Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 10.06.2012

Predigt zu Lukas 12:13-21(dänische Perikopenordnung), verfasst von Thomas Reinholdt Rasmussen

 

Manchmal kann man hören, die Kirche müsse sich politisch äußern. Also nicht nur das Evangelium von der Vergebung der Sünden und der damit geschenkten Freiheit verkündigen, sondern auch eine politische Haltung zu den Dingen und dem Gang der Welt haben.

Die Frage ist ja, ob man mit dem Kreuz Politik machen kann. Also Politik mit all dem machen kann, was zugrunde geht, und wo alle Gott und einander gegenüber Unrecht haben. Vielleicht erfordert religiöse Politik eine Form von religiöser Gesetzgebung. Und eine solche Gesetzgebung hat das Christentum ja nicht.

Wenn sich politische Fragen nicht von Jesu Kreuz her entscheiden lassen, so also nicht deshalb, weil die Kirche in politischen Fragen sprachlos wäre, sondern weil es im Glauben selbst liegt. Im Politischen sind wir frei, uns in eigener Verantwortung zu entscheiden, sich je nach unseren Anschauungen miteinander auseinanderzusetzen. Das ist Christentum.

Denn wenn man den Abschnitt aus dem Lukasevangelium für diesen Sonntag hört, denkt man unweigerlich an all die Versuche, die Kirche für den gerechten Aufbau der Gesellschaft verantwortlich sein zu lassen. Worum geht es heute? Es geht um den Versuch, bei Jesus Anweisungen für eine gerechte Gesellschaft zu finden. Das heute Evangelium handelt gerade um den Versuch, daß man Jesus Anweisungen für die Politik entlocken will. Ein Mann kann nicht sein klares Recht bekommen, daß sein Bruder das Erbe des Vaters mit ihm teilt, der Bruder weigert sich. Was tut Jesus? Mischt er sich in politische und juristische F ragen ein? Nein, er lehnt das ab, will nichts zu tun haben.

Statt dessen erzählt er das Gleichnis von einem reichen Bauern, der eine große Ernte gemacht hat , so groß, daß er größere Scheunen bauen mußte. Er hat seine Arbeit getan und sich wohlverdient über sein Auskommen freuen. Aber dann, sagt Jesus, mitten in derselben Nacht wird der Bauer sterben, und was hat er nun von alledem? Mitten in seinem Eifer für eine gute Volkswirtschaft hat er sein Leben verspielt.

Die beiden Männer, von denen sich Jesus distanziert, sind beide Männer, die wissen, worauf es ankommt. Wenn alle so wären wie sie, wären wir gut beraten. Hier werden zwei Männer vorgestellt, die so leben, wie es für eine gute Gesellschaft notwendig ist, und Jesus distanziert sich von ihnen und sagt, daß sie ihr Leben verspielen.

Nicht daß Jesus gute Fähigkeiten und gute Arbeit geringschätzt! Sondern daß all das, von dem Jesus spricht - das Reich Gottes, das er verkündet - nicht von dieser Welt ist. Jesus wurde nicht Mensch, um uns zu verkünden und zu erklären, wie wir unsere Gesellschaft einrichten sollen, oder um politische Anweisungen zu geben, für welche Partei wir stimmen sollen. Das müssen wir selbst nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Im gesellschaftlichen Leben müssen wir den Schwachen beschützen so gut wir können. Aber Jesus selbst gibt keine Anweisungen für Gesellschaft oder Politik. Er sucht den Glauben an Gott. Die Gesellschaft ist unsere Aufgabe. Es ist unsere Aufgabe, die Gesellschaft so einzurichten, daß sie eben eine menschliche Ordnung ist, die dem Glauben an das Heil in Jesus Christus nicht im Wege steht. Das Politische ist deshalb unabhängig von Zwang und Religion. Diese Unterscheidung hält das Christentum fest an seiner Aufgabe. Wo sich das Christentum seiner Aufgabe entfremdet, dort verabsolutiert sich Politik und wird zur Ideologie, Politik wird zu einer Religion, die andere Meinungen nicht respektiert.

Denn das Problem des Bauern im Gleichnis war nicht, daß er gut verdient hat. Das sei ihm wohl gegönnt. Das Problem war vielmehr, daß er dies zum einzigen Sinn des Lebens machte. Es handelte sich aber nur um zeitliche Dinge. Das Heil des Lebens war woanders. Unser Menschenleben und die politischen Ordnungen enthalten kein Heil, sondern sind nur Schutz für den Schwachen, und da ist reichlich zu tun. Das heil ist bei Gott, und deshalb hat Jesus nie politische Anweisungen für die Ordnung der Gesellschaft gegeben, wie wir dies beispielsweise im Islam finden.

Wir sollen nicht die Gesellschaft anschaffen, um das Reich Gottes zu errichten. Das ist schlichtweg unmöglich. Unsere Aufgabe besteht darin, in der Gesellschaft zu leben und durch den Glauben an Gott die Gesellschaft von absoluten Einstellungen und hohlen Heilsverheißungen zu befreien. Im Leben miteinander sollen wir uns darum bemühen, so gerecht wie möglich zu leben, aber das Heil finden wir dort nicht. Das heil finden wir in Jesus Christus. Bei ihm finden wir das Leben, das über den Tod hinausreicht und uns zum ewigen Leben führt. Denn was wir auch an großen Dingen im Leben ausrichten, diese Dine sind nur wie Blumen, die verwelken, und wenn wir sterben, helfen sie uns nicht viel.

Wenn wir also das Leben finden wollen - das wahre Leben, das zu Gott führt, dann müssen wir uns Jesus zuwenden. Nur bei ihm ist das heil. Das geschieht nicht durch unsere eigene Bemühungen und gute Vorsätze. Das geschieht, indem wir unser ganzes Dasein ihm überlassen - seiner Fürsorge. Geh dann frei in die Welt und tue, was du sollst, und tue dies in dem, Glauben, daß das Christentum nicht die Welt erlösen soll, denn sie ist erlöst, aber frei ohne Glaubensvorschriften oder dergleichen.. Denn das heil liegt nicht in der Politik, sondern in Jesus Christus, der unser e Freiheit ist und unser Trost. Amen.

 



Pastor Thomas Reinholdt Rasmussen
DK-9881 Bindslev
E-Mail: trr@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Prof. Eberhard Harbsmeier





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