Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

20. Sonntag nach Trinitatis, 21.10.2012

Predigt zu Matthäus 21:28-44 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Marianne Frank Larsen

 

 

Gibt es etwas schöneres als ein Ja zu bekommen? Wenn man den Mut hat und um das bittet, was man sich erhofft, ohne, solange die Antwort des Andren aussteht, sicher zu sein, ob man es bekommt, dann ist das Ja die beste Antwort, die man bekommen kann. Wollen wir spielen? fragen Kinder hoffnungsvoll, darf ich mitspielen? Und bekommen sie ein Ja, dann strahlen sie und werden lebhaft. Yes! Wollen wir uns treffen, fragen wir andern. Wollen wir zusammen gehen? Kommst du? Willst du mich haben? Willst du der / die meine sein? Da kann es dann geschehen, dass man ein Nein bekommt. Aber wenn man ein Ja bekommt, öffnet sich eine neue Welt für einen. Freude kommt auf. Eine Zukunft beginnt. Sie beginnt mit einem Ja. Mit einem Versprechen, von dem man leben kann. Willst du lieben, achten und ehren? Ja. Und das hält an, solange wir etwas füreinander wollen. Willst du mit? Willst du mir helfen, willst du mir eine Stunde opfern, einen Kuss geben, eine Antwort geben? Darf ich dich stören? Willst du mir behilflich sein? Wollen wir immer noch zusammen gehen? Fragt man, läuft man immer Gefahr, ein Nein zu bekommen. Ein Ja kann nie eine Selbstverständlichkeit sein. Stell dir vor, du bist einverstanden, stell dir vor, du willst dasselbe wie ich! Es ist ein Geschenk, eine erfreuliche Überraschung, wenn man ein Ja bekommt. Auch wenn man sich um eine Stelle bewirbt, um einen Studienplazt, um ein Stipendium. Könnt ihr mich gebrauchen? Wollt ihr mich haben? Darf ich reinkommen? Und man hofft, und man bittet, und man drückt die Daumen. Was ist herausgekommen? Es war ein Ja! Nein, wie schön! Es ist nur ein ganz kleines Wort, aber das kleine Wort kann über eine sehr große Wirklichkeit entscheiden. Eine Freude, die zündet und ansteckt.

Wenn es denn hält. Leider halten die Worte nämlich nicht immer, was sie versprechen. Das ist der neuralgische Punkt, auf den der HERR im Evangelium für heute mit der Erzählung von den beiden Brüdern aufmerksam macht. Ihr Vater bittet beide, hinauszugehen und im Weinberg der Familie zu arbeiten. Der eine Bruder sagt ja als der gute und wohlerzogene Sohn, der er ist. Er will sich mit seinem Vater nicht anlegen, die freundliche Stimmung nicht vermiesen, also redet er lieber dem Vater nach dem Mund. Als dann aber der Vater gegangen ist, bleibt er einfach dort sitzen, wo er war. Er ist nicht gewillt, von seinem Stuhl aufzustehen. Bei ihm klaffen Wort und Tat auseinander. Er sagt eines und tut etwas andres. Sein Ja ist ohne Inhalt. Unterdessen antwortet der zweite Bruder mit Nein. Zu dem Weinberg hat er keine Lust. Er will lieber was andres. Das sagt er direkt. Und in den Augen des Vaters erlischt die Erwartung, als der Bruder auf der Hacke kehrtmacht und davoneilt. Aber als er gegangen ist, kommt er auf bessere Gedanken. Er nimmt sich zusammen, beeilt sich und geht hinaus und nimmt die Baumschere und tut, was zu tun ist.

