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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag im Advent, 02.12.2012

Predigt zu Lukas 1:67-79, verfasst von Andreas Schwarz

 

„Warten"

Lukas 1 - Der Lobgesang des Zacharias

67 Und sein Vater Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach:                                                    68 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk
69 und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David
70 - wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten -
71 dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, 72 und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund
73 und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben,
74 dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde,
75 ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.
76 Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest
77 und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden,
78 durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe,
79 damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

 

Warten - das ist das Thema im Advent.
Warten - das ist die Botschaft an Zacharias, den Vater Johannes‘ des Täufers.
Warten gehört zum Advent.

Wir machen das mit Zeichen deutlich. Viele Menschen, auch unsere Gemeinde hier in der Kirche, haben einen Adventskranz. Er wird geschmückt von vier Kerzen, für jeden Sonntag im Advent eine mehr. Und wenn sie alle vier brennen, dann ist es nur noch ein Tag bis zum Christfest.

Advent, das ist die Zeit, auf Weihnachten zu warten.

Wer Kinder oder Enkel hat, der erlebt das Jahr für Jahr wieder, welche Spannung zu diesem Warten gehört; welcher Zauber, unerklärlich und wunderschön, auf diesen Wochen liegt.

Vieles an Heimlichkeiten, an Vorbereitungen, an Wünschen, an Überlegungen begleiten diese Wochen.

Sicher auch viele Erwartungen und Hoffnungen, nicht nur auf Geschenke, sondern auch auf gute Beziehungen, auf hilfreiche Begegnungen, auf vertrauensvolle Gespräche, auf schöne Gemeinschaft. Familie, die sich oft lange nicht gesehen hat nutzt die Weihnachtstage genau dafür.

Für die meisten Menschen ruht die Arbeit, es ist Zeit für Familie. Hoffentlich gelingt, was wir uns vornehmen; hoffentlich haben wir uns etwas zu sagen, hoffentlich haben wir Interesse aneinander.

Wir sehen, das Spektrum des Wartens ist größer, als es auf den ersten Blick scheint.

Es gibt sicheres Warten - im Winter auf den Sommer, in der Arbeitsphase auf den Urlaub, in der Nacht auf den neuen Morgen; auf einen vereinbarten Termin beim Arzt, beim Frisör, mit Freunden. Natürlich auch auf den Tod, denn der kommt, sicher, irgendwann.

Es gibt unsicheres Warten, weil niemand weiß, ob sich erfüllt, worauf jemand wartet.

Paare, die sich ein Kind wünschen - und sie bekommen keins, wie lange immer sie warten, was immer sie versuchen. Sie hoffen und bangen, sie beten und warten - aber es ist ein leeres Warten; nichts geschieht. Es ist erfolglos, sie sind enttäuscht, sie resignieren und weinen.

Elisabeth und Zacharias wird es so gegangen sein, jedenfalls kann sich das hinter der schlichten Aussage verbergen: Elisabeth war unfruchtbar. Da gibt es familiär keine Zukunft. Das wissen sie, haben sich vielleicht damit abgefunden, arrangiert, wir wissen es nicht. Aber sie müssen ja leben, irgendwie, mit diesem Mangel. Der sich nicht mehr ändern lässt. Das wissen sie auch, das lehrt sie die Erfahrung.

Wie bedrückend.

Dass ein Mensch mit solch einer Erfahrung einen großen Lobgesang singt, dazu ist ein Wunder nötig. Etwas, das die Erfahrung durchbricht und etwas ganz Anderes schafft, etwas Neues, etwas Lebendiges. Gut, dass Zacharias einerseits fromm ist, andererseits auch einfach menschlich skeptisch. Das kostet ihn zwar einige Zeit Sprachlosigkeit, rückt ihn aber auch nah an unser Leben und unseren Glauben heran.

Von selbst bekommen wir den Zugang zum göttlichen Wirken nicht; wir müssen überwunden, bezwungen werden. Die Widerstände in uns sind hartnäckig, die sagen: das geht nicht, das kann ich mir nicht vorstellen, das kann einfach nicht sein, das glaube ich nicht.

Es gibt eine Menge an Feinden, die zu besiegen sind; Kräfte, die uns festhalten, die uns binden, die uns starr und unbeweglich werden lassen, weil doch scheinbar alles keinen Sinn und keine Zukunft hat.

