Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 05.08.2007

Predigt zu Matthäus 13:44-46, verfasst von Georg Freuling

Heute morgen soll es um zwei Menschen gehen.
Es sind zwei Menschen,
wie sie unterschiedlicher kaum sein können.

Der eine von den beiden fällt nicht besonders auf.
Er geht in der Menge unter.
Bei näheren Hinsehen wirkt er irgendwie niedergeschlagen, deprimiert.
Das sehe ich ihm an,
seinem müden Gesicht, seiner gebeugten Haltung.
Seine Sorgen haben da ihre Spuren hinterlassen,
sie lassen ihn nicht los.
Selten erzählt er davon.
Aufgegeben hat er:
„So ist dein Leben nun mal," denkt er.
Er beißt sich durch - ohne große Pläne, ohne große Erwartungen.

Das ist also der eine.
Der andere ist ein richtig interessanter Typ.
Er hat schon viel erlebt, hat viel zu erzählen.
Er bringt andere zum Lachen,
seine Lebensfreude steckt an.
Er hat es zu etwas gebracht. Und das zeigt er auch.
Vordergründig fehlt es ihm an nichts. Vordergründig.
Und dennoch fragt er sich manchmal:
„Kann das schon alles sein?"
Er interessiert sich für alles,
sucht neue Herausforderungen.
Doch das sind nur Symptome seiner inneren Unruhe,
die ihn treibt.
Er bleibt auf der Suche.

Zwei Menschen,
wie sie unterschiedlicher kaum sein können.
Vielleicht erkennen Sie die beiden wieder
im Predigttext für diesen Gottesdienst.
Der steht bei Mt 13,44-46.
Jesus erzählt dort zwei kurze Geschichten vom Himmelreich... (Predigttext)

Haben Sie die beiden wiedererkannt?
Der eine arbeitet auf einem fremden Feld.
Wahrscheinlich ist er ein Tagelöhner.
Von seinem eigenen kleinen Besitz kann er nicht leben.
Er ist darauf angewiesen,
jeden Morgen aufs Neue Arbeit zu finden.
Was der nächste Tag bringt, weiß er nie so genau.
Er beißt sich durch.
„Mehr ist nicht drin," denkt er.
Und mehr erwartet er auch gar nicht mehr.
Da pflügt er gebeugt vor Anstrengung und Sorgen den Acker, der nicht ihm gehört.
Und auf einmal bleibt der Pflug hängen, sitzt fest.
Er sieht nach.
Und stößt auf diesen Schatz, der alles verändert.
Ganz unerwartet.
Das ist der eine.
Der andere ist dieser Kaufmann.
Nicht irgendein kleiner Krämer, sondern einer,
der es zu etwas gebracht hat.
Und das zeigt er auch durch kostbare Gewänder,
durch die Ringe an seinen Fingern.
Er ist gerne gesehen, ein beliebter Gast auf allen Parties.
Und er hat eine besondere Leidenschaft.
Es ist so eine Liebhaberei, wie sie sich jemand leistet,
der sonst schon alles hat:
Er sucht nach kostbaren Perlen.
Ständig ist er auf der Suche.
Aber gefunden hat er noch nicht, wonach er sucht.
Doch dann findet er sie eines Tages; ganz unerwartet:
die eine und einzigartige Perle,
die alles in den Schatten stellt,
was er bisher gesehen hat.

Zwei unterschiedliche Menschen:
der eine sucht, der andere nicht.
Und dennoch:
Beide machen den Fund ihres Lebens.
Das verbindet sie.
Sie entdecken etwas,
was alles andere in den Schatten stellt.
Schatz und Perle wiegen alles auf.
Und deshalb heißt es dann von beiden:
„...er ging hin und verkaufte alles, was er hatte,
und kaufte den Acker
und kaufte die Perle."


Genau so ist das mit dem Himmelreich, sagt Jesus.
Vielleicht sucht jemand schon danach,
ist „religiös interessiert", weiß aber noch nicht genau,
wonach er eigentlich sucht.
Vielleicht ist er aber auch gar nicht auf der Suche,
sondern stößt ganz unerwartet darauf.
So oder so: für beide ist es eine großartige Entdeckung.

Und dann, ja dann ist kein Verzicht zu groß.
Deshalb kratzt der arme Tagelöhner alles zusammen,
was er hat: diesen Acker muß er einfach kaufen!
Und der reiche Kaufmann wird arm,
nur um sie zu besitzen, diese eine und einzigartige Perle.
Das Himmelreich wiegt alles auf.

Verzicht also für das Himmelreich?!

Mich erinnert das an Franz von Assisi.
Der hat sein Leben als reicher Kaufmannssohn aufgegeben, um in Armut ganz für Gott zu leben.
Es erinnert mich an Albert Schweizer.
Der verzichtete auf eine glänzende Karriere,
um in Afrika den Armen zu helfen.

