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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christnacht, 24.12.2012

Predigt zu Hesekiel 37:24-28, verfasst von Jochen Cornelius-Bundschuh

24 Und mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun.

25 Und sie sollen wieder in dem Lande wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe, in dem eure Väter gewohnt haben. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder sollen darin wohnen für immer, und mein Knecht David soll für immer ihr Fürst sein.

26 Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Und ich will sie erhalten und mehren, und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer.

27 Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein,

28 damit auch die Heiden erfahren, dass ich der HERR bin, der Israel heilig macht, wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird.

Die Geschenke sind verteilt, liebe Gemeinde, Ruhe ist eingekehrt. Warum spielen Weihnachten das Verschenken und die Geschenke eine so große Rolle?

Wir haben es gerade gesungen (EG 27,1): Gott schenkt uns seinen Sohn. Und wir verschenken diese Liebe weiter.

In der Krippe finden wir eine Gabe, die so reich ist, dass sie viele froh macht: Hirten und Engel, Eltern und Könige, Schafe, Wirtinnen und Wirte. Sie wird nicht weniger, wenn sie weiter verschenkt wird; sie wächst, wenn sie geteilt wird.

Am Anfang steht ein Geschenk, seitdem breitet sich die Weihnachtsfreude aus: die Engel singen ihre Lieder, die Hirten erzählen die Geschichte weiter, wir stimmen ein, wir erzählen von der Liebe Gottes. Wir beschenken einander.

Manchmal macht die Suche nach einem Geschenk oder das Basteln schon so viel Spaß, dass ich es selbst kaum noch abwarten kann, bis das Geschenk ausgepackt wird. Manchmal ist das Aussuchen auch mühsam: worüber wird sie sich wohl freuen? Manchmal verhilft mir ein Schalk zu einer guten Idee und ich kann mir das Lachen des Beschenkten schon vorstellen. Und manchmal ist es genau das Richtige: „Darauf habe ich mich so gefreut." Dann versinkt der Beschenkte ins Spiel oder ins Lesen - und nicht einmal ein gutes Essen oder ein schöner Gottesdienst können ihn noch unter dem Baum hervorlocken.

Geschenke machen die Freude erfahrbar, dass Gott zu uns kommt und uns Frieden bringen will. Das Geschenk kann ich anfassen, mit dem Geschenk erlebe ich etwas. Die Freude gewinnt Gestalt, so wie das Kind leibhaftig in der Krippe liegt: Schaut her, fühlt die warme Haut, riecht das Heu und das Stroh, hört, wie Ochs und Esel auf ihren Halmen kauen. Gott schenkt uns seinen Sohn. Wir geben unser Glück weiter.

I

Der Prophet Ezechiel verdeutlicht uns im heutigen Predigttext drei Gaben, die Gott uns an Weihnachten schenkt:

Zum ersten schenkt uns Gott einen Hirten. Nicht einen der Hirten aus der Weihnachtsgeschichte, sondern diesen einen, ganz besonderen Hirten: Jesus, das Kind in der Krippe, ist für uns dieser gute Hirte. Er geht mit uns durch finstere Täler; er geht dem verirrten Schaf nach und holt es zurück. Er tröstet die Traurigen, stärkt die Kranken und bringt Licht in die Dunkelheit. Der gute Hirte geht zu denen, die niedergeschlagen sind, und macht ihnen Mut. Er tritt bei denen ein, die einsam sind, und leistet ihnen Gesellschaft.

Der gute Hirte ist ein Geschenk, das ich weiter geben kann. Er nimmt mich mit auf den Weg ins Nachbarhaus, wo die alte Dame allein Weihnachten feiert. Ich brauche nicht viel mitzunehmen; dass ich komme, ist schon Geschenk genug. Dass die alte Dame etwas spürt von der Grundbewegung des Schenkens: Ich gebe etwas von mir für dich, damit du dich freust! Ich bin dir verbunden!

So wird auch ein Brief der Freundin oder des Neffen zum großen Geschenk, zum Licht in der Dunkelheit.

II

Im zweiten Päckchen, das unser Predigttext enthält, ist eine Wohnung: Ein Zuhause, eine sichere Bleibe, eine Heimat. In den Fenstern stehen Lichter, wir werden erwartet. Gott schenkt uns eine bleibende Statt und sagt uns: Ihr braucht nicht allein zu sein, ihr werdet gemeinsam sicher wohnen, in euren Familien, in eurer Nachbarschaft, auf dieser Welt. Und ich wohne in eurer Mitte!

Das ist nicht selbstverständlich auf unserer Welt! Nicht jedes Land nimmt Flüchtlinge so freundlich auf wie damals Ägypten Maria, Josef und das Jesuskind aufgenommen hat, als sie vor Herodes fliehen mussten. Heute ist das Mittelmeer zu einer kaum zu überwindenden, tödlichen Grenze geworden; wir schotten uns ab in der EU. Weil wir Angst haben, dass wir etwas verlieren, wenn Fremde bei uns Heimat finden.

