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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Gründonnerstag, 05.04.2012

Predigt zu 1. Korinther 10:16 - 17, verfasst von Gerda Altpeter

     

Hans und Grete sitzen am Frühstückstisch. Sie geniessen die Ruhe, in der sie heute essen und miteinander plaudern können. Es ist Gründonnerstag. Sie haben Osterferien. Da gibt es Zeit genug. Erst vor Kurzem haben sie geheiratet und sich das Reihenhaus in der Vorstadt gekauft. Er unterrichtet am Gymnasium katholische Religion, Latein und Griechisch. Sie unterrichtet dort evangelische Religion, Deutsch und Geschichte. Sie haben ökumenisch geheiratet. Hier in der Vorstadt arbeiten die beiden Pfarreien gut zusammen. Es gibt eine ökumenische Gruppe, die sie regelmässig besuchen. In der Weiterbildung nehmen sie auch an einem Hebräisch Kurs teil. So haben sie viel zu erörtern am Frühstückstisch.

Hans sucht im Gesangbuch nach, was heute für ein Text dran ist. Er nimmt dann das griechische neue Testament und übersetzt 1. Korinther 10 Vers 16 - 17:

Der Becher des Segens, für den wir danken, ist das nicht die Teilgabe an dem Blut Christi?

Das Brot, das wir brechen, ist das nicht Teilgabe am Leib Christi?

Denn ein Brot, ein Leib, wir sind viele, denn viele haben Anteil an einem Brot.

Grete überlegt einen Augenblick, dann meint sie, dass es ein schwieriger Text sei. Sie hat nicht richtig verstanden, was Paulus meint.

Wenn die Gemeinde gemeinsam das Abendmahl feiert, dann spricht der Pfarrer einen Segen über dem Kelch. Was bedeutet das? Wir Menschen sehen darin unterschiedliche Vorgänge. Wir sind nicht einer Meinung. Eines ist wohl bei allen Menschen gleich. Wer an Jesus glaubt, für den ist dieser Kelch etwas Besonderes. Wir bekommen Anteil an Jesus, an seinem Leiden und Sterben, aber auch an seiner Vergebung und seiner Kraft. Für euch Katholiken geschieht dann eine Verwandlung. Aus dem Wein wird das Blut Christi, darum nehmen nur der Pfarrer und seine Helfer etwas davon, aber nicht die Gemeinde.

Für Lutheraner ist die Verwandlung nur so lange gültig, als die Gemeinde beisammen ist. Jeder trinkt aus dem Kelch. Wenn die Gemeinde auseinander geht, ist der Wein wieder Wein, nichts Besonderes also.

Für uns Reformierte erinnert dieser Kelch an das Blut, dient zum Gedächtnis an den Opfertot unseres Heilandes. Sie denkt dabei an die Worte Jesu:"Tut dies, so oft ihr es trinkt, zu meinem Gedächtnis."

Sie erklärt auch, dass von einem Kelch viele Menschen trinken können, und von einem Brot viele Menschen essen können. Aber, was heisst das?

Hans denkt nach. Er ist Helfer bei der Kommunion. Er hat schon oft mit erlebt, wie der Pfarrer den Kelch und das Brot gesegnet hat. Er hat auch vom Kelch getrunken, wie das üblich ist in der katholischen Kirche bei den Helferinnen und Helfern der Kommunion. Er darf auch heute wieder helfen. Er freut sich darauf.

Viele essen. Sie sind eins als Gemeinde. Sind nicht auch die anderen Christen damit gemeint? Ist nicht die christliche Kirche eine Einheit trotz aller Verschiedenheit? Gehören wir vor Gott nicht zusammen?

Eins - Viele

Wer kann das fassen? Eine Gemeinde, in der viele Mitglieder sind. Eine Kirche, in der viele Kirchen sind.

Im Gottesdienst kann man eine Gemeinde noch sehen, obwohl nie alle Mitglieder anwesend sind.

Eine Kirche, in der viele Kirchen sind. Das kann man nicht mehr sehen. Wir sprechen darum von der unsichtbaren Kirche. Nur Gott kann uns alle sehen. Wir tappen im Dunkeln.