Auf unbegreifliche Weise setzt Gott sich gegen diese Starre durch und bestätigt, was er schon immer gesagt und verheißen hat. Es gibt eine Zukunft, eine wunderschöne, eine befreite, eine lebendige

Wir sind ungeduldig und können nicht gut warten. Gott aber steht zu dem, was er gesagt hat, auch wenn die Zeit des Wartens auf die sichtbare Bestätigung lange dauert.

Zu lange, wie wir meinen.

Da passiert nichts mehr. Es ist die ganze Zeit nichts passiert, also wird auch jetzt nichts mehr passieren.
So denkt Zacharias, so denken wir.
Wir sollte es auch anders sein?

Für den Besuch Gottes bei uns haben wir keinen Radar, der uns das ansagt. Das bleibt eine Sache des Vertrauens, dass Gott zu seinem Wort steht, dass er tut, was er sagt - es bleibt eine Sache des Wartens, - warten zu können.

Zacharias darf erleben, wie gegen alle Erwartung und Erfahrung Leben kommt.

In seinem Lobgesang deutet er das als Bestätigung der Verheißung. Die Propheten sind nicht müde geworden, dem Volk zusagen, dass der Herr zu seinem Wort der Befreiung und Erlösung steht, dass die Zukunft offen ist und lebendig. Er hat es Abraham versprochen und bleibenden Segen zugesagt und das bedeutet Leben, Land und Nachkommen.

Also Zukunft.

Kann ich auf die Zusage und Verheißung Gottes vertrauen, obwohl alles, was ich erlebe, dagegen spricht?
Glaube ich, dass es einen Weg aus Traurigkeit und Enttäuschung heraus zum fröhlichen Gotteslob gibt?
Verlasse ich mich darauf, dass Gottes Treue größer ist als alle meine Erfahrungen es nahelegen?

Die Geburt seines unerwarteten und nicht für möglich gehaltenen Sohnes lässt Zacharias Gott loben, dass wir aus der Hand aller Feinde erlöst werden und ihm unser ganzes Leben lang dienen - ohne Angst vor irgendwelchen Gefahren.

Der Besuch Gottes, von dem Zacharias singt und der sich für ihn in der Geburt seines Sohnes zeigt, den er Johannes nennen muss - Gott ist gnädig - ist keine Stippvisite. Gottes Besuch ist ein grundsätzlicher, ein bleibender. Denn der Besuch hat einen Inhalt und ein Ziel: es geht um Rettung und Erlösung vor allen Feinden, aus aller Angst; es geht um das Heil, um endgültig gelingendes Leben, um Zukunft in der Gemeinschaft mit Gott - in Vergebung aller Sünden. Der Boden für diesen göttlichen Besuch ist Barmherzigkeit, Liebe zu seinen Menschen, die dunkles Leben hell macht, die zeigt, dass unser Leben nach vorn offen ist. Sein Besuch ist für Menschen, die im Dunkeln sitzen, im Schatten des Todes. Und auf welchem Leben liegt dieser Schatten nicht? Wir sind auf unterschiedlichste Weise und immer wieder vom Tod umgeben. Darum ist dieser göttliche Besuch bei uns so wichtig, lebenswichtig. Damit uns das Leben leuchtet - gerade dann, wenn sich der Tod als übermächtige Macht zeigt.

Der Besuch Gottes richtet unser Leben neu aus, weg von Angst, Sorge und Hass, hin zu Zukunft, Leben und Frieden.

Frieden mit Gott, Frieden mit den Menschen, mit denen wir leben, mit denen wir glauben, Frieden mit dem eigenen Leben, das so ist, wie es ist und wir wünschen es oft anders, Frieden mit der Aussicht, warten zu können.

Liebe Adventsgemeinde, schenke es uns Gott in diesen Tagen, dass wir neu warten lernen, gefüllt warten, denn Gott steht zu seinem Wort, dass gegen alle Erfahrung das Heil das Leben vor uns liegt - wie Zacharias gesungen hat.

Dank sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.

 



Pfarrer Andreas Schwarz
75172 Pforzheim
E-Mail: p.andreas.schwarz@gmail.com

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