Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Trinitatis, 24.06.2012

Predigt zu Lukas 15:11-32 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Lasse Rødsgaard Lauesen

 

Ich will ein Wort sagen, und wenn ich das Wort sage, sollt ihr euch eine Person vorstellen.

Das Wort heißt: Vergebung.

Eine Frau um die 40 wandert rastlos in ihrem Haus umher, sie ist krank. Und hat nicht mehr lange Zeit zu leben, aber sie kann keinen Frieden finden, denn da ist etwas, was sie ihrem Mann sagen muss. Die Tür geht auf, und sie spricht die Worte aus, die sie so lange Zeit geplagt haben, und er umarmt sie fest.

Vergebung.

Ein Junge sitzt irgendwo und wartet, er hat Angst, weil er einen Teller auf den Fußboden hat fallen lassen. Die Tür geht auf, und sein Vater kommt herein, der Junge geht schweren Schrittes. Zitternd und mit Tränen in den Augen sagt er, was passiert ist.

Der Vater umarmt ihn.

Vergebung.

Die Frau und der Junge wissen, was Vergebung ist, und das weiß der jüngste Sohn der Famile, von dem wir heute im Evangelium hören, auch. Wie sich ja auch die meisten unter uns vorstellen können, was Vergebung ist. Manche von uns haben sicher Vergebung erfahren. Haben also das bekommen, was wir nicht selbst haben oder geben können. Keiner von den dreien weiß, was geschieht, wenn sie ihr Herz erleichtert haben. Können sie mit Vergebung rechnen? In dem Augenblick, da es heraus ist, bekommen sie etwas, was sie nicht selbst geben können, und vielleicht rechnen sie auch gar nicht mit einer Umarmung.

Vergebung.

Wenn der Mann zu seiner Frau gegangen wäre und gesagt hätte, du bist mir untreu gewesen, aber ich vergebe dir. Oder der Vater hätte zu seinem Sohn gesagt, du hast meinen Teller zerdeppert, aber das macht nichts. Oder der Vater wäre zum Schweinestall gekommen und hätte gesagt, komm nach Hause, mein Junge. Dann wäre das nicht Vergebung gewesen. Es wären eher willenlose Schafe gekommen, die in den Pferch zurückgekehrt wären, aber die drei sind Menschen aus Fleisch und Blut, die sich nach Vergebung sehnen und Vergebung brauchen, um wieder ganze Menschen zu sein. So dass die Frau in Frieden mit sich selbst und ihrem Mann sterben kann, der Junge wieder spielen kann, ohne die ganze Zeit an die Tellerscherben zu denken, und der Sohn nach Hause kommen kann, wonach er sich sehnt.

Vergebung ist ein tiefe Sehnsucht bei ihnen, eine Sehnsucht, die in einer festen Umarmung beantwortet wird. Eine Sehnsucht über alle Erwartung, die Frau wird nicht aus dem Haus gewiesen, der Junge wird nicht bestraft, und der Sohn braucht nicht das Leben eines Tagelöhners zu fristen. Die Vergebung übersteigt bei weitem ihre Phantasie, was geschehen würde, wenn sie ihre Herzen erleichterten und um Vergebung bäten.

Ich kenne eure Sehnsucht nicht, aber ich kann von meiner eigenen sprechen.

Eine Umarmung vom Vater zu bekommen, eine Umarmung, die einem alle Besorgnis nimmt, denn hier ist jemand, auf den man sich verlassen kann. Hier ist einmal jemand, der die Welt im Griff hat und sie wieder in Ordnung bringen kann. Wenn ich verstehen soll, was der Himmel ist, dann denke ich an den Vater, an eine Umarmung, die die Welt wieder in Ordnung bringt. An jemanden, der mit einer festen Umarmung mein Herz erleichtern kann, der einen neuen Anfang bringen und mich wieder zu dem Menschen machen kann, der ich im Grunde gern sein möchte.

Damit wir nicht einfach nur warten sollen, bis wir eine himmlische Umarmung bekommen können.

Wir haben das Glück, dass Jesus uns mitten im Alltag einen Ort gegeben hat, wo wir die Umarmung erfahren können, nach der wir uns sehnen. Einen Ort, wo wir hingehen können.

Einen Ort, der uns, wenn wir wieder fortgehen, zu neuen Menschen macht, denn wir haben Vergebung erlangt.

Wir sind es, die an den Ort gehen müssen, uns wird nichts in den Mund gestopft. Sondern wenn wir dorthin gehen, erhalten wir Vergebung für das, was uns bedrückt. Und das ist so, weil Jesus es gesagt hat.

Die Frau kann wieder untreu sein, der Junge kann wieder einen Teller zerdeppern, und der Sohn kann zum Schweinstall zurückkehren. Aber in dem Augenblick, in dem wir sie fangen, ist ihnen Vergebung gegeben, wie wir, wenn wir dem Altar den Rücken kehren und davon gehen, Vergebung bekommen haben. Das Alte ist vergangen, und wir sind neue Menschen, die nicht an der alten Schuld zu tragen haben.

Macht einmal den Versuch, euch eine Umramung vorzustellen, die alle Spannungen auflösen, alle Besorgnisse vertreiben und irgendwie einen neuen Anfang eröffnen kann. Dann schwebt man plötzlich zehn Zentimeter über dem Erdboden. Eine Erfahrung, die dem am nächsten kommen mag, macht man, wenn man sich gerade verliebt hat. Alles ist neu, eine einzige Umarmung erfüllt einen mit neuem Lebensmut, man kann die ganze Welt aus den Angeln heben, denn nichts ist mehr, wie es vorher war.

Diese Umarmung wird uns verheißen, wenn wir von dem Sohn hören, dem von seinem Vater vergeben wird. Das erwartet uns, wenn Jesus uns sagt, wie die Welt sein kann. Das ist Gott, ein Ort, den wir aufsuchen und an dem wir das von uns legen können, was wir im Leben tragen müssen, und dann zehn Zentimeter über dem Erdboden schweben können, bereit, das Leben von neuem in Angriff zu nehmen.

Amen

 



Pastor Lasse Rødsgaard Lauesen
DK-5210 Odense NV
E-Mail: lrl@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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