Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

12. Sonntag nach Trinitatis, 26.08.2012

Predigt zu Matthäus 12:22) 35-41 (dän. Perikopenord.), verfasst von Anne-Marie Nybo Mehlsen

 

Eine Telefongesellschaft hat in diesem Sommer eine eher ungewöhnliche Reklamekampagne gehabt. Es ging diesmal nicht um Vorzüge der betreffenden Gesellschaft gegenüber allen Konkurrenten oder um niedrige Preise oder um vorteilhafte Angebote. Es geht bei der Reklame vielmehr um den harten Ton, der ansteckt. Um die Schimpfworte und irritierenden Ausfälle, die man täglich hören kann, auf der Straße, im Geschäft, am Arbeitsplatz, im Familienkreis. Wir geben den harten Ton weiter, er steckt an, und auch Kinder lernen ihn. Die einzige Botschaft der Reklame besteht nun darin, dass da einer ist, der sich mit einem Lächeln auf den Lippen erlaubt, aus der Reihe zu tanzen und seinen saueren Kollegen fragt, ob sie nicht zusammen zum Frühstück gehen wollen.

Der harte Ton steckt an, und es gehört etwas dazu, ihn zu verlassen.

Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Wir reden von dem, was uns bewegt. Vielleicht sollte man nun glauben, dass wir immer nur um das Tiefgründige und Wesentliche miteinander sprächen; von Herzensangelegenheiten und allem möglichen Guten und Erfreulichen, was wir miteinander teilen können. Aber das sind nicht gerade die Worte, die wir am allermeisten hören, wenn wir gewöhnlichen Gesprächen oder Politikern und Medien zuhören. Nicht einmal in der Kirche hören wir immer nur gute, erbauliche Worte, die aus dem Reichtum des Herzens fließen. Nicht immer. Schön - gute Worte verlangen Vertrauen. Zu Hause, bei denen, mit denen du vertraut bist, in deiner Familie hörst du sie - hoffentlich. Zu deinen Verwandten und Lieben sagst du gute, aufmunternde und hoffnungsvolle Worte über das, was wesentlich, tief ist, was du auf dem Herzen hast - hoffentlich.

Versuch aber einmal, einige Tage, vielleicht eine ganze Woche zurückzudenken. Welche Worte hast du gesprochen? Welche Worte hast du zu hören bekommen? Was haben diese Worte bei dir bewirkt? Und bei den Anderen? Willst du hinter dem stehen, was du gesagt hast, willst du die Verantwortung für deine Worte übernehmen?

Von dir selbst wirst du ja wissen, dass sich die Worte „ich liebe dich" auf vielerlei Weise sagen lassen und dass sie so mancherlei bedeuten können. Sie können ohne Weiteres eine Methode sein, den anderen zu entwaffnen und eigene Macht zu behaupten. Du weißt auch, dass du am liebsten von dem, den du liebst, nicht notwenigerweise am liebsten die Worte „ich liebe dich" hören willst, sondern eher Worte darüber, was ihr füreinander bedeutet. Worte, die dein Herz anrühren, Worte, die euch enger zueinander bringen und enger miteinander verknüpfen. Du willst gern den, den du liebst, offenherzig von dem Tiefen und Wesentlichen sprechen hören, von dem, was etwas für sie oder ihn bedeutet. Du willst dich auch selbst gern öffnen und von dir reden. Auch mit deinen Kindern möchtest du gern so reden, nahe und vertraut, über das, was das Wesentliche ist im Leben. U.a. aus diesem Grund ist das Teenager-Alter so schwierig sowohl für Kinder als auch für Eltern, Verlegenheit und Emanzipation machen das nahe Gespräch zu etwas Seltenem und Kostbarem. Aber nicht weniger ersehnt - ganz im Gegenteil, sowohl dein Teenager als auch du selbst, ihr dürstet nach dem Augenblick, in dem die Worte aussprechbar sind.

Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.

Manchmal ist Schweigen besser als das, was wir täglich zu hören bekommen. Menschen haben ein heutzutage neues Bedürfnis: Stille. Ruhe. Ruhe- und Spielabteile. Orte des Schweigens.

Menschen suchen. Sehnen sich. Wir sehnen uns nach dem, wes das Herz voll sein sollte, wir sehnen uns nach dem Tiefen, dem Wesentlichen. Wenn wir uns denn überhaupt gestatten, auf unser Herz zu hören. Sehr viel Zeit vergeht nämlich damit, dass wir diese Sehnsucht überhören, sie betäuben, zerstreuen und verharmlosen.

In unserm Innersten möchten wir gern eine Erfahrung, ein Erlebnis von Sinnhaftigkeit und von Augenblicken haben, die unsere Herzen füllen. Wir möchten gern selbst Worte hören und aussprechen, von denen und mit denen wir leben und weiterkommen können. Nur selten wagen wir davon zu sprechen. Weil wir uns vorstellen, Andere könnten darüber lachen, die Achseln zucken oder, schlimmer noch: das, was uns viel bedeutet, heruntermachen oder einfach nur wegdeuten.