Eins - Viele

Hans erklärt, dass es für ihn ein Geheimnis bleibt. Letztlich ist für ihn die Wandlung auch ein Geheimnis, ein mystisches Erlebnis.

Dann ist da noch die Teilgabe, von der Paulus schreibt. Jesus gibt uns Anteil an sich selbst und an seinem Leib. Jesus drückt es einmal so aus:"Ihr seid in mir und ich bin in euch." Das sagt er zu seinen Jüngern. Wie kann ein Mensch in einem anderen Menschen sein? Das geht doch nicht. Wie ist das gemeint? Leben gläubige Menschen so nah mit Gott, dass sie eine Einheit darstellen, denn Jesus ist in Gott, und Gott ist in ihm.

Mit dem Verstand ist das nicht zu fassen. Es bleibt ein Geheimnis. Gründonnerstag ist ein Geheimnis.

An diesem letzten Tag, den Jesus mit seinen Jüngern verbringt, feiert er das Päsachmahl und tut, was jeder Hausvater an diesem feierlichen Essen tut. Er segnet das Brot und gibt es seinen Jüngern, und sie essen alle davon, auch Judas. Er segnet den Kelch und sie trinken alle davon. Dabei weiss er, dass ihn alle verlassen werden. Er weiss auch, dass Judas ihn verrät. Er weiss auch, dass Petrus ihn verleugnen wird. Trotzdem feiert er mit ihnen. So beginnt es mit der Kommunion, mit dem Abendmahl. Alle dürfen daran teilnehmen. Alle sind eingeladen. Die Guten und die Schlechten, die Sünder und die Gerechten. Der einzelne entscheidet darüber, ob er sich selbst zum Heil oder zum Unheil isst und trinkt.

Trotz der Unterschiede bilden sie alle eine Einheit. Sie gehören zur Gemeinde. Sie gehören zur Kirche.

Hans will gehen. Grete begleitet ihn. Die Glocken läuten zum Gottesdienst. Vor der Kirche trennen sie sich. Hans geht in die Sakristei und Grete geht in den Gottesdienstraum. Sie kennt die meisten, die hier schon sitzen und beten. Sie setzt sich dazu. Sie wird freundlich begrüsst.

Dann beginnt die Orgel mit dem Vorspiel. Der Pfarrer, die Ministranten und die Kommunionshelfer ziehen ein.

Es folgt ein Lied, ein Gebet, die Lesung und die Predigt. Der Pfarrer versucht der Gemeinde zu sagen, was Paulus mit diesen Versen sagen will. Es geht in dem 1. Korintherbrief weitgehend um die Kommunion. Es geht um dieses Essen und Trinken, das Gemeinschaft schafft, Gemeinschaft mit Gott in Jesus und untereinander. Sind wir alle bereit zu dieser Gemeinschaft? Wollen wir das Brot, die Oblate, essen als etwas, das uns verbindet mit unserem Heiland und mit unseren anderen Gemeindegliedern?

Er erklärt auch, dass die Oblate ein Brot ohne Salz und ohne Sauerteig ist, so wie es beim Auszug der Israeliten aus Ägypten auch gewesen ist. Wir feiern wie Jesus mit seinen Jüngern, wie das Volk Israel vor gut 3000 Jahren. Wir gehören zusammen, damals wie heute. Jesus führt uns aus unserer Schuld, aus unserem Versagen, aus unserer Trennung, die durch solches Versagen geschieht. Er gewährt uns eine neue Einheit. Wir gehören zu ihm. Er gibt uns Anteil an sich selber. Wir sind in ihm und er ist in uns. So dürfen wir feiern und uns freuen.

Grete denkt, dass er recht hat. Wir dürfen uns freuen. Keiner ist allein. Wir gehören zusammen und stehen einander bei.

Dann geht sie mit den anderen nach vorne. Hans reicht ihr die Oblate. Sie schaut ihn an. Sie begreifen die Gemeinschaft, die sie verbindet. Sie freuen sich. Amen



Dr. theol. Gerda Altpeter
CH 3952 Susten VS
E-Mail: gerda.altpeter@bluewin.ch

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