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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 08.04.2012

Predigt zu Matthäus 28:1-8, verfasst von Leise Christensen

 

Vor einigen Jahren starb in Kopenhagen ein sehr bekannter und reicher Mann. Er starb keineswegs allein, da er sowohl Frauen als auch zahlreiche Kinder unterschiedlichen Alters hatte, so dass man hätte erwarten können, dass bei den Hinterbliebenen große Trauer herrschte. So war es wohl auch, aber ebenso groß war das Verlangen, Geld und Sachwerte zu erben. Da der Mann ein Leben als eifriger Gast in den Klatschspalten geführt hatte, waren die betreffenden Klatschjournalisten bei seinem Tod natürlich auch zu Stelle. Einer der Journalisten war Zeuge von sogar mehreren öffentlichen Auseinandersetzungen unter den Hinterbliebenen – wegen des Rechtes auf den Namen, auf die Erbstücke, auf das Geld, auf das Sommerhaus im nördlichen Seeland, auf die besten Kindheitserinnerungen, die besten Kindheitsferien und vieles andere mehr, Praktisches und Gefühlsmäßiges, alles wurde im Zusammenhang mit diesem Todesfall miteinander vermengt. Man kann vermuten, dass auch dem Pastoren, der ihn beerdigen sollte, manches über die Probleme im Kielwasser dieses Todesfalles zu Ohren gekommen war. Jedenfalls hielt er bei der Beerdigung in der Kirche eine schöne Rede, eine Rede, die nur in einem möglichst bescheidenen Umfang auf den Verstorbenen und seine Meriten zu sprechen kam, aber die Vergebung der Sünden, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben verkündigte, indem er von der Erzählung von den Frauen am leeren Grab ausging, die wir eben gehört haben. Der Klatschjournalist konnte dann am folgenden Tag in seinem Blatt schreiben, dass der Pastor es vermieden habe, über den Verstorbenen etwas zu sagen, weil er Tumult ähnliche Zustände am Sarg befürchtet habe, und dass er stattdessen von Ostern erzählt habe, obwohl die Beerdigung mitten im Sommer stattfand und es also keineswegs die Zeit von Ostern mit Osterhasen, Eiern und Häschen war. In den Augen des Journalisten war die Rede des Pastoren einfach der größte Unsinn, eine waschechte Antiklimax, und geradezu lachhaft, denn wer will von der Vergebung der Sünden, der Auferstehung des Fleisches und dem ewigen Leben sowie anderen auf Ostern bezogenen Dingen hören, wenn man sich einen guten und saftigen Streit der Erben über den Sargdeckel hin versprechen kann. Dieses letztgenannte Szenarium wäre doch zweifellos in dem Klatschorgan weitaus unterhaltender gewesen als bloß dies, dass man vor 2000 Jahren an einem Ostermorgen ein Grab leer fand. Hier aber irrte der Journalist. Es mag wohl sein, dass der unmittelbare Unterhaltungswert einer ganz gemeinen Schlägerei größer ist, als wenn man von den Frauen am leeren Grab hört, aber es geschieht doch nicht ohne Grund, dass man das Evangelium von Ostern an jedem Sarg hört, in dem ein bekannter, ein unbekannter, ein sogenannter gewöhnlicher Mensch (so einen habe ich allerdings nie angetroffen − alle sind doch in Wirklichkeit ganz und gar ungewöhnlich) oder eine Berühmtheit liegt. Was an jenem Morgen geschah, an dem Maria Magdalene und die andere Maria zu dem Grab hinauskamen, einem Engel begegneten und das Grab leer fanden, übertrifft bei weitem einen für eine Klatschblatt interessanten Streit. Denn was damals von Jesus galt, gilt auch für uns heute. Wie Jesus am dritten Tag auferstand, werden auch wir eines Tages auferstehen, am jüngsten Tag, an dem die Ostersonne ihr Freudenlicht über die Welt ausbreitet. Für viele reißt der Film hier – und das war es wohl auch, was dem Journalisten passierte. Es ist ganz einfach unglaublich, eine zukünftigen Welt ist unbegreiflich, wenn es doch in dieser Welt, die wir kennen und in der wir leben, genügend Dinge gibt, um die wir uns kümmern müssen. In gewisser Weise muss man wohl beide Fragen mit ja antworten. Ja, es ist recht unglaublich, was da am Grab geschah, und ja, es gibt schon genug in dieser Welt, dessen man sich anzunehmen hat, so dass man sich um eine künftige Welt nicht zu kümmern braucht. Und doch genügt es nicht, nur mit einem Ja zu antworten. Denn das, was an jenem Ostermorgen vor fast 2000 Jahren geschah, wirft ein völlig neues Licht auf das Leben und die Existenz auch in derjenigen Welt, die wir kennen und bewohnen. Es ist ein Licht, das man nicht so direkt wiegen und messen kann, das man aber trotzdem in jedem einzelnen Menschenleben wahrnehmen kann.

