Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach dem Christfest, 30.12.2012

Predigt zu Matthäus 23:34-39 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Leise Christensen

 

Wenn wir Nachrichten im Fernsehen sehen [in Dänemark „TV Avisen"], ist es oft so, dass man Sachverständige einlädt (aus irgendeinem Grunde heißen sie also heutzutage „Geschmacksrichter" (Sachverständige in Sachen des guten Geschmacks), und die sollen dann Berechnungen anstellen und Vorhersagen liefern, wie sich die Dinge nach ihrer ganz bestimmten Ansicht in Zukunft entwickeln werden. Sie sprechen davon, wie die Weltlage ist und welche Folgen sich für die Zunkunft daraus ergeben, sie sprechen davon, wie sich unser Konsum verändern wird und wie bei der nächsten großen Modeschau die Modeschöpfer die künftigen Linien in der Mode präsentieren werden. Heute, wo das weltliche Jahr uralt ist und wo wir binnen kurzem von ihm Abschied nehmen müssen, wimmelt es in den Medien geradezu von Sachverständigen, die ihre festen Meinungen vortragen über Dinge, die in - naher oder fernerer ­­- Zukunft eintreffen werden. Ich kann mich an das Jahr erinnern, in dem ein Metereologe voraussagte, im Juli werde der beste Sommer aller Zeiten nördlich der Alpen kommen. Niemand zögerte. Alles legte seine Ferien, wie es der Wetterprophet zu empfehlen schien, und das hatte dann die traurige Folge, dass die Leute drei Wochen mit stürmischem Wetter verbrachten, in strömendem Regen oder gar mit Schneeregen - wie das ja nördlich der Alpen vorkommen kann. Ende des Jahres, als ein verbreitetes Boulevardblatt den Dummkopf oder Spaßvogel des Jahres wählen sollte - war der genannte Wetterprophet der unumstrittene Sieger des Jahres bei dieser Konkurrenz ­- und dasselbe Blatt stellte ihm die Frage, was er dabei empfände, dass er zehntausende von abgearbeiteten und sonnenhungrigen Dänen den ganzen Juli über auf eine Odyssee in permanentem Regenwetter geschickt hatte. Darauf antwortete der Gefragte, was der Wahrheit entsprach: er hätte nie gesagt, von welchem Jahr er spräche. Das hätten die Leute zu seiner Rede vom Juli hinzuerfunden. Persönlich sei er der Meinung, es habe sich um eine Fünfjahresprognose gehandelt! Als ich in einem Studentenheim wohnte, nahmen wir oft an einer sogenannten Prophetenkonkurrenz teil. Eine der großen Tageszeitungen des Landes veranstaltete alljährlich einen Wettbewerb, wer für das kommende Jahr Ereignisse erraten oder voraussagen könnte. Die Fragen konnten beispielsweise so lauten: Ist Gorbatschow im kommenden Jahr noch Regierungschef der UdSSR? (Damals hatte jedoch kaum jemand die Phantasie, zu fragen, ob es im nächsten Jahr überhaupt noch eine Sowjetunion geben würde...) Oder: Wer wird Weltmeister in diesem oder jenem Sport? usw. Man sollte m.a.W. seine eigene private Voraussage für die Ereignisse der Zukunft erstellen. War waren alle recht schlecht mit unseren Antworten, denn bekanntlich ist die Vorhersage der Zukunft etwas vom Allerschwierigsten. Prognose ist nur ein anderes Wort für Vorhersage, und der Text von heute handelt gewissermaßen von Vorhersage. Denn es ist ein Tag, an dem die uralte Prophetie von der Geburt eines Erlösers in etwas Neues eingreift, etwas so Neues wie ein eine Woche alter Säugling. Es ist ein alter Glaube, der in Erfüllung geht, wenn Simeon das Kind auf den Arm nimmt. Buchstäblich ist dem alten Mann ein Licht aufgegangen. Er spricht von Erlösung und Trost. Um dieses Kind versammeln sich am Weihnachtssonntag die Alten, Simeon und Anna, und die Jungen, Josef und Maria, in einer Gemeinschaft und in Freude über das Kind. Sie bilden den Grundstein in der Kirche. Sie sind das erste Glied in einer Kette, die ohne Unterbrechung bis hin zu uns heute reicht. Obgleich sich die Zeiten ändern! Es war einmal ein Häuptling in Afrika, der das Weihnachtsevangelium zum ersten Mal hörte. Nachdem er seine Fragen zu der Geschichte gestellt und Erklärungen