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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 05.08.2007

Predigt zu Matthäus 13:44-46, verfasst von Bert Hitzegrad

Predigttext aus Mt 13,44-46 (Text aus „Hoffnnung für alle")

44 Das Reich Gottes ist wie ein verborgener Schatz, den ein Mann auf einem Feld entdeckte und wieder verbarg. In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte, um den Acker zu kaufen und so den Schatz zu bekommen.
45 Wer in das Reich Gottes will, muß handeln wie ein Kaufmann, der auf der Suche nach kostbaren Perlen ist.
46 Er entdeckt eine Perle von unschätzbarem Wert. Deshalb verkauft er alles, was er hat,
um sie zu besitzen.

  
Liebe Gemeinde!

Die Skeptiker unter uns mögen sagen: Wo gibt es denn so viel Glück? Wer hat denn das schon mal erlebt? Schatz im Acker, Perle von unschätzbarem Wert? Sind das jetzt die Geschichten für das Sommerloch, die in der Tageszeitung unter der Rubrik „Aus aller Welt" zu finden sind? „63-jähriger aus Unna knackt den Lotto-Jackpot", „Jugendliebe nach 43 Jahren wieder gefunden", „Polarforscher entdecken Millionen Jahre altes genetisches Material im Eis". Das liest sich gut beim Urlaubsfrühstück. Großartig für die Glücklichen, aber wo ist das Glück für mich?

Da reicht es gerade für die Kino-Karte, um mit Captain Jack Sparrow alias Johnny Depp zum dritten Mal dem „Fluch der Karibik"zu folgen und den Schatz der Piraten über die Leinwand flimmern zu sehen.

Aber das ist weit weg. Genauso wie das Glück auf dem Acker. Ich bin selten dort, um zu graben oder zu pflügen. Und würde ich doch den großen Fund machen, dann käme er in irgendein Museum und würde vor allem andere glücklich machen. Und die Perle, vielleicht beim Tauchen vor Mallorcas Küste entdeckt, müsste ich spätestens bei der Zollkontrolle abgeben, damit der Artenschutz zu seinem Recht kommt.

Keine Chance für das plötzliche Glück!

Keine Chance - zumindest, wenn man das Glück nicht zulässt und ihm keine Möglichkeit einräumt. Vielleicht ging es ja dem schon so, der den Schatz im Acker vergraben hatte.

Warum liegt dieser Schatz da unten in der Erde? Hatte sein eigentlicher Besitzer Angst, dass er mit seinem Reichtum entdeckt wird, und hat er ihn deshalb - bei Nacht und Nebel, ohne einem Menschen davon etwas zu verraten - im Erdreich des Ackers vergraben? Keine Menschenseele sollte etwas davon wissen. Nur so würde er den Schatz für sich behalten. Nur so den Reichtum für sich allein genießen. Ohne, dass die vielen Neider kämen, die ewig Glücklosen, um sein Glück mit ihm zu teilen. Und hat er so, das Glück krampfhaft festhaltend, doch alles verloren? Verloren an die Dunkelheit des Ackers. Verloren an den „Hans im Glück", der das Verborgene an den Tag brachte, der alles auf eine Karte setzte, um seine Chance zu nutzen und den Schatz und das Glück und das Leben mit beiden Händen ergriff ...

Und vielleicht war ja auch schon die Perle in der Hand eines Ängstlichen, der ihren Wert erahnte, aber nicht wagte, von ihr Besitz zu ergreifen, weil,  ja weil Reichtum eben auch Gefahr bedeutet.

