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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Gründonnerstag, 05.04.2012

Predigt zu 1. Korinther 10:16 - 17, verfasst von Stefan Knobloch

 

Gott - präsent in der Welt

Gründonnerstag, der Tag, der Abend vor der Hinrichtung des Herrn, vor seinem schrecklichen Tod am Kreuz. Ein Abend, an dem Jesus seine Jünger um sich versammelt, um, den unmittelbaren Tod vor Augen, Abschied zu nehmen. So jedenfalls stellt das Johannesevangelium die Szene dar: als Abschiedsmahl. Anders die Evangelien der Synoptiker. Matthäus, Markus und Lukas stilisieren dieses Abschiedsmahl zum Paschamahl. Wie auch immer. Unsere eigenen Gedanken sammeln sich an diesem Tag um dieses Mahl, um seine eigene Dynamik, um sein Gewicht, das es für beide Seiten hatte, für Jesus wie für die Jünger.

Dazu scheint unsere Lesung aus dem ersten Korintherbrief des Apostels Paulus nicht zu passen. Zwei Sätze lediglich, die zwar von der Materie dieses Abends sprechen, vom Brot, das gebrochen wird, und vom Kelch des Segens, der unter den Jüngern die Runde macht. Verbleiben wir dennoch für einen Moment bei dieser „Materie" des Abends. Jesus deutete, nach den synoptischen Evangelien, beim Abendmahl die Paschamahlgaben des ungesäuerten Brotes und des Weinbechers in großer Souveränität auf seine eigene Person. Bis dahin standen sie und stehen sie im Judentum bis heute als Zeichen der Präsenz Gottes in der Welt, als Zeichen des göttlichen „Ich bin da" für euch. Und damit auch als anforderndes Zeichen, sich auf sie im eigenen Leben einzulassen. Jesus bezieht den Symbolgehalt der Paschamahlgaben, den Symbolgehalt von Brot und Wein nun auf seine Existenz. Ich bin dieses Brot, ich bin dieser Wein. Meine Existenz, meine Person, mein Leben, das mir genommen wird, sind Zeichen der Präsenz Gottes in der Welt. So esst dieses Brot, so trinkt diesen Wein: mein Leben, mein Fleisch und Blut - Gottes Präsenz in eurem Leben.

Von diesem Kern des Gründonnerstagsmahles spricht unsere Lesung aus 1 Kor 10,16-17 nicht. Wenigstens nicht direkt, allenfalls indirekt. Unsere Lesung kreist um eine ganz andere Thematik: um das Problem der Teilnahme von Christen an heidnischen Götzenopfermahlen. In der Tat auf den ersten Blick kein Thema, das uns auf den Nägeln brennt. Es sei denn, wir denken assoziativ an gewisse kultische Schlachtopferriten in unseren Tagen, mitten in unserer Gesellschaft, wie etwa das Schächten von Tieren. Vielleicht berührt sich diese Assoziation am Ende mit der Thematik des Paulus, jedenfalls von der Lösung her, die er in der damaligen Frage anbietet, ob Christen an heidnischen Mählern teilnehmen dürfen oder nicht.

Wir merken, das ist stimmungsmäßig nicht unser Thema am Abend des Gründonnerstags, aber wir werden von Paulus auf dieses Thema gestoßen. Versetzen wir uns in die damalige Situation, etwa zwanzig Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung. Die Christen haben sich noch längst nicht als eigene Bekenntnisgruppe gefunden. Vom Tempel gar haben sie sich noch nicht abgelöst. Da brachte wohl erst das Jahr 70, das Jahr des Untergangs des Tempels, den eigentlichen Riss. Sie suchten nach ihrem eigenen Lebensstil, nach der Abgrenzung ihres Lebens vom jüdischen und hellenistischen Lebensstil. Zumal in der hellenistisch geprägten Welt von Korinth. Da kam es über die normalen zwischenmenschlichen sozialen oder verwandtschaftlichen Kontakte zu Einladungen an Christen, an heidnischen Opfermahlfeiern teilzunehmen. In der Situation präsentiert Paulus einen klugen Rat. Rein sachlich gesehen sei gegen eine Teilnahme von Christen an solchen Feiern nichts einzuwenden. Denn sie wüssten, dass die dort verehrten Gottheiten, Paulus spricht von „Dämonen", in der Realität nicht existierten. Also beschränkte sich die Teilnahme lediglich auf den sozialen verwandtschaftlichen Kontakt, um nicht unhöflich zu sein. Dabei war es freilich so, dass manche Christen mit dieser Deutung nicht leben konnten. Sie skandalisierten sich an solchen Mahlteilnahmen. Für sie war das ein Abrücken, ja ein Verrat am Herrenmahl mit dem Kelch des Segens und dem gebrochenen Brot. Mit Rücksicht daruf sollten jene, für die die Teilnahme kein Problem war, von ihr Abstand nehmen.

