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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag im Advent, 09.12.2012

Predigt zu Lukas 21:25-36 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Birgitte Graakjær Hjort

 

Es hat immer Menschen gegeben, die sich intensiv mit Jesu Wiederkunft und dem Jüngsten Gericht beschäftigt haben. Andere enthielten sich ausdrücklich einer jeden Beschäftigung mit mit derlei Dingen, weil es nur allzu leicht dazu führt, dass man die Leute verschreckt und Furcht und Unruhe verursacht. Heute werden wir gar nicht erst gefragt, ob uns ein solches Thema überhaupt interessieren könnte. Heute wird uns verkündigt, die Welt geht unter, und Jesus Christus wird wiederkommen. Der Untergang wird mit Getöse vor sich gehen, und er wird vielleicht sogar schon sehr viel früher geschehen, als wir ahnen.

Aber der Weltuntergang ist bekanntlich noch nicht eingetreten, obwohl Jesus doch bereits vor vielen Jahrhunderten davon gesprochen und sogar hinzugefügt hat, dass es bald geschehen würde. Deshalb haben allmählich recht viele Menschen den Gedanken ganz verworfen. Die ersten Christen waren allerdings fest davon überzeugt, dass Jesus bald wiederkommen würde. Sie glaubten, das würde noch zu ihren Lebzeiten geschehen. Auch Paulus war dieser Auffassung. Jedenfalls in seiner Jugend. Da glaubte er, er würde es noch erleben, dass Christus wiederkäme.

In den frühesten Gemeinden gab es viele Menschen, die mit der Erwartung lebten, der Jüngste Tag stünde unmittelbar bevor. Und für sie bedeutete es eine echte Anfechtung, wenn einer ihrer Mitchristen starb. Denn Christus war ja noch nicht erschienen. Und was würde überhaupt mit denen geschehen, die gestoren waren? Würden sie die Auferstehung verpassen oder was? Die ersten Christen hatten ja begreiflicherweise kein Neues Testament, von dem aus man sie hätte unterrichten können. Der christliche Glaube war noch so jung und neu, dass sie nicht hatten erfahren können, dass diejenigen, die vor Christi Wiederkunft starben, bis dahin schlafen würden.

Auch heute gibt es noch Menschen, die mit dem starken Bewusstsein leben, dass Christus könne bald wiederkommen, auch wenn das sicherlich zu den Seltenheiten gehören würde. Man erzählt von dem Stiftspropst Henry Ussing, dass er allmorgendlich zu Gott betete und ihm die Frage stellte: „Herr, kommst du heute?" Und dass er dementsprechend auch allabendlich betete und die Frage stellte: „Herr, kommst du morgen?"

Vielen von uns Heutigen würde es gewiss sehr fernliegen, wie der Stiftspropst zu beten und zu denken. Wir neigen vielleicht eher dazu, den Untergang der Welt und das Jüngste Gericht so weit von uns weg und in die Zukunft zu verschieben, dass er erst eintritt, wenn wir selbst schon lange tot sind. Wir stellen uns nicht vor, dass unser Haus und unsere Heimat untergehen werden. Unser grüner Rasen und unser blauer Himmel wird nicht mit einem Knall abgeräumt werden. Wir richten uns daher solide ein. Manchmal fast so, dass man glauben könnte, wir würden uns bis in alle Ewigkeit hier aufhalten. Wir sammeln mancherlei und bewahren es auf. Wir sorgen für solide Altersversorung. Wir sichern unsere Zukunft. Wir machen Pläne, die weit in die Zukunft reichen.

Aber die Sache ist ganz einfach die, dass niemand von uns den Zeitpunkt kennt. Wieviele Zeichen des Weltuntergangs wir auch zu entdecken meinen, letzten Endes behält Gott das Geheimnis für sich. Gott allein weiß, wann es geschen wird. Aber stattdessen will er uns gern sagen, WAS geschehen wird. Und das erzählt er uns durch Jesus.

Im Evangelium für heute gibt es wesentlich zwei Dinge, die uns Jesus über den Weltuntergang und das Jüngste Gericht sagen will.

Erstens sagt er zu uns, dass die Welt mit einem Knall untergehen wird. „Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,

und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen."

Das hört sich furchterregend an. Und zugleich können wir nicht recht begreifen, was da eigentlich genau passieren wird. Deshalb hat auch jede Generation ihre eigenen Gedanken entwickelt, wie die Welt untergehen wird. Es ist uns beinahe unmöglich, darüber nicht hin und wieder zu spekulieren.

