Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christvesper, 24.12.2012

Predigt zu Lukas 2:1-14, verfasst von Michael Wagner Brautsch

 

"Der kleine Junge Jakob hält Pu den Bären an der Pfote und fragt, sobald er mich sieht: ‚Willst du ganz lieb sein und Pu dem Bären eine Geschichte erzählen?' - ‚Ja. vielleicht will ich das, aber was für Geschichten hat er am liebsten?' ‚Am liebsten hört er eine Geschichte, die von ihm selbst handelt!'"

So beginnt das Buch von dem herrlichsten Bären der Welt, von Pu dem Bären. Und er entpuppt sich als sehr menschlich, obwohl er ein Stofftier ist. Er ist philosophisch, nachdenklich und stellt immerzu Fragen, und obwohl er vielleicht einfältig ist, so ist er doch auch neugierig, und wenn man bloß neugierig ist, wird man schon zurechtkommen.

Und dann will er am liebsten Geschichten von sich selbst hören. Das wollen wir auch, und das ist einer der Gründe, warum es so schön ist, an Heiligabend in die Kirche zu gehen. Die Liebesgeschichte, die immer in der Kirche erzählt wird, ist nämlich die Geschichte von uns selbst und davon, wie sehr wir von Gott geliebt sind. Und von Vergebung, die ja nicht Vergessen ist, sondern ein völlig neuer Anfang von etwas, was schon bekannt ist.

Ein völlig neuer Anfang. Wie damals, als eine Familie im Sturm des Lebens und in Unwettern lange Zeit umhergetrieben wurde und schießlich ihre Habe und Familie auf der Spitze eines neuen hohen Berges an Land setzen konnte. Nach all der Unruhe auf dem Meer und der beharrlichen Ausdauer beim Aushalten der Pein und dem gemeinsamen Festhalten an dem, was sie zu bewahren für das Wichtigste hielten, nämlich die Familie und alles geschaffene Leben, fanden sie einen neuen Höhepunkt. Das ist die Erzählung von Noah und seiner Familie.

Wenn man Lust hat, eine erbauliche Geschichte zu hören über Nöte im Partnerschaftsverhältnis und das Problem, wie man „seine Familie überlebt", dann muss die Geschichte von Noah und dem Schiff von ihm und seiner Familie die Geschichte sein. Nirgenwo sonst in der Weltliteratur ist so viel Partnerschaft auf so engem Raum und mit so großen Schwierigkeiten zusammengepfercht. Die ganze Welt bricht ihnen zusammen, während sie da drinnen sitzen!

Es ist die Geschichte, die von vielen Dingen handelt, darunter auch vom Paarverhältnis, und davon, wie gut es gehen kann, wenn man gleicherweise die Form (einen ordentlichen Rahmen) und den Inhalt (alles, was man im Alltag vielleicht nur schwer beim Namen nennen kann) berücksichtigt! Oder formuliert in der Sprache von Heiligabend: wenn man eine Hand findet, die man festhalten kann, mitten zwischen - gleich nah an - dem unerreichbaren Stern auf der Spitze und den sehr gegenwärtigen Geschenken unter dem Baum!

Wenn Herr und Frau Noah schließlich den Mut fassen und den schlimmsten Fabeltieren den Rücken kehren: - dem Einhorn und dem Kentauren und dem, was da sonst noch auftauchen könnte, wenn Missverständnisse und Angst überhand nehmen, und wenn sie zugleich daran denken, Haustieren wie Raubtieren und den Ratten auf dem Dachboden des Partners den Zugang zu ihrem gemeinsamen Schiff und zu ihrer gmeinsamen Schiffsreise zu gestatten.

Wie kommt man weiter? Wie ist der neue Anfang?

„Eines Tages war Pu durch den Wald spaziert, er wollte hören, ob sein Freund Jakob überhaupt Bären leiden konnte," steht da in der Einleitung zum achtem Kapitel von Pu der Bär. Ein recht guter Anfang. Vielleicht spekulieren wir genau darüber, wenn wir allein sind, und vielleicht wünschen wir uns eine Antwort auf diese Frage, wenn wir schließlich wieder zusammen sind - auch in der Kirche: Ob wir überhaupt geliebt sind!

Vor 13 Millionen Jahren konzentrierte Gott alles Warme im Universum auf einen sehr kleinen Punkt, kleiner als dass ein Auge ihn hätte ausmachen können. Und seitdem streute ER es mit großer Geschwindigkeit in alle möglichen Richtungen aus - und er tut es noch immer.

Vor 2000 Jahren wurde alle Liebe im Universum an einen sehr kleinen und demütigen Ort versammelt, in einen Stall im Dorf Bethlehem, und danach wollte Gott dann, dass diese Liebe mit großer Geschwindigkeit in alle Richtungen verbreitet werden sollte und es andauernd wird. Das Reich Gottes, die wahre Liebe Gottes, die jeden umfängt, der sich umfangen lassen will und es wagt, einen völlig neuen Anfang anzunehmen.