Freilich geht es Paulus nicht nur um ein solches Abstandnehmen. Er nutzt die Gelegenheit, um den Korinthern und damit auch uns das Wesen der christlichen Mahlfeier in Erinnerung zu rufen. Wir werden durch unsere Teilhabe am Kelch des Segens und am gebrochenen Brot ein Leib, eine Gemeinschaft mit Christus. Paulus schreibt das in den 50er Jahren des ersten christlichen Jahrhunderts, in einer Zeit, als die Gemeinden entstanden oder im Entstehen waren. Er selbst hatte die Gemeinde im hellenistischen Korinth gegründet, in einer mondänen antiken Hafenstadt mit allem, was zu einer solchen Stadt gehörte: Sklaverei, Ausbeutertum, soziale Spannungen, Bordelle, Heidentum. In dieser Situation sollen sich die Christen immer wieder ihres Herrenmahles besinnen, um von ihm her ihr Leben zu gestalten.

Wir haben Anteil am Leibe Christi. Verständlich, dass Paulus in der damaligen Situation vor allem die gemeindliche Selbstfindung und die Abgrenzung von den anderen betonte. Wir setzen heute mit Recht einen anderen Akzent. Wenn wir uns zum Abendmahl versammeln, tun wir damit nicht etwas, was wir nur auf uns beziehen. Jenseits des unterschiedlichen Abendmahlsverständnisses zwischen den Kirchen der Reformation und der katholischen Kirche sollte uns gemeinsam sein, dass sich die Gegenwart des Herrn, die wir feiern, nicht auf diese Gaben beschränkt. Diese Gaben sind vielmehr ein sakramentales Zeichen dafür, dass Gott in der Welt präsent ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirche - und zwar nicht nur die im konfessionellen Sinn katholische Kirche - als Sakrament bezeichnet, als Zeichen und Werkzeug der Einheit Gottes mit den Menschen und der Menschen untereinander. Diese umgreifende und alles umfassende Präsenz Gottes in der Welt feiern wir im Abendmahl. Das sollte uns am Gründonnerstag neu zu Bewusstsein kommen. Was Jesus im Abendmahl tat, war keine letzte verzweifelte Aktion auf einem sinkenden Schiff! Es war ein Wirklichkeit setzendes Zeichen der dauerhaften göttlichen Präsenz in der Welt.

Von da aus können wir am Ende auf das oben erwähnte rituelle Schächten, etwa im Judentum, im Islam und anderswo, zurückblicken. Das Schächten, es mag uns befremden, wir mögen es für Tierquälerei halten. Aber wie viel Tierquälerei gibt es nicht tagtäglich in unserer auf Konsum ausgerichteten Versorgungswirtschaft! Wir sollten auf andere Religionsgemeinschaften und auf deren Riten nicht vom Standpunkt des Befremdet seins, nicht unter der Hermeneutik des Verdachts blicken. Wir sollten in ihnen, in ihrem Glauben und in ihren Riten, einen Ausdruck dafür sehen, dass Gott in seiner Welt in der Tat präsent ist und an diese Präsenz geglaubt wird.

Sie feiern wir am heutigen Gründonnerstag - trotz all dem, was ihr zu widersprechen scheint.

 



Prof. em. Dr. Stefan Knobloch
Passau
E-Mail: Dr.Stefan.Knobloch@t-online.de

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