Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 05.08.2007

Predigt zu Lukas 16:1-9, verfasst von Hanne Drejer

Es gibt, wie wir wissen, viele Vorurteile über Kirche und Christentum. Eines der mehr zählebigen ist, dass das, was in der Kirche gesagt wird und was in der Bibel steht, nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun habe.

             Diesem Vorurteil müsste man doch wohl, wenn man nur das Evangelium von heute gehört hat, ein Ende bereiten können.

             Aber was sollen wir denn mit dieser unmoralischen Geschichte machen? Ja, wenn wir auch nichts anderes davon haben, dass wir heute in die Kirche kommen, als dass es heute jedenfalls um das wirkliche Leben ging, dann ist das doch auch eine Botschaft!

             Ein Mann in sehr verantwortungsvoller Stellung wird entlarvt. Er ist mit dem Eigentum seines Herrn mehrfach unehrlich umgegangen, und es droht ihm nun die Entlassung. Im allerletzten Augenblick gelingt es ihm dennoch, sich vorm Bettelstab zu retten, nämlich indem er sich Mitschuldige verschafft. Er sucht einige andere auf, die seinem Herrn auch Geld schulden, und ändert die Schuldscheine, so dass es so aussieht, als schuldeten sie weniger, als sie tatsächlich schulden.

             Und das war ja herrlich für sie, aber mindestens ebenso vorteilhaft für den Verwalter, denn so befinden sie sich mit ihm im selben Boot. Denn nun schulden sie dem Gutsverwalter einen Dienst für den, den er ihnen geleistet hat. Er kann ja damit drohen, ihren gemeinsamen Betrug aufzudecken, wenn sie ihn nicht ordentlich behandeln, jetzt wo er es nötig hat!

             Eine Geschichte direkt aus dem wirklichen Leben. Eine banale und alltägliche Geschichte von Frechheit und Schwindel, Egoismus und Verantwortungslosigkeit, wie wir sie tagtäglich lesen und hören können.

             So weit so gut. Aber warum lobt der Herr diesen Mann? Ja, der Herr lobte den unehrlichen Gutsverwalter, weil er klug gehandelt hat, steht da.

             Und das ist doch auch wahr. Er gab nicht so leicht auf, sondern frech und schlau, wie er war, sorgte er dafür, sich selbst aus der Schlinge zu ziehen. Und das war doch klug, das ist wahr. Es war bestimmt nicht anständig oder lobenswert oder moralisch unangreifbar, wohl aber klug, das kann man nicht leugnen.

             Und von derartigen Erzählungen von egoistischen und unmoralischen Menschen, denen es trotzdem gut geht, weil Gott es so will, wimmelt es faktisch in der Bibel.

             Man denke an den größten König, den die Juden je gehabt haben: David, der ein großer Heerführer und begabter Politiker war, der mit Recht den Ruhm genießt, seinem Land Ehre und Ruhm verschafft zu haben. Aber auch er war nur ein Mensch, der eines schönen Tages seine Macht missbrauchte. Als er nämlich die schöne Bathseba zu sehen bekam, vermochte er mit Geschick ihren Ehemann Urias aus dem Weg zu räumen. David gab bloß den Befehl, dass Urias auf einen so gefährlichen Posten gestellt werden sollte, dass er dem Tod nicht würde entgehen können, wenn das Heer das nächste Mal in den Kampf zog. Wonach David Bathseba in seinen Harem einreihen konnte.

             Ungeachtet aller seiner großen Fähigkeiten als König ist David als Mensch genauso klein und egoistisch und sündig wie alle anderen.

             Und man denke an den Stammvater der Juden Jakob. Er war Esaus Zwillingsbruder, und Esau war faktisch der Erstgeborene und deshalb in einer jüdischen Familie derjenige, der der Stammvater der Familie zu sein und seines Vaters Segen zu empfangen hatte. Aber Jakob verschaffte sich durch Betrug das Recht der Erstgeburt, indem er den hungrigen Esau mit einem Linsengericht lockte und sich danach den Segen des Vaters erschlich, indem er zu dem blinden Vater hineinging und sich für seinen Bruder Esau ausgab.

             Und wenn der Segen einmal erteilt war, konnte er nicht wieder zurückgenommen werden.

             Natürlich entstand tödliche Feindschaft zwischen den beiden Brüdern, und Jakob musste fliehen, aber dennoch war er es, der Bandit, der Patriarch der Juden wurde und von Gott selbst den Namen Israel bekam und Stammvater der zwölf Stämme Israel wurde.

             In der Bibel wimmelt es von dergleichen Erzählungen.