Das Heilige ist flüchtig in unseren Augen; solche Augenblicke verbergen wir im Schatz des Herzens, es sind Worte, die wir in der Tiefe verbergen und nur hervorholen, wenn wir uns in der Ruhe oder in der nahen Vertrautheit befinden.

Die Worte, die wir heute gehört haben, handeln von dieser Sehnsucht. Sie handeln von der Begegnung mit dem Heiligen; von der Begegnung und Erfahrung der Nähe Gottes. Von Worten, die uns verändern.

Einige Menschen sind Gott begegnet, sie haben eine Erfahrung von Güte gemacht, ein Mann ist geheilt worden. Sie sprechen davon, stellen einander Fragen, sie erzählen und wundern sich. Andere deuten, was geschehen ist, emsig weg und machen es herunter. Es ist, wie wenn alles auf den Kopf gestellt und das Gute, das geschehen ist, zu einem Werk der Bosheit gemacht werden sollte, zu einer List, einem Übergriff, einer neuerlichen Schwindelnummer. Und die, die erzählten, schweigen, sie schämen sich ein wenig, es ist ihnen gar peinlich, ein kleines Bisschen Glauben gezeigt zu haben. Man hört ein Hohngelächter, und der Alltag mit seinen harten oder nur oberflächlichen Worten geht weiter.

Es ist eine ganz gewöhnliche Geschichte, sie könnte heute in der Frühstückspause in der Kantine unter Kollegen passieren oder unter Freunden im Umkleidungsraum im Fittnesscenter.

Sie ereignete sich auch damals, und Jesus wurde zornig, als er hörte, wie Pharisäer und Schriftgelehrte sich eifrig bemühten, anderen Menschen ihre Erfahrung der Güte Gottes zu nehmen. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, und in dieser Situation ist das Herz offensichtlich voll von Eifersucht, die Anderen nicht gönnt, die Begegnung mit der Kraft Gottes erfahren zu haben. Die Worte offenbaren, dass Macht auf dem Spiel steht, dass hier Menschen sind, die für sich allein das Recht beanspruchen, das Religiöse zu beherrschen.

Jesus erzählt wie immer Gleichnisse, kleine Wortbilder, die besser als Erklärungen veranschaulichen, was auf dem Spiel steht. Was das Herz eines Menschen erfüllt, verändert den Menschen. Die Begegnung mit dem Guten, mit dem Wunderbaren, dem Liebevollen hat mich hier im Leben am meisten verändert. Ich weiß - weil ich oft diese Erfahrung gemacht habe -, dass es dies ist, was für andere Menschen Veränderung schaffen kann, wenn ich es weiterzuvermitteln wage. Wenn ich darüber spreche - glaubwürdig, in Augenhöhe und ohne es dabei als Darstellung einer Auszeichnung meiner Person erscheinen zu lassen. Wenn ich nach Kräften in der Begegnung mit anderen Menschen im Alltag das weitervermittle, womit ich mein Herz füllen möchte. Die Erfahrung von Güte, von Nähe und von Sinnfülle, auch mitten in diesem gelegentlich chaotischen und nicht besonders herzlichen Leben. Wenn ich wage, diesen Raum zu öffnen, dann darf ich auch meinerseits die wunderbaren Berichte von dem hören, was die Herzen Anderer füllt. Sie erzählen von dem Guten, dem sie begegnet sind, von dem, was sie vorwärts bringt, von dem, was sie zutiefst verändert hat; sie erzählen von der Begegnung mit Gott - oder sie fragen danach.

Das Gute verändert uns. Gott schafft Veränderung, Erneuerung, gute Früchte und gute Worte in uns.

Es ist das Werk des Heiligen Geistes, dass wir in unseren Herzen tief berührt werden, das wir gute Worte in die Herzen voneinander füllen können.

Wenn du gleich von hier weggehst - nachdem dir das Herz mit guten Worten und guten Gaben gefüllt ist, wirst du vielleicht die Veränderung merken. Was du dort draußen in den kommenden Tagen von dir gibst, darf gern von deinem Herzen kommen. Du brauchst nicht auf die harten Worte zu hören, du kannst ihre Macht brechen, indem du von dem sprichst, wes dein Herz voll ist. Von dem, was Gott uns gibt. Es gibt genügend Worte und Aussprüche in dieser Welt, die das Leben und das Herz zerstören. Nichts ist leichter in der Welt, als gegen den Heiligen Geist zu reden und die Erzählung eines anderen Menschen über seine Begegnung mit Gott herunterzumachen.

Soll das immer so sein? Ist es nicht sehr viel leichter und soll es nicht sehr viel leichter und näherliegend sein, über das zu sprechen, wes das Herz voll ist? Über das Wesentliche, das Tiefe, über das, nach dem wir alle uns sehnen? Vielleicht ist die Ansteckungsgefahr des harten Tones gebannt? Vielleicht fragen wir dann nicht mehr nur noch nach Ruheabteilen und Stille, sondern nach Raum für das herzliche Gespräch?

Amen!

 



Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen
DK-4100 Ringsted
E-Mail: amnm@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier




(zurück zum Seitenanfang)