer schweren Aufgabe stelle, das habe ich dagegen auch schon erlebt. Wie bei Mose ist es oft ein Auf und Ab. Vieles gelingt aber auch. Da fallen mir nun wieder Erlebnisse aus meinem Leben ein. Und ich bin sicher, dass Sie, liebe Gemeinde, da auch von Ihrem Arbeitsplatz, aus Ihrer Familie, aus der Schule oder aus dem Rentnerdasein manches erzählen können, wo Sie den für Sie begründeten Verdacht haben:

Gott ist mir begegnet. Gott war oder ist gegenwärtig.

Möge Gott uns das immer wieder mitten in unserem Alltag schenken, dass wir wie Mose zu Gott sagen können: „Hier bin ich."

Wir können uns dann in die Reihe der Menschen stellen, die von sich wie von Mose durch die Jahrhunderte erzählen: Gott ist gegenwärtig. Es ist der Gott unserer Väter und Mütter, der Vater Jesu Christi.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Gedanken und Worte, bewahre uns in Jesus Christus.

Amen



Dekan Peter Huschke
91054 Erlangen
E-Mail: peter.huschke@elkb.de

Bemerkung:
Die Predigt wird in der Neustädter Universitätskirche in Erlangen gehalten


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