Helme Heine erzählt davon eine schöne Geschichte - die „Die Perle" (Middelhauve Verlag, 1985) in der Hand eines Bibers. Der Biber mit Namen Biba hatte beim Spielen eine Flußperlmuschel gefunden. Er öffnete die Muschel nicht, aber er zweifelte auch nicht daran, dass in der Muschel eine Perle war. Wie eine Schatztruhe presste er die Muschel an sein Biberherz und begann zu träumen. Er träumte davon, dass er den anderern im Wald davon erzählte. Und die anderen, die Tiere, wurden neidisch. Und sie begannen in seinem See selbst auf Flußperlmuschelsuche zu gehen. Sie zerstörten den Damm, den der Biba gebaut hatte, damit der See leer lief. Sie steckten als Schatzsucher im Schlamm und bewarfen sich mit Dreck, weil sie sich um jede Muschel zankten. Nachts zündeten sie ein Feuer an, weil sie befürchteten, dass Eulen und Feldermäuse im Schutze der Dunkelheit ihre Muscheln rauben könnten. Und plötzlich trieben Funken des Feuers in den Wald und das Feuer fraß sie alle auf, auch Biba und die Perle. Und da schreckte Biba hoch aus seinem Traum und besah die ungeöffnetet Muschel. Und er warf sie wie einen Kieselstein über den See, und sie tanzte siebenmal über das Wasser ...

Und man ahnt: Das vermeintliche Glück, das Biba gefunden hatte, hätte so leicht entgleiten können als Unglück für alle. Und so ergriff Biba die Chance und behielt nicht die Muschel mit der wahrscheinlich riesigen Perle darin, sondern er behielt die Freundschaft zu seinen Freunden als den Schatz seines Lebens.

Helme Heine erzählt mit seinen liebevollen Bildern die Geschichte für Kinder. Weil er wahrscheinlich weiß, wie sehr Kinder es lieben, einen Schatz zu suchen - und zu finden. Dabei kommt es den Kleinen gar nicht darauf an, ob denn der Schatz vom Gold funklelt oder der Glanz von Perlen ihnen die Augen blendet. Schon ein einfaches Schneckenhaus kann ein wahrer Schatz für sie werden. Eine bunte Glasscheibe, die im Sonnenlicht farbig schimmert oder ein gelber Kieselstern, der ganz sicher mit einer Goldader durchzogen ist.

Doch Kinderbuchautor Helme Heine will natürlich darauf aufmerksam machen, was die wahren Schätze unseres Lebens sind. Er sagt: Das sind die Freundschaften, die wir haben. Für den Biber die Freunde, die Tiere des Waldes. Für uns Menschen diejenigen, die an unserer Seite sind und das Leben so wertvoll machen.

Und welchen Schatz, welche Perle meint Jesus?

Zunächst sagt er: Dein Schatz liegt vor deinen Füßen. Deine Perle ist da - mitten in deinem Leben. Du hast eine Chance, nutze sie!

Der Mann auf dem Acker gehört scheinbar nicht zu Reichsten. Warum muss er sonst so hart arbeiten? Doch der harte Alltag hat offenbar sein Herz nicht hart gemacht. Er ist offen für Neues. Die Angst vor Neid und Missgunst lähmt ihn nicht, sondern die Freude am Glück schenkt ihm Freiheit. Die Freiheit auch von allem anderen, das er verkauft, um diesen einen Schatz zu haben. Mit der Offenheit für Neues öffnet er sich selbst das Leben.

Und genauso der Kaufmann. Sicherlich kein armer Tropf, der mit den kostbarsten Perlen handelt. Und dort, mitten in seinem Leben, vielleicht plötzlich auf seinem Ladentisch, entdeckt er die glänzende Schönheit, auf die er schon immer gewartet hat. Seine Augen können sich nicht satt sehen, sein Herz schlägt höher und seine Hände lassen alles los, was er bisher besessen hatte, um diese eine sein Eigentum zu nennen. Die Perle von unschätzbarem Wert. Die Perle, die alles in den Schatten stellt und sein Leben mit einem einmaligen Schein erhellt.

