Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Trinitatis/Johannistag, 24.06.2012

Predigt zu Lukas 1:57-80, verfasst von Th.-M. Robscheit

 

Liebe Gemeinde,

in meiner Kindheit gab es einen runing-gag: Wenn jemand, hauptsächlich eine der Tanten beim Kaffeetrinken, keinen Kuchen mehr wollte antwortete sie: „Nein, Danke; Du weißt doch: Johannes, 3, 30!" Nun ist es keinesfalls so, dass alle die Bibel auswendig kannten, aber irgendwann hatte sich jemand eingeprägt, dass an dieser Stelle Johannes der Täufer in Zusammenhang mit seiner Rolle und der des Jesus sagt, dass dieser, Jesus nämlich, zunehmen, er Johannes aber abnehmen müsse. Damals fan­den die Erwachsenen das scheinbar lustig.

Dass dieser Bibelvers der theologische Grund dafür ist, dass Johannes´Geburtstag am 24. Juni und als Pendant dazu die Geburt Jesu am 25. 12. gefeiert wird, war mir damals natürlich noch nicht klar. Das Fest steht in zeitlicher Nähe zur Sommersonnenwende, der kürzesten Nacht im Jahr. Manche unserer Traditionen haben damit zu tun. In vielen Gemeinden werden Johannisfeuer entzündet, im Eisenach meiner Kindheit war es üblich, dass dann die jungen Männer über die Glut sprangen.

In unserer christlichen Überlieferung nehmen wir Johannes oberflächlich als Wegbereiter Jesu wahr, vielleicht haben wir noch schöne Bildchen aus der Christenlehre in Erinnerung: Johannes, der im Jordan Jesus tauft, beide natürlich ordentlich in lange Gewänder gekleidet, fröhlich auf den blauen Fluss und die grünen Wiesen blickend. Aber so einfach wird es nicht gewesen sein mit den beiden Männern, denn mit Propheten ist das so eine Sache. Für die Zeit­genossen sind sie meistens unbeliebt und unbequem. Von Johannes gilt das sicherlich ebenso. Über seine Existenz und seinen gewaltsamen Tod wissen wir nicht nur aus unseren christlichen Quellen, sondern auch durch Flavius Josephus. Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Ausstrahlung auf die Zeitgenossen bei Johannes größer war, als bei Jesus. Laut Flavius Josephus interpretierte nicht nur eine kleine Minderheit die militärische Niederlage des Herodes Antipas gegen Aretas als Strafe Gottes für die Hinrichtung des Täufers. Anders als in den Evangelien dargestellt, vertritt Josephus die Ansicht, dass Herodes Johannes hinrichten ließ, weil er sich vor dessen zu großer Anhängerschaft fürchtete.

Schon sein Auftreten in der Wüste, sich nur von Honig und Heuschrecken ernährend, in Kamelhaar geklei­det, lässt vor meinem inneren Augen eine Gestalt Kontur gewinnen, mit der ich nicht meinen Feier­abend verbringen oder gar in den Urlaub fahren möchte. Johannes war radikal und fanatisch. Er hat Buße und Umkehr gepredigt. Und er hat Jesus getauft. Eine eigenartige, spannungsreiche Situation muss das damals gewesen sein.

Es spricht viel dafür, dass Jesus zunächst eine Art Schüler oder Jünger des Johannes war und sich dann von ihm getrennt hat. Bei Menschen, die ihr ganzes Leben ihrer Überzeugung widmen, und das kann man wohl sowohl für Johannes und erst recht für Jesus behaupten!, gehen solch Brüche nie ohne Verletzungen vor sich.

Doch davon ist im Neuen Testament nicht mehr viel zu spüren. Im Lukas Evangelium wird eine Parallele zwischen Johannes und Jesus gezogen, wobei die Begebenheiten, in denen es um Jesus geht, die des Johannes immer übertreffen. Bei beiden kündigt der Engel Gabriel die Geburt an, bei beiden auf wunderbare Weise: Johannes Eltern sind schon (zu) alt, Maria dagegen Jungfrau, bei beiden wird der Name durch den Engel mitgeteilt usw. Johannes ist deutlich auf Jesus ausgerichtet. Das wird auch in unserem Predigttext deutlich: (Lk. 1, 57-80)

Ganz traditionell soll die Beschneidung gefeiert werden, doch die damit verbundene Namensgebung verläuft anders als erwartet. Als Zacharias, der stumm geworden war, weil er ein Zeichen dafür gefordert hatte, dass seine Frau tatsächlich noch schwanger werden würde, als dieser alte Mann nun auch den Namen Johannes schrieb, konnte er wieder sprechen.Sofort singt er ein Lied, das uns als Benediktus bekannt ist. Dieses Lied besteht aus zwei Strophen. Die erste Strophe ist ein Danklied. Dank dafür, dass das Volk durch den Messias vor äußeren Feinden gerettet wird. In der zweiten Strophe dann wird deutlich, welche Rolle dabei das Kindlein Johannes spielen soll: „und Du Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen, denn Du wirst dem Herren vorangehen, dass Du ihm Weg bereitest."

Johannes wird völlig vereinnahmt, er wird christlich weichgespült, von seiner Eigenart ist in unserer christlichen Überlieferung nicht mehr viel übrig. Ist das schlimm? Für den Historiker, der eine Biografie des Johannes erstellen möchte, sicherlich. Aber was ist mit uns? Für uns ist der Johannes des Lukas ein Beispiel dafür, wie menschliches Leben im Verhältnis zu Christus ausgerichtet sein soll: ihm den Weg zu bereiten. Die Darstellung des Johannes bei Lukas ist ein Plädoyer gegen alle Egozentrik, gegen das sich auch in unserer Kirche ausbreitende übersteigerte Selbstwertgefühl mancher Vorzeigechristen. Wahrscheinlich fallen ihnen sehr schnell Menschen ein, die ihr Christsein wie ein goldenes Schild vor sich hertragen: „Schaut nur alle her, wie fromm und toll ich bin!" Wir kennen das und sind berührt, zweifeln dann an unserer Glaubenskraft, weil wir leiser und stiller sind. Lukas stutzt solchen Hochmut zurecht: selbst jemand, der so markant und auffällig ist wie dieser Johannes, ist doch nur Wegbereiter.

Das bedeutet aber nicht nur, religiösen Hochmut wieder zu erden, sondern auch, dass christliches Leben nur dort gelingt, wo es dem Herren den Weg bereitet, wo es auf das Reich Gottes hinwirkt. Wie das dann konkret aussieht, kann ganz unterschiedlich sein.

Manchmal wie Petrus, der sich nicht immer seines Glaubens sicher war und dann doch über sich hinauswächst und die Verantwortung in einer Gemeinde übernimmt.

Manchmal wie die gescholtene Martha, die dafür sorgt, dass andere sich wohlfühlen, wenn sie Gott nahe sein wollen.

Manchmal wie die Witwe, die nicht viel geben kann, dies aber dafür von ganzem Herzen tut.

Manchmal wie der Samariter, der dem hilft, der ihn Not ist

und manchmal auch als Rufer in der Wüste, der dem Mächtigen ebenso wie dem kleinen Mann einen Spiegel vor die Augen hält und zum Umdenken aufruft wie Johannes.

Und der Friede Gottes, der größer ist als alle menschliche Vorstellungskraft bewahre unsere herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

 



Pfarrer Th.-M. Robscheit
Kapellendorf
E-Mail: pfarramt@kirchspiel-kapellendorf.de

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