             Heute hören wir Jesus noch eine der Art erzählen, die vom unehrlichen Verwalter. Eine Geschichte, die von Frechheit und Schlauheit und Überraschungen nur so strotzt und die so vielen andern Geschichten der Bibel völlig gleicht, die immer von wirklichen Menschen erzählen, im Guten wie im Bösen.

             Hier gibt es keine nebulösen Beschönigungen. So war die Welt damals, wie sie es noch immer ist.

             Dem Verwalter gelingt es, sich vor dem Bettelstab zu retten, und man ahnt fast schon, dass die Affäre jetzt so umfassend ist, dass es keinen Sinn hat, sie zu zerpflücken. Hat es Ähnlichkeit mit etwas, was wir kennen? Ja, das hat es. So ist das eben, wo wirklich Geld, viel Geld auf dem Spiele steht, und das war offenbar auch damals der Fall.

             Aber was machen wir mit dem Schluss, dass der Herr den betrügerischen Verwalter lobt, weil er klug gehandelt habe? Wohin hat sich das Evangelium verirrt, wenn so ein Kerl gelobt werden kann?

             Ja, aber hier ist frohe Botschaft doch gerade nicht so schwer zu erfassen. Denn wenn selbst König David, der seine Macht missbrauchte, gebraucht werden konnte, und Jakob, der sich die Stellung des Familienoberhauptes erschlich, trotzdem der Patriarch der Juden werden konnte, und wenn ein betrügerischer Verwalter, der nicht aufgeben wollte, Lob erntet, dann ist da vielleicht auch Hoffnung für uns.

             Und schließlich ist es ja nicht immer gleich angenehm, Lob zu empfangen. Lob kann auch sarkastisch gemeint sein und wie Salz in einer offenen Wunde schmerzen. Wie von einem anderen Gutsbesitzer erzählt wird, der einmal seinen Gärtner in einer Empfehlung lobte, die er ihm mitgab. Darin schrieb der Gutsbesitzer: Es ist ganz unglaublich, was der Gärtner aus meinem Garten herausgeholt hat!

Und das klang ja so ganz gut.

Die Wahrheit war nur, dass der tüchtige Gärtner nicht nur tüchtig war, um Blumen und Gemüse gedeihen zu lassen, sondern auch tüchtig, davon reichlich zu verkaufen und das Geld in die eigene Tasche zu stecken.

             Aber als der Gutsbesitzer den Betrug entdeckte und natürlich den Mann am liebsten so schnell wie möglich losgeworden wäre, forderte er den Gärtner auf, sich anderswo um eine Stellung zu bewerben, und er gab ihm das Empfehlungsschreiben mit, das es ganz unglaublich sei, was er aus seinem Garten herausgeholt habe.

             Und das war ja auch nicht gelogen!

             Jesus sagte von sich selbst, dass er nicht gekommen sei, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder! Das ist das Evangelium, das ist die frohe Botschaft - wenn anders wir uns davon erholt haben, Sünder genannt zu werden!

             Die Erzählungen der Bibel von Gott und Menschen fügen nichts hinzu und nehmen nichts weg. Sie erzählen die ungeschminkte Wahrheit über uns. Und die Wahrheit ist nur aus einem einzigen Grund zu ertragen, dass Gott ist und uns in seinem Dienst gebrauchen kann und will - obwohl wir so sind, wie wir sind.

             Deshalb brauchen wir auch nichts an dieser unmoralischen Erzählung vom betrügerischen Gutsverwalter, der am Ende Lob davontrug, zu ändern.

             Denn wie wir in der Epistel heute gehört haben, in der ersten Lesung vom Altar:

             "Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt (und das ist sehr wahrscheinlich), dann haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt."

             Gottes Sohn kam zu uns, als unser Heiland und Versöhner, weil wir nicht selbst zu Gott zu kommen vermögen. Er kam und kommt fortgesetzt mit dem Reich Gottes und der Gnade Gottes zu uns, mögen wir nun betrügerische Gutsverwalter sein, die alles durchgebracht haben, oder anständige und verantwortungsbewusste Bürger, die darum kämpfen, niemandem etwas zu schulden. D.h. darum, was wir nie erreichen - niemandem etwas zu schulden. Obgleich unsere sehr moralische Zeit alles tut, um uns einzubilden, wir könnten dahin gelangen.

             Und stell dir einmal vor, das anvertraute Gut wird nicht von uns genommen, obwohl wir den Anforderungen nicht genügen. Wir bekommen an jedem lieben Tag eine neue Chance!

Amen.



Pastorin Hanne Drejer
Asperup, Dänemark
E-Mail: hdr@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier

Text der dänischen Perikopenordnung


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