Als ich noch ein Kind war, lebte ich mit dem Gefühl, wenn die falsche Person am falschen Ort sein würde oder wenn eine mächtige Person wütend genug würde, dann könnte dieser Mensch auf einen Knopf drücken, und die ganze Welt würde mehr oder weniger abgeräumt werden. Zu der Zeit, als die Atombombe gerade erfunden worden war und dann erprobt wurde und vorführte, wieviel sie zu zerstören imstande war, gab es mehrere Jahrzehnte lang massenweise Menschen, die fürchteten, wir würden einen 3. Weltkrieg erleben. Und in einem solchen Weltkrieg würden dann Atombomben die Menschheit ausrotten.

Heute stellen sich viele Menschen vor, es würde sich eine Umweltkatastrofe einstellen, die für alles das Ende bedeuten würde. Möglicherweise würde sich das über vielen Jahre hinziehen. Aber sukzessive würden wir uns dem Augenblick nähern, in dem die Katastrofe Wirklichkeit wird, denken viele Menschen. Die Ozonschicht, der Klimawandel oder die Umweltverschmutzung würden die Welt zerstören.

Andre fürchten eine weltweite Milzbrandepidemie. Oder sie fürchten, eine Vogelgrippe werde sich ausbreiten und sich unserer Kontrolle so weit entziehen, dass sie uns total ausrotten könne.

Vielleicht denken wir nicht gerade täglich an den Untergang der Welt. Aber hin und wieder kann sich eine Stimmung von Panik oder kollektiver Angst verbeiten, die uns und die ganze Welt bedroht.

Jesus besaß genügend Wirklichkeitssinn, um zu wissen, dass wir als Menschen vor allen möglichen Formen von Unheil Angst haben können. Wir können schaudern bei dem Gedanken an all das, was dem Leben, das wir kennen, ein Ende bereiten kann. Und Jesus behandelte seine Zuhörer nicht wie zarte Seelen, die man von dem Gedanken eines Unterganges verschonen müsste.

Aber er hat mehr zu sagen als dies, dass die Welt mit Getöse untergehen wird. Er sagt, dass der Menschensohn mitten in dem Getöse kommen wird. „Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." Mitten in dem Grauen werden wir also den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen.

Wenn er kommt, kommt er nicht als der Erfinder der Atombombe, der unser Grauen verlängern will. Er kommt auch nicht als der Ansteckungsherd der Vogelgrippe oder als der Verursacher der Umweltkatastrofe. Jesus Christus kommt als Erlöser.

Nicht demütig und bescheiden wie ein Menschenkind in einem Stall. Sondern mit Macht und großer Herrlichkeit.

Also: zwar können wir Angst haben vor dem, was die Welt in den Untergang treiben kann. Und wohl können wir Angst haben, wenn wir daran denken, dass die Welt, die wir kennen, nicht ewig halten kann. Jesus macht unsere Furcht nicht kleiner. Er sagt doch, dass wir vor Schreck erstarren und von Angst befallen werden können.

Aber eines brauchen wir nicht zu fürchten, nämlich, dass wir in dem Grauen allein gelassen werden. Das wird nicht geschehen. Denn wir werden Christus als dem Erlöser begegnen. Er wird mit einer Macht und Herrlichkeit kommen, deren Größe wir bisher nur zeitweise haben ahnen können.

Wann immer und wie immer Himmel und Erde vergehen werden, eines wird nicht vergehen. Und das ist das Wort Jesu. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht." Wenn die Welt untergeht, wird der Menschensohn das Wort zu uns sprechen, das auch das allergrößte Getöse nicht zu übertönen vermag.

Darum werden wir ihn an der Stimme wiedererkennen. Wie die Jünger, die bei pechschwarzer Nacht in einem kleinen Boot auf dem See Genezareth kämpften. Wo Himmel und Meer eins waren. Sie glaubten, ihre letzte Stunde sei gekommen, und sie zweifelten nicht, dass sie ertrinken würden. Mitten in dem Entsetzen sahen sie Jesus. Er ging auf dem Meer auf sie zu. Zuerst erschraken sie und glaubten, ein Gespenst zu sehen. Aber als er den Mund auftat und zu ihnen sprach, erkannten sie ihn an der Stimme. Und er kam als der Erlöser, der sie aus ihrer bedrohlichen Lage befreite.

So werden auch wir ihn wiedererkennen. Wenn alles um uns herum tost und zusammenbricht, werden wir Christus an seiner Stimme wiedererkennen.

Das Evanglium des heutigen Tags sagt also, dass die Welt untergehen wird. Und wir können dem Grauen nicht allzeit entgehen. Aber wenn wir mitten im Untergang stehen, wird er in der Wolke des Himmels kommen. Nicht als der lange Arm der Bosheit und der Leiden. Sondern er kommt als unser Erlöser. Da werden wir ihn an der Stimme erkennen, die sagt: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein."

Amen

 



Pastorin Birgitte Graakjær Hjort
DK-8200 Århus N
E-Mail: bgh@christianskirken.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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