Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 17.06.2012

Predigt zu Lukas 14:25-35 (dän. Perikopenordnung), verfasst von Michael Wagner Brautsch

 

Die lange Reise nimmt so langsam ihren Anfang. So war es schon an Trinitatis, vor 14 Tage, mit dem Tauf- und Missionsbefehl Jesu an die Jünger; und die Reise ging am letzten Sonntag weiter, mit der Warnung vor der Tyrannei des Geldes und der Geldgier sowie der Aufforderung, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen und das ewige Leben zu greifen, zu dem wir berufen sind.

Die Reise beginnt an Trinitatis, und im Mittelpunkt der Verkündigung auf dieser Reise steht Jesus. Einige Menschen, denen ER begegnet, werden geheilt und ihnen wird vergeben. Andere erfahren Widerspruch und Widerstand. Die Reise ändert das Leben Jesu, aber in der Begegnung mit IHM ändert sich auch das Leben derjenigen, denen er begegnet. Als die eine Seite des Dreieinigen Gottes ändert sich Christus in der Begegnung mit uns nicht mehr - denn Gott ist unwandelbar, als das Einzige auf dieser Welt, das wir kennen -, aber wir wandeln uns immer, wenn ER uns durch den Heiligen Geist anrührt und uns in unserem Leben ergreift. Damals wie heute.

„Willst du den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt?" So lautete die Frage an die Schriftgelehrten im Auftakt des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter. Und das ist die erste Hälfte des doppelten Liebesbegotes.

Jesus ist sich darüber im Klaren, dass es schwer ist. Er erzählt warnend von dem breiten Weg zur Verdammnis und dem schmalen Steg, der zum ewigen Leben führt. Dass manche Menschen es so schwer haben werden, zu Gott zu kommen und das Evangelium zu empfangen; dass sich ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr zwängt. Dreimal nacheinander muss Simon Petrus Jesu Frage mit einem Ja beantworten, ob er IHN wirklich lieb hat. „Liebst du mich mehr als die anderen? Liebst du mich, hast du mich lieb?" Und Petrus war nicht irgendwer: Er war der Fels, er war der erste unter den Jüngern.

Und die Frage ist an uns gerichtet, die wir zu IHM kommen wollen: „Bist du bereit, deinen Gott und das Evangelium von seinem Sohn in den absoluten Mittelpunkt deines Lebens zu stellen, als ein Grundgesetz, dem sich alle übrigen Gesetze und Regeln in deinem Leben unterzuordnen haben? Bist du dazu bereit?"

Nicht nur die Frage, inwieweit es wichtig erscheint und im großen und ganzen richtig und gut, dass alle Rede von der Feindesliebe und davon, dass kein Mensch sich selbst erlösen kann, sondern die Frage danach, ob du dieses Evangelium vom Reich Gottes als das Wichtigste, das Richtigste, ja als die Wahrheit selbst betrachtest.

Glauben bedeutet, dass man ein Verhältnis zu einem unbedingten Anliegen hat. Das Evangelium sagt uns, dass wir Jesus zum unbedingten Anliegen in unserem Leben machen sollen, wenn wir den Weg zu Gott finden wollen, und wenn wir das Reich Gottes in unser Leben einschließen wollen. Es gibt keinen anderen Weg, es gibt keine leichten Lösungen, und es gibt keine Möglichkeit, sich selbst zu erlösen. Trotz all dessen, was Astrologen, Numerologen, Tarockkartenleser, Anhänger der Seelenwanderung und Reinkarnation, moderne Managementlehrgänge usw. usw. versprechen.

Du kannst dein Leben auf der Stelle und in naher Zukunft verbessern, aber du kannst dich nicht selbst erlösen. Die Erlösung kommt nur duch Gnade, durch den Glauben an Christus.