Gott schenkt mir eine Heimat, aber mir fällt es schwer, sie zu teilen. Ich rechne. Haben wir genug? Reicht es auch für andere? Für die Roma aus Osteuropa oder die Menschen aus der Republik Kongo in den Flüchtlingsunterkünften?

Gott liebt uns; deshalb schenkt Gott uns seinen Sohn. Wir schenken einander an Weihnachten aus Liebe Geschenke. Im Unterschied zur Liebe Gottes, ist unsere Liebe schwach, beschränkt und manchmal haben wir auch Hintergedanken. Insofern bleibt jedes unserer Geschenke nur ein kleines Abbild der Liebe, die Gott schenkt. Mal entspricht das Abbild dem Urbild mehr. Z.B. wenn sich überraschend ein Wunsch erfüllt, obwohl ich nie jemandem etwas davon gesagt hatte. Oder wenn ich ein Kinderbild bekomme, etwas Selbstgebasteltes. Aber manchmal spüre ich im Geschenk auch wenig von der Freundlichkeit Gottes, mit der das Schenken beginnt.

III

Das letzte Päckchen, das der Predigttext enthält, glänzt besonders hell. Der Prophet kündigt uns an: Gott schenkt Frieden, uns und aller Welt. Die Engel an der Krippe nehmen die Nachricht in ihrem Gesang auf: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden. Wir stimmen ein.

Dass Friede herrschen soll, das wünschen sich viele zu Weihnachten. Die Konflikte und die Toten, Verletzten und Traumatisierten der Kriege und Bürgerkriege dieses Jahres stehen uns vor Augen: in Afghanistan, im Kongo, in Syrien, in Israel und Palästina. Die Schrecken über tödliche Unfälle, über einen Amoklauf, über Naturkatastrophen! Wann schenkt Gott endlich Frieden? Was muss sich ändern? Wie kann ich Frieden weiter verschenken?

Manches fängt im Kleinen an: wenn ich meine Engherzigkeit überwinde und Weihnachten einen Brief an denjenigen schreibe, mit dem ich schon seit Jahren zerstritten bin. Aber das Kind in der Krippe bringt Frieden auf Erden, will die Welt verändern und ihr ein neues Gesicht geben. So wie die Menschen in dem Dorf Neve Shalom zwischen Jerusalem und tel Aviv. 40 Familien, israelische und palästinische Menschen, leben zusammen. Sie wollen persönlich zeigen, dass Frieden auch in tiefer Zerrissenheit möglich ist. Aber se wollen auch ausstrahlen, wollen dass sich politisch etwas ändert. In ihren Schulen unterrichten sie in zwei Sprachen. Die Kinder aus dem Dorf und der Umgebung sollen einen Zugang zu beiden Kulturen finden. Sie sollen lernen, sich gegenseitig zu respektieren und wert zu schätzen. Immer geht es um Begegnung und Verständigung. Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden!

IV

Weihnachten ist das Fest des Verschenkens und der Geschenke. Weil Gott mit dem Schenken begonnen hat. Auf manchen Bildern von der Geburt, liegt Jesus wie auf einem Gabentisch.

Gott hat ein Füllhorn geöffnet, das nicht leer wird, egal wie viel auch daraus hervor strömt. Die Geschenke überwinden Grenzen, sie erreichen nicht nur diejenigen, die nah sind und zu uns gehören, sondern auch die Fremden und Fernen. Friede breitet sich aus, wie ihn in die Engel an der Krippe schon gefunden haben!

In einem Adventskalender wird eine Geschichte aus einem Waisenhaus auf den Philippinen erzählt: Jedes Kind erhält dort zu Weihnachten eine Tafel Schokolade. Aber Kim hat mit einem anderen Jungen etwas angestellt und beim Rangeln eine Scheibe zerbrochen. Er hat den anderen nicht verraten - nun bekommt er als einziger keine Schokolade.

Abends nach der Feier kommt er in den Schlafsaal, wo 24 Jungen gemeinsam schlafen. Weil er so traurig ist, hat Kim heute am längsten gebraucht. Als er in den Saal kommt, liegen alle anderen schon unter ihren Decken und rühren sich nicht mehr. Traurig steigt er in sein Hochbett - und findet auf dem Kopfkissen 24 einzelne Stückchen Schokolade: 8 mal 3 zusammengesetzt wie eine ganze Tafel.

Da kommen alle Köpfe wieder unter der Decke hervor und der ganze Saal kichert und lacht. Weihnachtsfreude. Gott schenkt uns seinen Sohn. Wir geben sein Geschenk weiter.



Pfarrer Jochen Cornelius-Bundschuh
76135 Karlsruhe
E-Mail: jochen.cornelius-bundschuh@ekiba.de

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