Das sind Geschichten, die mich beeindrucken.
Aber - es sind nicht meine Geschichten.
Diese radikalen Entscheidungen beeindrucken mich,
aber kann ich sie nachvollziehen?
Ehrlich gesagt:
Ich hänge an meinem Leben - so, wie es ist.
Der Gedanke, alles aufzugeben, erschreckt mich.
Bin ich dann nicht der Falsche,
um Verzicht zu predigen?
Wenn ich das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott" singe,
dann bleibt mir Strophe 4 immer fremd.
Da heißt es:
„Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib,
laß fahren dahin, sie habens kein Gewinn.
Das Reich muß uns doch bleiben."
Wenn ich das singe, weiß ich:
So einfach kann ich das eigentlich nicht nachsprechen.
Ich bin kein Freund des Verzichtes...

Verzicht für das Himmelreich!?
„...er ging hin und verkaufte alles, was er hatte."
Alles geben die beiden auf.
Ein Aufruf zum Verzicht?
So wurden und werden diese Gleichnisse Jesu immer wieder verstanden.
Wahrscheinlich versteht Mt sie schon so.
Bei ihm sagt Jesus:
„Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden,
wo sie Motten und Rost fressen.
Sammelt euch aber Schätze im Himmelreich!"
Diese radikale Alternative provoziert mich.
Sie provoziert mich ebenso,
wie der Verzicht dieser beiden unterschiedlichen Menschen, von denen Jesus hier im Predigttest erzählt.
„Was ist dir dein Glaube wert?"
So lautet die Frage,
wenn ich diese Gleichnisse so verstehe:
„Bist du bereit, zu verzichten?"

Aber geht es hier tatsächlich um Verzicht?
Muß ich diese beiden Gleichnisse so verstehen?

Wenn ich genau hinsehe,
dann stoße ich auf etwas ganz anderes.
Eigentlich ist gar nicht von Verzicht die Rede,
sondern von Gewinn!

Für den armen Tagelöhner ist es gar keine Frage,
was er zu tun hat!
Da liegt ein Schatz im Acker.
Keine Frage: Dieser Schatz wiegt alles auf,
was er an Ersparnissen dann zusammenkratzt,
um Acker samt Schatz zu kaufen.

Auch für den reichen Kaufmann ist es keine Frage,
was er zu tun hat.
Diese eine Perle wiegt allen Reichtum auf,
den er bieten kann.
Es lohnt sich, alles für sie zu geben.

Diese Geschichten lassen gar nicht erkennen,
daß die beiden erst einmal rechnen,
daß sie Gewinn und Verlust vergleichen.
Der Gewinn liegt so auf der Hand,
daß sich jede Rechnung erübrigt!
Einen Verzicht spüren die beiden gar nicht:
Schatz und Perle wiegen alles auf!



Genau so ist das mit dem Himmelreich, sagt Jesus.
Wer auf die gute Nähe Gottes in seinem Leben stößt,
der macht eine wunderbare Entdeckung.
So ist das mit dem Glauben:
Wer ihn für sich entdeckt,
der ist wie dieser Mensch,
der mit zitternden Fingern eine Schatztruhe öffnet.
Und staunt. Er kann an nichts anderes mehr denken.
Wer glaubt, der steht fasziniert vor Gott,
der vergißt alles um sich herum,
so wie dieser Kaufmann,
der glücklich seine Perle im Licht dreht
und sie nie mehr hergeben möchte.

Liebe Gemeinde,
einen solchen Glauben wünsche ich uns.
Ich möchte immer wieder neu entdecken,
daß mein Leben Gottes Handschrift trägt;
ich möchte darin seine Güte entdecken.
Ich möchte es mir immer wieder neu gesagt sein lassen,
daß er für mich da ist.
Und dann darauf vertrauen,
damit ich Halt und Geborgenheit finde in allem,
was mich bedrückt und mein Leben schwer macht.
Ruhe möchte ich darin finden -
nicht etwa gähnende Langeweile,
sondern eine freudige Gelassenheit, die Zuversicht,
daß Gott alles zum Guten wendet.
Und dann möchte ich darin einen Maßstab für mein Leben finden, Orientierung, wenn ich mich frage,
was wirklich zählt.
Und nur wenn ich diese Orientierung finde,
dann werde ich auch bereit zum Verzicht,
zu dem Verzicht, der nichts wiegt im Vergleich mit der Freude, die Gott schenkt.

Das möchte ich! Diesen Glauben wünsche ich mir!
Ich sage nicht: Das weiß ich. Oder:
Diesen Glauben habe ich.
Denn Glaube ist kein Besitzstand.
Diesen Glauben entdecke ich immer wieder neu.
Manchmal stoße ich da ganz unerwartet drauf.
Und damit sind wir wieder bei den Geschichten,
die Jesus erzählt:
Zwei Menschen.
Der eine sucht, der andere nicht.
Doch beide machen sie den Fund ihres Lebens.
Was da als einmaliges Ereignis erzählt wird,
das ist - glaube ich - ein lebenslanges Suchen und Finden.
Da kann es passieren,
daß die Schatzkiste unterm Bett abgestellt wurde
und verstaubt.
Dann stoße ich neu drauf, wische den Staub ab,
öffne die Kiste und entdecke diesen Schatz ganz neu.
Mit anderen Augen.
Denn Gottes Reichtum ist unerschöpflich.

Ob wir nun schon lange suchen
oder zufällig darüber stolpern.
Daß wir ihn finden, das gebe uns Gott. Amen.



Pfarrer z.A. Georg Freuling

E-Mail: georg.freuling@web.de

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