Kein Zweifel, was am schlimmsten ist. Es ist weit schlimmer, ein Ja in ein Nein zu verwandeln, als der umgekehrte Fall. Wer Ja sagt, ohne sein Wort zu halten, missbraucht das Vertrauen des andren. Dann doch lieber gleich nein sagen. Ein Nein kann man doch in ein Ja umwandeln, wenn einem was Besseres einfällt, und das ist ein Glück. Aber ein Ja, das in ein Nein verwandelt wird, kann nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichten. Ja, aber du hast doch versprochen. Du hast gesagt. Ich hab' geglaubt. Macht man die Erfahrung oft genug, dass ein Ja alles mögliche andre als ein Ja, auch ein Nein, bedeuten kann, verliert man das Vertrauen zu seiner Umgebung. Das gilt für Kinder wie für Erwachsene. Dann wagt man nicht mehr, sich auf das Ja zu verlassen, das man bekommt. Dann kann jedes Ja prinzipiell mit Falsch belastet sein. Es kann halbherzig sein, zweideutig, ungedeckt wie ein Scheck. Ganz so, wie es zwischen den Brüdern und ihrem Vater ist, so ist es auch zwischen uns. Es ist nicht immer Verlass auf unsre Worte. Ja, das werde ich tun, sagen wir, aber wir wollen es ganz und gar nicht. Ja, das mache ich, ja, das will ich tun - aber nichts da! Weit gefehlt! Wir sagen eines und meinen etwas andres. Oder wir sagen eines und tun etwas andres. Und das ist dann jedesmal ein Bruch des Vertrauens, das uns ein andrer Menschen entgegenbringt. Abträglich und zerstörerisch für das Leben, das wir gemeinsam haben.

In die Welt, in der ein Ja so vielerlei andres bedeuten kann, ist ein Mensch gekommen, der nur ja sagt. Ein klares, eindeutiges, tönendes Ja. Und der ist es, der das Gleichnis im heutigen Evangelium erzählt. Das heißt, wir hören ihm wahrlich auch nein sagen. Er ist ja kein Mitläufer, der darauf aus ist, andre Menschen mit den Haaren zu streicheln. Er sagt ja zu einem jeden gebrechlichen Menschen, der ihn bittet. Willst du helfen, willst du kommen, kann ich bekommen - deine Hand, deine Worte, deinen Segen? Ja, sagt er, zu Zöllnern und Sündern und Prostituierten und Aussätzigen und Lahmen und Blinden und Kindern, ja dazu, dass sie alle frei sein sollen zu leben. Und nein sagt er zu jedem, der meint, er hätte sein Schäflein ins Trockene gebracht. Aber wenn er nein sagt zu der Selbstzufriedenheit und dem Egoismus der Pharisäer oder von uns allen, dann beruht dieses Nein auf einem großen Ja zu dem Leben, das wir gemeinsam haben. Und zwar sagt er deshalb, weil er ja sagt zu unsrem gemeinsamen Leben und der Verantwortung, die wir füreinander haben, nein zu der Selbstzufriedenheit und dem Egosimus, womit wir das Leben zunichte machen. Sein Nein drückt dasselbe aus wie sein Ja zu einem jeden, der ihn und das Leben, mit dem er kommt, nötig hat. Sein Ja ist Ausdruck einer unbedingten Freude über unser Leben.