Dort, mitten im Leben, mitten im Alltag, in der dreckigen Krume des Ackers, auf dem blitzsauberen Tresen des Geschäftsmann ereignet es sich. Das Glück, das hier beschrieben wird, ist nicht das Glück von eins zu einer Million im Lottogewinn. Das Glück, der Schatz, die Perle, um die es hier geht, sind da, müssen nur entdeckt, gepackt und genutzt werden. Alles andere zählt nicht, nur dies, dieses eine!

Und was ist es nun, das Jesus meint?

Jesus spricht vom „Reich Gottes" und meint damit das Glück, dass Gott sich schon hier und jetzt finden lässt in unserem Leben. Sein Reich kommt nicht erst am Ende dieser Welt, sondern hat hier in dieser Welt schon begonnen. Sein Reich muss auch nicht herbeigepredigt werden oder ist nur für wenige Heilige wie der Sechser im Lotto. Es ist mitten unter uns - unter uns allen.

Mit dem, der diese Gleichnisse erzählt, hat es angefangen, ist sichtbar und spürbar geworden. Seitdem konnten Menschen diesen Schatz immer wieder entdecken. Seitdem konnten sie ihr Leben in einem neuen Licht wahrnehmen - wie im Spiegel einer wunderschönen Perle.

Die Ehebrecherin entkam den Steinen der Gerechten. Sie hatte Glück. Ja, sie begegnete genau im richtigen Augenblick dem, der Gottes Barmherzigkeit wie eine Schatztruhe öffnete. Und sie nahm mit vollen Händen und bekam ihre Chance.

Oder Petrus. Er angelte zwar nicht die kostbare Perle, sondern füllte seine Netze mit Fischen. Doch dieser neue Reichutm war ihm nicht wichtig, sondern der, der ihm, dem armen Fischer am See Genezareth begegnet war. Gott selbst kam in sein Leben und das krempelte sein Leben um.

Gottes Reich, das Glück der Nähe Gottes, verändert. Und wer da nicht zugreift, wer sich nicht verändern lässt, der verpasst eine Chance - die Chance des Lebens. Die Chance, dass der lebendige Gott dem Leben eine Perspektive gibt - auch über dieses Leben mit dem Sammeln von Schätzen hinaus.

Lieber den Schatz im Acker lassen? Ein Dummkopf, wer das tut. Mit Gottes Gegenwart nicht rechnen? Ein Hans im Glück, der seinen Goldklumpen verliert. Die Perle nicht sehen und sich mit künstlichem Schmuck zufrieden geben? Gottes Liebe ist so wertvoll, dass er sein Bestes für uns gab.

Deshalb die Frage am Schluss: Haben wir Augen dafür, die Schätze im Acker des Lebens wahrzunehmen? Gottes Freundlichkeit? Seine Mit-Menschlichkeit?

Der Biber in Helme Heines Geschichte musste lernen, was das Leben weitaus reicher macht als die teuerste Perle.

Und Stefanie Kloß, die Sängerin der Gruppe „Silbermond" besingt mit dem Song „Das Beste" „ihren Schatz". Seit November 2006 ist die Single auf den vordersten Plätzen der Charts:

„ Ich habe einen Schatz gefunden, und er trägt deinen Namen. So wunderschön und wertvoll
und mit keinem Geld der Welt zu bezahlen." Und im Refrain haucht sie ins Mikrofon:
„Du bist das Beste was mir je passiert ist, es tut so gut wie du mich liebst.
Ich sag's dir viel zu selten, es ist schön dass es dich gibt." (Silbermond, Das Beste, 2006)

Es gibt sie, die Erfahrungen im Leben, die mir zum Schatz im Acker oder zur Perle werden. Manchmal fehlt der Blick dafür. Manchmal die Leidenschaft, das Glück festzuhalten. Und nicht selten der Glaube, darin den Anfang von Gottes Reich zu erahnen. Amen.



Pastor Bert Hitzegrad
Cadenberge
E-Mail: BHitzegrad@aol.com

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