Neulich geschah etwas, was in meinem Leben immer mal wieder geschieht: Ich versank in Gedanken. Ich war dabei, einige alte Bücher zu sortieren, die in meinem Büro schon seit langem in einem großen ungeordneten Haufen auf dem Fußboden gelegen hatten. Jetzt sollten die Bücher also endlich ins Regal gestellt werden. Basta. Ich kam jedoch nur bis ungefähr zum dritten Buch in dem Haufen, bis ich ein Buch fand, in dem ich schon lange nicht mehr gelesen hatte, tatsächlich mehrere Jahre nicht mehr, und das mich sehr direkt  zu einem kurzen Lesewiedersehen in meinem Sessel aufforderte. Es war tatsächlich das in den 70er Jahren so bekannte und verketzerte chinesische Büchlein Das kleine rote Buch von Mao. Darin stand überaus interessanterweise über die Töchter Chinas, dass sie Uniformen so sehr liebten, dass sie alle gleich aussahen und täglich, bereit zum Schuften, in ihren blaugrauen Jacken mit chinesischen Kragen und in chinesischen Schuhen, so auf Arbeit gehen konnten. Weiter stand da, dass sie Seide nicht mochten, weil so etwas völlig überflüssig wäre, wenn man doch seine gute blaugraue Uniformjacke mit chinesischem Kragen hatte, die beiden Geschlechtern gut stand. Denk mal an: ich glaube nicht, dass Mao da Recht hatte. Ich glaube, Chinas Töchter lieben Seide und alles Mögliche wie die meisten Frauen der Welt (und insoweit auch die Männer). Sie lieben wie alle anderen, was etwas über das Gewöhnliche hinausgeht, das Hübsche, was leuchtet und den Alltag verschönt. Mit Ostern ist es eigentlich dasselbe. Wie ich vorhin sagte, kann man ohne Glauben an die wunderbare, unglaubliche Botschaft von Ostern wohl leben, aber das wäre gewissermaßen, wie wenn man tagaus tagein in blaugrauer Unisex-Chinauniform rumliefe und nicht merkte, dass es eine Seidenwelt von Sehnsucht, Phantasie, Licht, Schönheit und Freude gibt, die weit die über das hinausgeht, was ein Alltag in blaugrauen Chinakragennuancen zu leisten vermag. Natürlich sollen wir Menschen uns in dieser Welt mit den Dingen dieser Welt befassen und das Leben füllen, dass wir nun einmal vor dem Tod haben, ehe wir anfangen, uns allzu sehr mit dem zu befassen, was in den Winkeln der Ewigkeit verborgen ist, aber in Wirklichkeit ist das  gerade die frohe Botschaft von Ostern. Diese Welt wird mit Ostern größer, reicher. Mit seiner Auferstehung hat Jesus Christus einen Spalt zur Ewigkeit geöffnet, durch den das Licht der Ewigkeit ab und zu zu uns Menschen herabscheint. Diesen Strahlen begegnen wir genau dort, wo wir Freundlichkeit, Fürsorge, Hilfsbereitschaft, Barmherzigkeit, Vergebung, Gemeinschaft und Liebe antreffen. Diese großen Wörter sind Strahlen vom „Heim des Lichts“, wie es in Grundtvigs Lied „Im Osten steigt die Sonne auf“ heißt. Es ist der hübsche Seidenstoff, den wir ahnen und der unser Leben hier auf Erden mit Gott und miteinander bereichert.

Ja, es ist offen gesagt unglaublich, dass die Frauen das Grab leer vorfanden, ja, es ist offen gesagt unglaublich, dass die Zeit, dieses unerbittliche Ticken, damit außer Kraft gesetzt worden ist, es ist offen gesagt unglaublich, dass Unser Herr auferstanden ist von den Toten, und ja, es ist offen gesagt unglaublich, dass es mit den graublauen Uniformjacken ein Ende haben wird und dass wir stattdessen die schönen Kleider der Auferstehung anlegen können, die wir als Taufgeschenk bekommen haben. Aber Gottes Liebe zu Menschen ist so stark und treu, dass es dennoch geschieht. Diese Strahlen vom Heim des Lichts geben uns Stärke zu glauben, wo Zweifel nagt, Kraft zu hoffen, wo alles hoffnungslos zu sein scheint, und Kraft, Lebensmut zu empfinden, wo Mutlosigkeit droht. Der Mensch lebt in der Zeit – darüber kann man nicht diskutieren – manchmal unter großen Schmerzen, manchmal glücklich – aber Gott hat seine unbegreifliche Ewigkeit über das Leben gelegt als den Horizont, den wir nicht zu fassen vermögen. Er ist nur für den Glauben und die Liebe zu fassen. Die Frauen wussten auch nicht, was sie glauben sollten, als sie vom leeren Grab fortliefen – wohl aus diesem Grund fürchteten sie sich – aber an diesem wundervollen Ostermorgen, an dem die Niederlage des Todes verkündigt wird, müssen wir die Furcht, die Besorgnis, den Zweifel fahren lassen und uns einfach nur darüber freuen, dass Gott uns in der Auferstehung seines Sohnes die Ewigkeit der Liebe geschenkt hat. Das nicht zu verstehen, nicht auf eine Formel zu bringen, aber nichtsdestoweniger es ist die Wirklichkeit. Mach den Versuch, es kann große Aufregung / Auferstehung (für beides hat die dänische Sprache dasselbe Wort!) auch in deinem Leben hervorrufen. Frohe Ostern.

AMEN

Lektor Leise Christensen
Løgumkloster
E-Mail: lec@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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