Und im Unterschied zu unsrem Ja, das sich als ebenso halbherzig wie das des zweiten Bruders erweisen kann, ist sein Wort gedeckt, wenn der Herr es ausspricht. Er macht Ernst mit dem, was er sagt. Er schenkt gebrechlichen Menschen das neue Leben, das er ihnen verheißt, in dem Augenblick, da er die Worte sagt. Steh auf, hebe dein Bett auf und geh heim! Er lässt niemanden im Stich, er betrügt nicht. Er sagt nicht nur ja zu dem Vater, der ihn bittet, und zu den Menschen, die ihn bitten; er verwirklicht auch das Ja. Lebt es. Sein ganzes Leben und alles, was er tut, ist ein einziges großes Ja zu uns und zu Gott, eine lange Verteidigung gegen Tod und Zerstörung - nicht seiner selbst - sondern für das Leben, das wir gemeinsam haben. Und es schlägt nie in ein Nein um. Auch nicht, als sie ihn verraten. Auch da gibt er ihnen sich selbst zu essen und zu trinken. Auch nicht, als sie missverstehen und einschlafen und ihn im Stich lassen. Auch da ruft er sie. Auch nicht, als sie ihn ans Kreuz nageln. Auch da bittet er für sie. Da hätte er nein sagen können. Aber er tat es nicht. Er steht zu seinem Ja, das er einmal gesprochen hat, auch als es ihn sein Leben kostet. So sagt er nicht bloß sein Ja. Er ist ein Ja. Paulus sagt so gut: „Gottes Sohn war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm." Oder ganz kurz in Anlehnung an die neueste Übersetzung: „Er sagte nicht ja und nein - er war ein großes Ja."

Wer ist es, der das Ja sagt? Wir glauben, dass es der Schöpfer des Himmels und der Erde ist. Der, der unser Leben verteidigt und ja sagt zu uns mit Jesu Geburt und Leben und mit seinem Wort und seinen Taten. Wir glauben es, weil wir das Ende der Geschichte kennen. Denn ihm begegnet man ja mit einem Nein. Sie wollen ihn nicht haben. Sie können sein Ja zu nichts gebrauchen. Und haben sie ja zu ihm gesagt, so schlägt ihr Ja an Karfreitag um in ein Nein. Sie verraten ihn, verlassen ihn und lassen ihn im Stich. Sie schließen seinen Mund und begraben ihn - genau wie die bösen Weinbauern im Gleichnis. Genauso eindeutig, wie er ja zur Welt gesagt hat, genauso eindeutig sagt sie nein zu ihm. Aber die hasserfüllten Stimmen haben nicht das letzte Wort. Darum glauben wir, dass Gott sein Vater ist. Weil Gott ihrem Nein trotzt und ihn auferweckt und ihn ins Morgenlicht hinausschickt. Weil Gott den Stein, den die Baumeister verworfen haben, zum Eckstein gemacht hat. Das Nein in ein Ja verwandelt. Ein Ja - zu uns und zum Leben - das niemals in sein Gegenteil umschlägt.

Ein Ja kann man auf vielerlei Weise sagen. Mit einem Wort. Mit dem Daumen. Mit einem Nicken des Kopfes. Mit einem Blick. Und bekommt man den Blick, der ja bedeutet, ist alles gut. Hier in der Kirche sagen wir ja mit Worten. Mit Wasser. Mit Brot und Wein. Mit dem Zeichen des Kreuzes. Mit einem Blick, der uns entgegenleuchtet. Mit der Erzählung von dem Kind und dem Mann und dem Toten, der wieder lebendig wurde. Wenn wir ja sagen - dazu, dass wir an Gott den Vater glauben und an seinen eingeborenen Sohn und den Heiligen Geist - dann ist unser Ja ein Echo des Ja, das er zu uns gesagt hat. Weil er ja zu uns gesagt hat, deshalb können wir ihm unbekümmert mit ja antworten. Wir, die wir uns selbst gut genug kennen, um zu wissen, dass unser Ja nicht immer verlässlich ist. Sein Ja aber ist verlässlich. Darauf vertrauen wir. Darin ruhen wir. Und wir kommen immer wieder im Lauf unseres Leben in sein Haus, um es zu hören. Dass ja zu uns gesagt wird. Trotz alles Halbherzigen und Zweideutigen in uns. Nur ja.

Amen

 



Pastorin Marianne Frank Larsen
Taulov, DK-7000 Fredericia
E-Mail: mfl@km.dk

Bemerkung:
Die Predigt ist angeregt durch eine Predigt von Svend Bjerg: „Ja, kom til verden i ham" [Ja, komm zur Welt in ihm] , in Profane prædikener [Profane Predigten], Anis 2008



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