Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Pfingstmontag, 28.05.2012

Predigt zu Hesekiel 11:19-20, verfasst von Christian Grund Sørensen

 

„Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben. Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben."

Dies sind einige der schönsten Worte im ganzen Alten Testament. Der Traum, die Hoffnung, die Erwartung, dass alles eines Tages anders sein wird.

Eines Tages werden die Menschen einander nicht mit kalten und harten Herzen begegnen. Eines Tages werden die kalten und harten Fassaden wegschmelzen, und wir werden stattdessen einander mit Liebe in die Augen, in die Herzen und in die Seelen sehen.

Eines Tages wird es keine Nigeria-Briefe mehr geben, keine hoffnungslose Armut, keine arroganten Politiker, Psychopathen, keine Menschen, die Andere ausnutzen, und keine Menschen mehr, die am Nächsten, der in Not ist, vorübergehen. Hm... Vielleicht werde ich es sogar manchmal sein?

Als jemand, der tatsächlich ein Rad am Auto wechseln kann, kann ich manchmal von Mitgefühl übermannt werden, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer am Straßenrand steht und seine Radbolzen nicht loskriegen kann. Aber die Wahl ist gnädig, wie Søren Kierkegaard es ausdrückt. Ehe ich meine fürsorgliche Nächstenliebe überhaupt zur Entfaltung kommen lassen kann, hat mein Tempo glücklicherweise dafür gesorgt, dass ich ich schon weit weit wegbin. Und eine U-Kehre ist ja nicht gerade ungefährlich.

Ich hoffe also, dass noch ein barmherziger Samariter auf seinem Esel geritten kommt...

„Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben!" Man beachte: wenn es Streit gibt zwischen zwei Menschen, hat man selten die Kraft, dem Anderen in die Augen zu sehen und ihm zuzuhören. Das steinerne Herz schlägt zu, und es gibt den Ausschlag in Form von Gleichgültigkeit, Kälte, Missgunst, Egoismus, und dann weiter in der Form von abgebrochenen Beziehungen, Ehescheidungen, Kindern, die sich von ihren Eltern lossagen, Eltern, die sich von ihren Kindern lossagen, und Freundschaften, die verraten werden.

Aber es gibt einen anderen, vielleicht etwas unsichereren Weg, den Gott für uns öffnet; den Weg des weichen, vielleicht sogar des blutenden Herzens.

Den Weg, den wir sahen, als Jesus seine Arme ausbreitete, um uns anzunehmen, und auf Golgatha ans Kreuz geschlagen wurde. Den Weg, den wir sahen, als Gott seinen eigenen Sohn für uns gehen ließ. Wie wir im Johannesevangelium hörten: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist; wer davon isst, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch (mein Körper, mein Leib), das für das Leben der Welt gegeben wird."

Es ist fast, als könnte man das Abendmahl vor sich sehen: Dies ist Jesu Christi Leib. Es ist auch, als sähe man eine Liebe, die keinerlei Hintergedanken und verborgenen Pläne hat.

Jesus wird uns erlösen. Er streckt die von Nägeln durchbohrten Hände aus und bittet uns, zuzugreifen. Das ist der Glaube.

Aber können wir uns für so viel Liebe öffnen?

Können wir sie empfangen und in uns leben lassen mit Freude und Geborgenheit? Gleichwie die ersten Christen in Jerusalem, wo es heißt: „und mit Freude und lauteren Herzen lobten sie Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden."

Und sie hatten alle Dinge gemeinsam, so dass niemand zu wenig hatte. Wie man es in einer guten Familie zu tun pflegt.

Aber ist das nicht trotzdem problematisch? Hat all diese Weichheit und Liebe nicht etwas Hippieartig-Happy-go-lucky-Artiges an sich?

Und ist es möglich, die Einwände gegen Jesus liegen zu lassen und stattdessen einfach nur entgegenzunehmen?

Wie das Kind, das trotzig gegen seine Mutter oder Vater kämpft? Und zum Schluss aufgibt, akzeptiert und sich von der Liebe des Anderen trägen lässt?

Ich glaube, viele von uns haben Angst vor der Liebe. Wir streben nach ihr, fliehen aber auch vor ihr. Wir lassen das steinerne Herz mit eisernen Hammerschlägen schlagen, anstatt Gott um den Puls des neuen Herzens zu bitten. „Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben. Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben... Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein."

„Überhaupt zu lieben bedeutet, verwundbar zu sein. Liebe etwas, und dein Herz wird mit Sicherheit niedergedrückt und vielleicht erdrückt werden. Wenn du sicher sein willst, dein Herz intakt zu bewahren, darfst du es niemandem geben..." (C.S. Lewis). Verbirgst du dein Herz so, in einem finsteren Sarg, unter einem Deckel, wird es mit der Zeit "unmöglich niederzudrücken sein, unmöglich zu durchdringen, unmöglich zu erlösen sein".

Das steinerne Herz bewahrt seine Kraft, indem es nie zu viel von Gott erwartet. Indem es sich nie zu ergeben wagt. Indem es ist wie der Räuber, der Jesus verspottete von seinem Kreuz neben Jesus. Obgleich sein Freund auf der anderen Seite sehen konnte, dass das Opfer Jesu seine einzige Rettungsmöglichkeit war. „Jesus, gedenke an mich..." - Und Jesus sagte zu ihm: „Wahrlich ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein."

Gott verlangt nicht, dass dein und mein Herz weich sein und schlagen soll. Manchmal ist es hart. So sind wir. Egoisten, uns selbst und den Unsrigen genug. Darum können wir uns nicht selbst erlösen. Gott steht mit seinem Geschenk für uns da. Das Brot des Lebens. Mit einer inneren Verwandlung, indem wir ihm zugehören.

„Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben. Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben."

Willst du das, und will ich das? Wollen wir unsere Abwehr aufgeben und verwundbar werden? Wollen wir es wagen, einem anderen Menschen in die Augen zu sehen? Wollen wir es wagen, verwundbar zu sein?

Dann lasst uns auf sein Wort eingehen. Es wagen, um ein fleischernes Herz zu bitten. Es wagen, einander in die Augen zu sehen mit den Augen Gottes. Es wagen, zu all dem ja zu sagen, was Gott uns darbietet. Nicht zurückzuweichen aus Furcht und Selbstschutz. ER ist Gott...

„Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben. Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben."

Amen

 



Pastor Christian Grund Sørensen
DK-9610 Nørager
E-Mail: cgs@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier

Liturgische Hinweise:

http://www.kmkc.dk/de/omhelligdagen.asp?id=112



(zurück zum Seitenanfang)