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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Rogate, 13.05.2012

Predigt zu Kolosser 4:2-6, verfasst von Kira Busch-Wagner

 

Das wache Gebet, die kluge und gute Antwort: Gemeinde als österliche Jüngerschaft

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater (Kol 1,3)

Noch ist Ostern gar nicht so lange her, noch hängen die weißen Paramente an Kanzel und Altar, noch sind wir mitten drin in der Osterzeit, entfalten Sonntag um Sonntag die Folgen, die Konsequenz der Auferstehung für die Gemeinde. Ja, wir können aus der Folge der schönen, alten lateinischen Sonntagsnamen sogar eine kleine österliche Theologie entwickeln.

„Quasimodogeniti", Neugeboren seid auch ihr, hat uns der erste Sonntag nach Ostern versichert, neugeboren aus der Taufe. Denn: Erbarmen Gottes, „Misericordias Domini" ist über euch ausgeschüttet, hat uns der zweite Sonntag nach Ostern bestätigt. Freut euch, Jubilate, nimmt uns der dritte Sonntag mitten hinein in österliche Zeiten, Singt, „Cantate", betet, „Rogate", fordert uns die weitere Folge der Sonntge im Kirchenjahres auf, und dann ist schon Himmelfahrt, der 40. Tag nach Ostern. Und noch einmal wendet sich die Gemeinde am letzten Sonntag der Osterzeit mit ihrem Ruf an Gott: „Exaudi", „Herr, höre meine Stimme". Und sie wird nicht nur erhört, sondern gar erfüllt mit Heiligem Geist an Pfingsten.

Von Geschenk zu Geschenk geht es also, von der neuen Geburt zum Heiligen Geist, auch wenn der Markt solch Gottesgeschenke allenfalls mit einem freien Pfingstmontag unterstreicht.

Und zwischen den Geschenken vom Anfang und Ende der Osterzeit hören wir die Antwort der Gemeinde, den Ruf, mit dem man sich gegenseitig auffordert: Jubelt mit, singt mit, betet mit,- das ist ein großes Echo auf die Wundertaten Gottes, das mit der gewaltigen Kadenz alles umfassend schließt: Exaudi,: Herr, höre meine Stimme.

Und in gewissem Sinn sind die Sonntage nach Ostern ein helleres, ein seliges Spiegelbild jener Sonntage, die auf Ostern zuführten, die die Passion, das Leiden Christi mit der Stimme der Gemeinde begleiten wie ein klagender Chor. Estomihi, heißt es da 7 Wochen vor Ostern: sei mir ein starker Fels; „Invokavit" erinnert der Sonntag drauf aus gegebenem Grund an die Zusage Gottes: Er ruft mich an, also will ich ihn erhören; um eine Woche später erneut zu flehen: „Reminiscere", Gedenke, Herr, deiner Barmherzigkeit. Und auch hinter „Okuli", „meine Augen" sehen stets auf den Herr, steht der Schrecken und die Hoffnung: er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen. Lätare, freuet euch mit Jerusalem, erhofft der Sonntag darauf, bevor acht Tage vor der Karwoche der Ruf „Judica" laut wird: Herr, schaffe mir Recht. Die Karwoche mit dem Unrecht der Auslieferung Jesu, mit Kreuzigung und Tod bestätigt die Not hinter diesem Ruf. Passionszeit wie Osterzeit kann man also verstehen wie Komplementärfarben. Wie Bild und Spiegelbild. Nicht aber wie das dunkle, verwischte Spiegelbild, von dem Paulus an anderer Stelle schreibt, sondern die Osterzeit ist wie das hellere, leuchtende Bild in dem von einem Lichtkranz umgebenen Spiegel.

Heute also, am Sonntag Rogate, ist uns ein Ausschnitt aus dem Kolosserbrief aufgetragen: zum Hören, zum Bedenken, zum Mittun. Es sind wenige abschließende Zeilen eines Schreibens, dessen Autor vermutlich nicht Paulus selbst ist, wohl aber einer, der sich Paulus nahe fühlt, in dessen Tradition stehend er sich begreift. Wie auch immer: Lassen Sie uns die Zeilen hören und lesen als Teil dessen, von dem ich eingangs sprach: als eine Antwort der Boten Christi, als eine Antwort der Gemeinde zwischen Ostern und Pfingsten, zwischen dem Geschenk der Teilhabe am Leben des Auferstandenen und dem Geschenk der Verbundenheit im Heiligen Geist. Beide Geschenke nehmen uns hinein in den Bereich Gottes, in den Bereich seiner Heiligkeit, in sein Reich, das uns jetzt und in Ewigkeit aufnimmt.

Mit dem Gedanken an die Prägung von Ostern her, mit dem Gedanken der österlichen Zeit als Spiegelbild der Passion, fällt mir auf, manche der Stichworte unseres Abschnitts schon als Teil der Passionsgeschichte gehört zu haben.

Sie erinnern sich vielleicht an das Gebet Jesu im Garten Gethsemane. Unter Gebet, unter Gottesrufen, Verzweiflung und Gottvertrauen war Jesus seiner Verhaftung entgegengegangen. Dreimal - so erzählen es die Synoptiker, hat er die Jünger aufgefordert, an seiner Seite zu bleiben, mit ihm beten. Und er tut dies fast mit den Worten unseres Predigtabschnitts: Seid beharrlich im Gebet. Bleibt darüber wach. Betet für uns, für mich.

Der ich im Begriff stehe, gefangen genommen zu werden, in Fesseln zu geraten.

Was wird dann bleiben? Wie wird es weitergehen? Gibt es noch einmal eine offene Tür für das Wort und den Willen Gottes?

Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Die Jünger fliehen. Und zwischen Knechten und Küchenmädchen leugnet Petrus, Jesus auch nur gekannt zu haben. Keine freie und bekennende Rede über all die Jahre mit Jesus, Petrus zeigt sich wahrlich nicht als eine leuchtende Stadt auf dem Berg, wie es in der Bergpredigt heißt, eher wie die Nachthütte im Gurkenfeld - so hat Jesaja mal von dem gedemütigten Jerusalem gesprochen.

Kennt der Autor des Kolosserbriefs die Gethsemane-Geschichte? Kannte er schon eines oder mehrere der Evangelien oder war einfach die Verlassenheit Jesu in der letzten Nacht vor seinem Tode bekannt in den Gemeinden? Spielt der Kolosserbrief bewusst auf die Nacht der Übergabe, des Verrats an, auf das Versagen der Jünger, auf die Gefahr, in die sie Jesus und sich selbst brachten?

Wie auch immer - deutlich ist, dass er seine österlich berufene Gemeinde für fähig hält, in aller Bedrängnis sich noch ganz anders verhalten zu können als die Jünger vor Kreuz und Auferstehung. Beharrlich im Gebet zu bleiben, an der Seite Jesu, zu wachen, im Gespräch zu bleiben mit Gott und daher auch Gott zu danken für seine Treue, die doch aller menschlichen Treue vorausgegangen ist. Beharrlich im Gebet zu bleiben. Nach dem Matthäusevangelium verweist Jesus auf einen König, der zu den Völkern sagt: Was ihr einem der geringsten getan habt, habt ihr mir getan. Dies gilt sicher auch für das Gebet. An der Seite Jesu wach bleiben, mit ihm zusammen beten, das heißt eben auch: beten für die Feinde. Beten für die Verfolgten, beten für die, die unter Unrecht leiden, beten für die Kranken, die Gefangenen, die Fremden. Beten an der Seite Jesu. Wach, wissend, beharrlich, in Geduld.

Der Schreiber des Kolosserbriefs schreibt aus Gefangenschaft. Seine Nachfolge, sein Christentum, sein Glaube hat ihn in eine ganz ähnliche Lage geführt wie Jesus, wie seinen Herrn. Eingeschlossen ist er. Aber um Ostern willen, wegen der Auferstehung, wegen des Osterfestes kann er sich nicht anders vorstellen, als dass Gott doch eine Tür auftue, daran will er festhalten, und er steht darüber in Zwiesprache mit seinem Gott und will sich darin von den andern getragen und unterstützt wissen. Wenn die Tür auch nicht für ihn selbst sich auftut, so doch eben für das, was er betreibt, nämlich das Wort Gottes unter die Leute zu bringen, Botschaft von Befreiung, von einem neuen Leben, von Rettung aus der Angst, von Hoffnung über den Tod hinaus. Beten, dass Gott die Tür öffne, das ist die zweite große Aufgabe. Welche auch einschließt das Gebet, dass wir die geöffneten Türen sehen und nutzen im Sinn und Geist Gottes.

Schließlich: Ihr sollt wissen, wir ihr antworten sollt, schreibt unser Apostel und erwartet also auch im Vergleich mit den Jüngern einiges von seinen Adressaten. Den Küchenmädchen sollen sie antworten können, besser als Petrus. Und darüber hinaus aber auch den Starköchen und den Kellnern, den Managern und dem Publikum. Denen in Hütten und denen in Palästen. „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht" heißt es in ganz ähnlicher Weise im 1. Petrusbrief.

Freundlich, mit Sanftmut: also nicht dreinschlagen, wie es im Johannesevangelium von Petrus im Garten Gethsemane berichtet wird, keine sinnlosen Schwert- oder auch Worthiebe, die nur Schaden anrichten. Aber eben das Wort Gottes auch nicht so zurückhaltend im Munde führen, so voller Menschenfurcht, so ängstlich sein, dass keiner davon etwas mitbekommt von der eigenen Glaubenshaltung..

Verhaltet euch weise und geht gut um mit der knappen Zeit, heißt es im Brief. Ich denke an die frisch Konfirmierten. Schon wieder ein Jahr rum. Was nehmen sie mit? Habe ich, haben wir die Zeit mit ihnen ausgekauft, haben wir, auch wir als Gemeinde, die gemeinsame Zeit gut genutzt? .

Aber auch umgekehrt: wie oft erlebe ich, dass jemand in der Gemeinde nach Jahren mal mit einer Frage herausrückt. Den einen bedrückt die alte Formulierung Auferstehung des Fleisches. Eine Frau will nicht zum Abendmahl - die Vorstellung, aufgefordert zu sein, Blut zu trinken stößt sie ab. Eine andere macht sich Sorgen wegen der Bestattung ihres ausgetretenen Vaters. Wie oft denke ich: warum haben die, die solche Fragen haben, nicht viel früher darüber gesprochen? Nicht längst manche Gelegenheit zum Gespräch genutzt? Kauft doch die Zeit aus.

Weder die Zeit der Passion noch die Zeit bis Pfingsten ist unendlich. Beide spiegelbildlichen Hälften haben Anfang und Ende, haben ihren Rhythmus und ihren Takt, entfalten sich über Wochen und sind doch schnell vorbei. Erzählen über die Passionszeit hin von den Hilfe-Rufen zu Gott in der Not und im Elend. Und nachösterlich dann von den Antworten, die wir geben können, da wir doch von der Rettung, von Ostern herkommen.

Beides will uns einüben, beides soll uns zur Verfügung stehen, beides lässt sich lernen, beides legt uns Gott in den Schoß.

Gott sei Dank, können wir sagen, oder, ganz ähnlich, wie es uns der Wochenspruch mit seinem Psalmvers in den Mund legt: Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. Amen.

 



Pfarrerin Kira Busch-Wagner
Ettlingen/ Baden
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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