dazu erhalten hatte, sagt er: „Ja, diese Erzählung müssen wir hören, damit wir uns geborgen fühlen können und nicht ununterbrochen zu glauben brauchen, jemand sei mit langen Spießen hinter uns her!" Die Botschaft von der Geburt Jesu hat eine wunderbare Kraft, Menschen zu helfen, wo auch immer sie sind. Überall in der Welt vermag die Botschaft etwas Gebundenes zu lösen und Frieden zu bringen - trotz Not und Gefahren. Es ist eine gute Erfahrung, die man macht, wenn man das Weihnachtsevangelium hört und wie Simeon glaubt, dass dies Israels Trost ist - und das heißt doch: mein Trost. Dass dies Licht bringt - Licht für uns alle. Es tut gut zu entdecken: wie fremd wir auch einander sein mögen, ob man Häuptling in Afrika oder gewöhnlicher Jütländer von der Westeküste Dänemarks ist, so gibt es doch etwas, woran wir alle teilhaben: das Geschenk Gottes in Jesus Christus. Darum ist das Weihnachtsevangelium eine Erzählung, die wir immer wieder hören müssen, so dass wir gleichwie Simeon diese spontane Freude erleben können, diese Erhebung, die uns weit in den Januar hineintragen wird - und die dann nicht aufhört, sondern die anhält und die sich ganz unmerklich in den Mut zum Leben verwandelt. „So dass wir nicht ununterbrochen zu glauben brauchen, jemand sei mit langen Spießen hinter uns her," wie er gesagt hat, jener afrikanische Häuptling. Die Prognose der Geburt des Erlösers, an die Simeon und Anna so fest glaubten, hat offensichtlich Stich gehalten. So verhält es sich - wie gesagt - nicht immer, wenn Menschen Prognosen anstellen - bei menschlichen Prognosen ist man - wie gesagt - recht oft erstaunt, wenn sich herausstellt, dass eine Prognose auch nur in die Nähe dessen kommen, was an Wahrheit erinnert. Aber der Mensch hat einen starken Drang, derlei Voraussagen der Zukunft anzustellen, weil wir Angst vor dem Namenlosen haben - weil wir lieber ein Schreckbild davon geben, wie das kommende Jahr sein wird, als in das total Unbekannte eintreten, wo noch nichts einen Namen oder Inhalt erhalten hat. Lieber Vorstellungen davon haben, in was für eine Zukunft man sich hineinbegibt, wie mager qualifiziert diese Vorstellungen sich auch erweisen mögen, als sich ohne jeglichen Anhaltspunkt einer Zukunft nähern, wie erdichtet oder flüchtig solcher Anhaltspunkt auch sein mag. Als Christen wissen wir genauso wenig wie alle andren Menschen, was uns die Zukunft bringen wird, aber eines wissen wir - und das soll unser Trost sein - wir wissen, was Maria in sich trug. In der Weihnacht gebar sie ihren Sohn, wickelte ihn und legte ihn in eine Krippe. Am Weihnachtssonntag hören wir auch, dass er beschnitten wurde und einen Namen erhielt, wie es bei den Juden Sitte war. Er erhielt von dem Engel den Namen Jesus, noch ehe er geboren wurde. Der Name bedeutet „der Herr ist Heil". Er sollte uns erlösen - darum bekam er diesen Namen. Darum stieg er herab vom Himmel und wurde Fleisch durch den Heiligen Geist und die Jungfrau Maria. Wir wissen nichts über das Unbekannte, das uns in der Zukunft unsres Lebens erwartet, aber wir brauchen es nicht zu fürchten. Gott ist bei uns. Die Furcht muss weichen. Prognosen kommen und gehen, Sachverständigenaussagen kommen auf und sterben dahin, aber in Jesus Christus haben wir einen Halt, der in dem Sinne unveränderlich ist, dass wir wissen, dass die Liebe, die Gott zu uns hegt, ewig währt sowohl in unsrer irdischen Zukunft als auch bis in alle Ewigkeit. Sie sei unser fester Halt, wenn alles fehlschlägt und wir uns von den langen Speeren umringt fühlen. Mit dem Wort von der Geburt des Sohnes Gottes brauchen wir die, die die langen Speere haben, nicht mehr zu fürchten. Und das ist das größte Weihnachtsgeschenk, das größte Lebensgeschenk, das ein Mensch bekommen kann.

Amen

 



Lektor Leise Christensen
DK-6240 Løgumkloster
E-Mail: lec@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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