Und wie beschwerlich ist das! Denn das Verhältnis zwischen Gott und Mensch heißt in aller Einfachheit: „Liebe", und Liebe ist beschwerlich. Wenn man es so sehen will. Aber Liebe ist auch die Quelle, aus der wir schöpfen dürfen und müssen, wenn das Leben überhaupt einen Sinn für uns haben soll.

Im heutigen Evangelium wird gesagt, was es heißt, dass ein Verhältnis in einer Liebe begründet ist, die unbedingt ist: Wenn du entdeckst, dass es Dinge in deinem Leben gibt, denen du mehr Platz einräumst und die du höher veranschlagst als das Evangelium, dann musst du dem den Rücken kehren - oder besser, dann musst du ihm niedrigere Priorität beimessen. Du musst es an die zweite Stelle in deinem Leben setzen.

Du sollst es „hassen", wie der Text es provozierend nennt. Es handelt sich um einen hebräischen Ausdruck, den man absolut mit größter Vorsicht zu verwenden hat. Das Wort, das auf Deutsch mit „hassen" wiedergegeben ist, bedeutet genauer „weniger lieben". Jesus verlangt nicht Hass, natürlich nicht, sondern er verlangt vollständige und augenblickliche Befreiung. Befreiung von den Fesseln dieser Welt.

So auch einige Kapitel früher im Lukasevangelium: „Als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: „Ich will dir folgen, wohin du gehst, aber erlaube mir, dass ich zuvor meinen Vater begrabe." Und ein anderer ist auch erfüllt von guten Wünschen und innerlicher und frommer Hingabe um des Heils seiner eigenen Seele willen und sagt: „Ich will dir folgen, Herr, aber erlaube mir, dass ich zuvor Abschied nehme von meiner Familie.""

Aber Jesus begegnet beiden mit einem unbedingten „JETZT". „Lass die Toten ihre Toten begraben", sagt ER zu dem ersten, und zu dem zweiten sagt er: „Niemand, der zurücksieht, nachdem er seine Hand an den Pflug gelegt hat, ist geschickt für das Reich Gottes. Du sollst dich mir hingeben. JETZT, und nicht erst, wenn du alle deine Bagatellen auf dieser Welt in Ordung gebracht hast. Denn diese Arbeit hat doch nie ein Ende. Du wirst immer eine gute Ausrede haben, um zu entschuldigen, was du auf den ersten Blick für beschwerlich hältst. Man nennt so etwas auch Übersprungshandlungen.

Natürlich soll man seine Familie nicht hassen, um Jesus folgen zu können. Und natürlich hat man Zeit und Gelegenheit, seine Angehörigen zu begraben und von ihnen zuhause Abschied zu nehmen. Wenn Jesus so harte Worte findet, dann tut er das, weil er den Menschen kennt.

ER kennt alle unsere kleinen Ausflüchte und Spiele, ER weiß, dass nur Elitesportler und Toren auf die Idee kommen können, ein Hindernis an seiner höchsten Stelle zu überspringen. ER ist ja zu dieser Zeit selbst ein Mensch und weiß also von den Menschen, denen er täglich in die Augen sieht, dass Hochmut, Geiz, Unzucht, Verschwendungssucht, Zorn und geistige Trägheit die Fesseln sind, die Todsünden, die den Menschen in diese Welt einsperren. In die tote und verdammte Welt.

Diese Welt, in der ich immer wieder einsehen muss, dass ich das Gute, das ich will, nicht tue, und das Böse tue, das ich nicht will. Wenn wir wollen, können wir Hunger und Krankheit bekämpfen. Wenn wir wollen, können wir jedem Krieg (wie John Lennon und Yoko Ono einst sangen) und aller Kriminalität und allem Missbrauch ein Ende machen. Wenn wir wollen. Wenn wir vorwärts und niemals zurück blicken. Wenn wir den Mut haben, unseren Halt und uns selbst aufzugeben; den Mut haben, mit Christus auf die Tiefe von 70000 Faden zu gehen.