Die Liebe ist eine offenes Tor - zu ganz neuen Welten. Das Tor der Liebe hat Gott uns gegeben, aber die Bewegung müssen wir selbst tun. Sich in Liebe bewegen heißt, sich auf Gott zu bewegen. Denn die Welt besteht aus offenen und verschlossenen Türen, aus Anfängen und Abschlüssen. Wenn die Liebe ein neuer Anfang ist, jetzt, damals und zu allen Zeiten, dann ist der Hass und die Gleichgültigkeit und die Einsamkeit die verschlossene Tür und der Abschluss von etwas, was hätte sein können.

Als die Familie Noah alles Nötige beschafft hatte, verschloss sie die Tür zu ihrer alten Welt. Und als die Herausforderungen bestanden waren, öffneten sie sie wieder für eine neue Wirklichkeit.

Wenn du wieder nach Hause und in deine Stube kommst, dann geh zur nächsten Tür. Wenn sie verschlossen ist, dann öffne sie - oder umgekehrt. Du wirst dann erleben, dass etwas geschieht. Du kannst auf dieselbe Weise zu dem nächsten Menschen gehen und dasselbe tun. Oder fast dasselbe. Menschen sind ja komplizierter als Türen! Aber es ist trotzdem überraschend leicht, sie zu öffnen und zu verschließen, wenn man will. Man braucht sich nur für sie zu interessieren. Aber: du sollst nie einen Menschen öffnen, wenn du nicht in ihn hineinsehen willst. Und du sollsst nie einen Menschen verschließen, wenn du nicht genug gesehen hast.

Ob wir nun einander wie Türen öffnen oder verschließen, wir werden immer einen neuen Anfang bekommen. Im Stall in Bethlehem stand die Tür in die wahre Liebe und in das Reich Gottes und zugleich hinaus in die Welt offen, und so waren die ersten, die Gottes Liebe zu sehen bekamen, die einfältigen, armen und ausgestoßenen Hirten auf dem Felde.

Und die Tür wurde nicht hinter ihnen verschlossen, sondern stand sperrangelweit offen, und so konnten die weisen Männer (und Frauen) nachkommen. Und damit nicht genug; die Tür stand fortgesetzt offen, und so hatten am Ende auch alle Feinde der Liebe Zugang - damals im Garten Gezemane in Jerusalem, ungefähr dreißig Jahre nach der magischen Nacht in Bethlehem.

Jesus Christus, Sohn Gottes! Zu den Kranken, denen ER auf seinem Weg begegnete, sagte ER: „Kommt heraus aus dem Kerker eures Lebens, öffnet die Tür und macht einen neuen Anfang." Zu den Verstorbenen sagte ER: „Sprengt die Fesseln des Todes; lasst mich das Tor des Todes auftun, so dass er dich nicht mehr gefangen halten kann. Komm ins Leben und in einen neuen Anfang." Zu den in die Irre Gegangenen sagt ER: „Ich bin der Weg." Zu den Suchenden sagte ER: „Ich bin die Wahrheit," und zu denen, deren Leben bedroht ist, und denen, die vom Tode gezeichnet sind, die von Krankheit geplagt sind, sagte ER: „Ich bin das Leben."

„Ich bin das Tor zu Gott," sagte ER auch. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich."

Pu der Bär will am liebsten Geschichte hören, die von ihm selbst handeln. Und das möchten wir auch gern. „Während Pu der Bär sein Frühstück aß, eine sehr einfache Mahlzeit, die aus Honnig mit Marmelade bestand, war er plötzlich auf ein neues Lied gekommen. Es fing so an:

Es ist schön, ein Bär zu sein!

Als er so weit gekommen war, kratzte er sich an seinem kleinen dreieckigen Kopf und dachte bei sich: „Ja, der Anfang klingt eigentlich sehr gut, aber wie soll der nächste Vers heißen?"

Aller Anfang ist schwer, sagt man, aber jetzt sind wir ja schon im vollen Gange und ein gutes Stück weit gekommen, auf dem Wege der Liebe - und Gott will, dass wir sagen können: „Es ist schön, Mensch zu sein." Und was, wenn nicht Hoffnung, könnte uns so weit bringen?

Lasst deshalb die Fortsetzung - und die wahrhafte Weihnachtsarbeit im Glauben bestehen. Im Glauben als Stärke, aber auch als eine Schwachheit, die wir uns selbst und einander erlauben. Die Schwachheit, dass wir nicht ohne Christus sein können. Der Glaube ist Freude und Trost; die Freude und der Trost, dass wir in alle Ewigkeit nicht ohne IHN sein werden. Das ist die wahre Botschaft von Weihnachten. Fröhliche Weihnachten!

Amen

 



Pastor Michael Wagner Brautsch
DK 6700 Darum v/Esbjerg
E-Mail: mwb@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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