Wenn wir wollen, können wir das Reich Gottes sich mitten unter uns entfalten sehen, aber wir sind versunken in Hochmut und Neid, und Verschwendungssucht und Gier und Geiz sind ein Sumpf, der uns immer länger in die Verdrießlichkeit und Dumpfheit von Selbstzufriedenheit und Reichtum hineinzieht.

Am schlimsten ist vielleicht die 7. Todsünde: die geistige Trägheit. Als Paulus den Athenern das Evangelium verkündete, schüttelten einige den Kopf und lehnten ihn ab, während andere in ihrer geistigen Trägheit beharrten: „Wir wollen dich ein andermal darüber weiterhören."

Und genau damit geht Jesus im Evangelium von heute ins Gericht: Du sollst das Evangelium nicht ein andermal annehmen, du sollst es jetzt annehmen. Und wenn du das getan hast, wenn du die Hand an den Pflug des Herrn gelegt hast (also wenn du als Arbeiter für das Evangelium Gottes deinen Dienst angetreten hast), dann sieh nicht zurück. Sieh nicht zurück in den Zauberwald dieser Welt.

Du sollst deine Familie nicht hassen, um Jesus nachfolgen zu können. Natürlich nicht. Hat Jesus nicht gesagt, dass derjenige, der sagt, dass er Gott liebt und seinen Bruder hasst, lügt? Denn niemand, der seinen Nächsten, den er gesehen hat, hasst, kann Gott lieben, den er nicht gesehen hat.

Und natürlich muss man seine Verwandten begraben. Jesus kam persönlich zum Begräbnis von Lazarus und war tief bewegt. Er war mit seiner Mutter auf einer Hochzeit, und er ließ die Kinder zu sich kommen, so dass er seine Hand auf sie legen und sie segnen konnte. Er sagt uns immer wieder, dass wir uns unserer Kranken und Einsamen annehmen sollen, der Gefangenen und der Lebensmüden, und derjenigen, die im Sterben liegen.

Wir sollen die Menschen und das Materielle, mit denen und mit dem wir leben, nicht hassen, sondern wir sollen sie nicht lieben, und zwar mehr lieben, als wir Gott lieben. Wir dürfen niemals zulassen, dass sie und diese Welt zwischen uns und Gott stehen. „Hassen" im Evangelium für heute bedeutet: weniger lieben. Wir sollen Geld und Macht weniger lieben als das Evangelium von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Jesus Christus. Wir dürfen durchaus unsere Arbeit lieben und unsere Freizeitinteressen, aber das soll uns niemals zu geistiger Trägheit verleiten. Wir dürfen nie weltlichem Ansehen und weltlicher Eitelkeit erlauben, der Erlösung unserer Seele im Wege zu stehen, wenn wir in unserem Leben einmal vor diese Wahl gestellt sein sollten.

Das Evangelium hindert uns nie, unseren Nächsten und uns selbst zu lieben. Wenn aber die Liebe zu anderen Menschen und wenn die Liebe zu eigenem Vermögen und zum eigenen Leben so stark wird, dass sie uns hindert, Gott zu lieben und SEIN Evangelium in den absoluten Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen, dann sollen wir diese Welt und uns selbst weniger lieben.

Ist das schwer? Ja. Ist es ein täglicher Kampf? Ja. Sind wir in diesem Kampf allein? Nein. Niemals. Immer wieder müssen wir von vorn beginnen, denn der Kampf, ein Jünger Jesu zu sein, ist immer ein Kampf darum, den Zauberwald dieser Welt hinter sich zu lassen.

Wollen wir uns aber Jesus Christus zuwenden, sind wir nie allein. ER steht uns bei in dem Kampf. Und ER wird uns nie hassen, ER wird uns nie weniger lieben.

Amen



Pastor Michael Wagner Brautsch
DK 6700 Darum v/Esbjerg
E-Mail: mwb@km.dk

Zusätzliche Medien:




Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


(zurück zum Seitenanfang)